Der "Dominoeffekt auf dem Balkan" (Copyright Sebastian Kurz) ist in vollem Gang. Mazedonien hat einen Zaun gebaut und lässt keine afghanischen Flüchtlinge mehr hinein. Auf der griechischen Seite halten sich im und um das Behelfslager Idomeni (rund 6.000 Insassen, vorgesehene Belegzahl: 2.000) mehrere Hundert Afghanen auf. Sie wurden von den griechischen Behörden jetzt großteils mit Bussen nach Athen zurücktransportiert.

Das wird so weitergehen, denn ausgehend von Deutschland, Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien bis zu Mazedonien, werden Menschen ohne Chance auf Asyl (und das sind neben Afghanen vor allem Nordafrikaner, aber auch Iraner und Pakistanis) nicht mehr durchgelassen. Chancen haben nur noch Syrer und Iraker, wenn sie ordentliche Papiere haben.

Das wäre an sich eine halbwegs vertretbare Methode, um den Zustrom auf Kriegsflüchtlinge zu beschränken. Allerdings geht diese Vorgangsweise – wie vorauszusehen war – letztlich und komplett auf Kosten Griechenlands.

Wenn das so weitergeht, werden sich in den nächsten Wochen tausende, ja zehntausende abgewiesene Flüchtlinge in Griechenland stauen und dieses Land noch weiter destabilisieren. Die österreichische Politik hat daran einen wesentlichen Anteil, denn Außenminister Sebastian Kurz und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner haben den "Dominoplan" massiv unterstützt. An diesem Mittwoch findet auch unter Ausschluss Griechenlands in Wien eine Konferenz mit den Westbalkanländern statt, um diese Politik noch fester zu klopfen.

Und zwar unter gleichzeitiger feindseliger Rhetorik gegen Griechenland, das "endlich seine Hausaufgaben machen soll" (Mikl-Leitner). Sebastian Kurz noch aggressiver: "Ich bin nicht bereit, zu warten, bis Griechenland zu der Einsicht kommt, dass es eine Lösung der Flüchtlingskrise braucht."

Es stellt sich die Frage, ob unser Außenminister hier weiß, wovon er redet. Griechenland ist für vieles verantwortlich, aber nicht für seine Geografie und für die Bedingungen der Flüchtlingsbewegung über das Meer. Selbst wenn die gesamte griechische Marine alle Schlauchboote aufbringt, die täglich trotz Winterwetters aus der Türkei losfahren, so müsste es die Flüchtlinge doch auf eigenes Staatsgebiet bringen. Denn die Türkei nimmt sie nicht zurück beziehungsweise bremst nicht wirklich die Aktivität der Schmuggler.

Wenn es keine wirksame Abmachung mit der Türkei gibt, ist der Schutz der EU-Außengrenze in der Ägäis nicht zu schaffen – es sei denn, Kurz und Mikl-Leitner wollen, dass die Schlauchboote auf die hohe See hinausgedrängt und ihrem Schicksal überlassen werden. Oder wie ein griechischer Minister sagte: "Sollen wir das Feuer auf sie eröffnen?"

Der "Dominoplan" in dieser Form ist ein Garant dafür, dass Griechenland auch noch ein riesiges Flüchtlingsproblem bekommt. Dann wird ein EU-Mitglied endgültig ein "failing state", mit enormem Aufwind für die Neonazipartei und die Putin-Freunde im Land. Griechenland ist der letzte Dominostein. (Hans Rauscher, 23.2.2016)