Lorenz Kabas (Regie) und Pia Hierzegger (Stück) vom Theater im Bahnhof haben für die Volkstheater-Koproduktion "Die Fleischhauer von Wien" vor Ort in den Betrieben recherchiert.


Foto: Matthias Cremer

Wien – Was ein Fricandeau ist oder ein mageres Meisel, das braucht man Lorenz Kabas und Pia Hierzegger vom Theater im Bahnhof (TiB) nicht mehr zu erklären. Sie haben sich mit der Teilstückkunde des Fleischerhandwerks längst vertraut gemacht. Am Freitag hat ihr auch auf Recherchen vor Ort beruhendes Stück Die Fleischhauer von Wien Premiere beim Volkstheater in den Bezirken (Volx Margareten). Die Produktion tourt danach wie üblich durch die Stadt.

Für alle, die es nicht wissen: Fricandeau bezeichnet eines der kostbarsten Stücke vom Schweinsschlögel. So erklärt es Lorenz Kabas. Er ist Regisseur des Abends und entstammt selbst einer Fleischerfamilie.

Das Theater im Bahnhof mit Basislager in Graz versteht sich als zeitgenössisches Volkstheater, das Prozesse in der Krise ausforscht und genauer betrachtet. Von der massiven (postindustriellen) Absiedelung handelte jüngst das Stück Blue Moonshine beim Steirischen Herbst. In Die Kaufleute von Graz (2011) wurde das Aussterben des Einzelhandels beklagt, Lehrerzimmer 8020 (2013) schilderte pädagogische Zerreißproben im Angesicht der Bildungsreform.

"Krisenmomente sind für das Theater eben spannend," sagt Kabas, "genau darin liegt ja das dramatische Potenzial". Der Beruf der Fleischhauer ist jedenfalls krisenbehaftet. Andererseits ist es auch ein Zufall, dass nun das Fleischerhandwerk im Zentrum steht. Weder sind die TiB-Leute leidenschaftliche Fleischesser noch vehemente Ablehner. Hierzegger beispielsweise hat sich eine Zeitlang vegetarisch ernährt. Fleisch als Thema versammelt, so die Autorin des Stücks, viele Aspekte: die großen Lebensmittelketten, die luxuriösen Bobo-Attitüden (was man essen darf und was nicht) und natürlich die riskante Struktur des Familienbetriebs, der im Stück im Zentrum steht.

Konflikt bei der Übergabe

In Die Fleischhauer von Wien will beziehungsweise soll eine Wiener Fleischhauerfamilie (Mutter und Sohn werden gespielt von Doris Weiner und Dominik Warta) den Betrieb an Verwandte aus der Steiermark (Martina Zinner, Rupert Lehofer) übergeben. Von dieser konfliktbeladenen Übergabephase handelt das Stück von Pia Hierzegger. Es sei für Vegetarier genauso geeignet, natürlich auch für Vegane, so die Autorin. Ethische Überlegungen stelle das Stück zwar an – es gibt auch eine Figur, die kein Fleisch isst -, doch sie stünden keineswegs im Zentrum. "Wir wollten vielmehr eine ernste Auseinandersetzung mit dem Berufsstand", so Kabas.

Während der Fleischkonsum stetig steigt, ist bizarrerweise das alte Fleischerhandwerk bedroht. Den Letzten Fleischhauern von Wien (Metroverlag, 2012) wurde bereits in Buchform gehuldigt. Das Sterben der alteingesessenen Betriebe wird sich weiter fortsetzen, prophezeit auch der Innungsmeister Erwin Fellner, einer der Gesprächspartner bei der Recherche. Für das Stück wurden Vertreter aus verschiedenen Bereichen interviewt: ein Berufsschullehrer, jemand aus der Kommission des Österreichischen Lebensmittelkodexes oder auch einer, der einen Internetvertrieb für Biofleisch eröffnet hat.

Es ist, so die Erkenntnis aus den Gesprächen, nicht ein Faktor, der für das Fleischhauersterben die Verantwortung trägt. Nicht nur das wachsende Angebot in den Supermärkten verdrängt die kleinen Betriebe. Auch die EU-Auflagen stellen große Hürden dar oder grundsätzlich die Finanzierung (etwa von Lebensmittelanalysen). Nicht zuletzt ist die familiäre Betriebsstruktur ein vager Faktor.

Gewiss spielt auch der veränderte Fleischkonsum eine Rolle. Da dem täglichen Kochen immer weniger Zeit eingeräumt wird, wächst der Trend zum Kurzgebratenen. Das wiederum kickt viele Fleischteile aus dem Sortiment und schmälert so das Handwerk.

All dieses zusammengetragene Recherchematerial nützte Pia Hierzegger als Inspiration für das Stück. "Unsere Ideen für den Abend wurden von den Gesprächen eigentlich weiter verstärkt", sagt sie. Die konkreten Gespräche führte allerdings Dramaturgin Mona Schwitzer. Hierzegger: "Für mich als Autorin ist es wichtig, Distanz zu den konkreten Personen zu haben, sie nicht zu kennen, damit das beim Schreiben keine Scheu auslöst. Einige von ihnen habe ich aber trotzdem getroffen." (Margarete Affenzeller, 23.2.2016)