Seit der Einführung im Jahr 2010 kam die Fußfessel rund 3.500-mal zum Einsatz.

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Wien – Die erste Ausschreibung im März 2010 war nicht gerade ein Glanzstück. Das Justizministerium hatte das Vergabeverfahren bereits gestartet, bevor das Gesetz für den elektronisch überwachten Hausarrest mittels Fußfesseln überhaupt beschlossen war. Entgegen dem Vorschlag der Bundesbeschaffung GmbH wurden nur drei statt fünf Bewerbern zugelassen. Der selbst auferlegte Zeitdruck und der eingeschränkte Wettbewerb wurden vom Rechnungshof zwei Jahre später in einem Prüfbericht scharf kritisiert.

Zum Zug kam damals die Firma 3M, die mit 2,7 Millionen Euro (für drei Jahre) das teuerste Angebot abgegeben hatte. Der Vertrag läuft aber im August aus. Das Justizressort hat nun ein neues Vergabeverfahren gestartet. Aus den Ausschreibungsunterlagen, die dem STANDARD vorliegen, geht hervor, dass die Fußfessel in Zukunft noch wesentlich häufiger zum Einsatz kommen könnte.

Auftragsvergabe bis Mitte Juni

Der Auftraggeber behalte sich vor, das Volumen des Vertrags "auf ein Gesamtvolumen von 2.000 überwachten Personen anzuheben", heißt es darin. Zur Orientierung: Im Vorjahr gab es 1.028 Straftäter mit Fußfessel, in den Jahren davor zwischen 600 und 800. Die Auftragsvergabe soll bis Mitte Juni erfolgen, der neue Vertrag soll dann unbefristet gelten.

Grundsätzlich kann ein elektronisch überwachter Hausarrest immer dann genehmigt werden, wenn die noch zu verbüßende Strafzeit nicht mehr als zwölf Monate beträgt und der Verurteilte eine Beschäftigung findet, sowie eine Unterkunft im Inland hat.

Nachdenken über Ausweitung

Im Justizministerium denkt man aber seit längerem über eine Ausweitung nach. Der Generaldirektor des Ressorts hat sich im Herbst dafür ausgesprochen, Fußfesseln bei Haftstrafen von bis zu 18 Monaten zu genehmigen. Noch seien die Prüfungen aber nicht abgeschlossen, sagt eine Sprecherin von Minister Wolfgang Brandstetter (ÖVP).

Laut Ausschreibung möchte man bei der Überwachung der Fußfesselträger künftig auch genauer hinschauen. Zum Hintergrund: Derzeit werden im Grunde nur die An- und Abwesenheitszeiten in der Unterkunft kontrolliert. Eine permanente Überwachung ist nicht möglich, weil die Fußfesseln nicht mit einem GPS-Sender ausgestattet sind.

GPS-Angebot nötig

Wer sich um den neuen Auftrag bewirbt, muss nun aber eine GPS-Ortung im Angebot haben. Der Aufenthaltsort müsse 24 Stunden am Tag feststellbar sein, heißt es. Das neue System muss auch mit dem europäischen Satellitennavigationssystem Galileo (das allerdings noch nicht in Betrieb ist) kompatibel sein.

Ob man tatsächlich sofort mit einer permanenten Überwachung aller Fußfesselträger startet, ist aber offen. Dafür wären deutlich mehr Personal und Budget nötig. Ob man das bekomme, sei aber noch nicht ausdiskutiert, sagt die Ministersprecherin.

Alkoholkontrollen

Genauer kontrollieren will man offenbar auch, ob die Verurteilten im Hausarrest Alkohol trinken. Verlangt wird vom neuen Anbieter nämlich eine "technische Möglichkeit zur Alkoholkontrolle samt biometrischem Erkennungsverfahren" – es muss also feststellbar sein, dass die Alkoholkontrolle tatsächlich bei der überwachten Person vorgenommen wurde. Im Einzelfall sind solche Überprüfungen aber auch jetzt schon möglich.

Die Wiener Rechtsanwaltskammer drängt bereits darauf, dass die GPS-Lösung möglichst rasch zum Einsatz kommt. Gerade bei jugendlichen Straftätern sei es mit GPS besser möglich, die Einhaltung von Auflagen – etwa das Verbot, bestimmte Orte oder Lokale zu betreten – zu überwachen, sagt Kammerexpertin Elisabeth Rech. So könne etwa verhindert werden, dass Rädelsführer einer Bande negativen Einfluss auf ehemalige Mitläufer ausüben.

"Warum Menschen wegsperren"

Aber auch bei Untreuedelikten könne die Fußfessel viel häufiger eingesetzt werden. "Warum Menschen wegsperren, die keine Gefahr für die Gesellschaft darstellen, sondern Schadenersatzwiedergutmachung erarbeiten können?" Derzeit sei die Fußfessel jedenfalls bei vielen Berufen nicht praktikabel, meint Rech. Im Falle einer GPS-Überwachung könnten Betroffene berufliche Termine auch ortsungebunden wahrnehmen.

Der Fall Kartnig hat laut Rech die Schwachstellen des derzeitigen Vollzugs gezeigt. Wie berichtet verlor der frühere Sturm-Präsident das Recht, eine Fußfessel zu tragen, nachdem er beim Besuch eines teuren Restaurants und der Oper beobachtet wurde. Rech: "In Wahrheit darf es für eine aufgeklärte, offene und reife Gesellschaft überhaupt keine Rolle spielen, ob ein Häftling während eines Ausgangs an einer Würstelbude oder im Hauben-Restaurant zu Abend ist." (Günther Oswald, 23.2.2016)