Bild nicht mehr verfügbar.

Apple-Chef Tim Cook will sich dem FBI nicht beugen – findet dabei aber nur begrenzt Verständnis in der US-amerikanischen Öffentlichkeit.

Foto: Luca Bruno / AP

Die wichtigste Auseinandersetzung der letzten Jahre hatte NSA-Whistleblower Edward Snowden die Kontroverse zwischen Apple und FBI um das Beseitigen zentraler Sicherheitsmaßnahme auf einem beschlagnahmten iPhone genannt. Doch zumindest in einer Hinsicht ist Apple drauf und dran diese zu verlieren: Bei der öffentlichen Meinung.

Klare Zahlen

Laut einer aktuellen Studie des Pew Research Centers sind 51 Prozent der US-Bürger der Meinung, dass Apple das iPhone eines der Attentäter der Anschläge von San Bernardino für die Behörden entsperren soll. Nur 38 Prozent lehnen diese Forderung ab. Diese Meinung zieht sich dabei durch alle Altersgruppen selbst die 18-29-jährigen sprechen sich also mehrheitlich gegen Apples Position aus.

Stimmungswandel

In der letzten Woche hat sich die öffentliche Stimmung immer stärker gegen Apple gedreht. Vor allem aus der Politik musste sich Apple dabei viel Kritik einstecken, US-Präsidentschaftsanwärter Donald Trump hatte sogar einen Boykott des Konzerns eingefordert – auch wenn diese Message durch den Fakt, dass er sie von einem iPhone twitterte leicht untergraben wurde. Doch selbst in der Techbranche stimmen nicht alle Apples Verhalten zu, so hat etwa Microsoft-Gründer Bill Gates gerade erst viel Verständnis für die Position des FBI durchklingen lassen.

Geschickte Auswahl

Die zentrale Ursache für die negative öffentliche Meinung zu Apples Position dürfte aber vor allem im vorliegenden Fall selbst zu suchen sein. Immerhin geht es hier um das Smartphone einer Person, die an der Ermordung von 14 Personen beteiligt war. Zudem betont das FBI, dass es lediglich um eine einmalige Ausnahme gehe, für viele scheint der Wunsch der Bundesbehörde also nachvollziehbar.

Komplexer Sachverhalt

Apples Position ist da schon wesentlich schwieriger zu vermitteln. Dem Unternehmen geht es nämlich gar nicht so sehr um diesen einen betreffenden Fall sondern vor allem um die langfristigen Konsequenzen, die ein Eingehen auf die Forderung des FBI hätte. Immerhin will die Behörde, dass Apple ein spezielles iOS-Update schnürt, mit dem zentrale Sicherheitsmechanismen des iPhones deaktiviert werden. Lasse man sich darauf ein, würden wohl schon bald zahlreiche solcher Anfragen bei Apple eintrudeln – und dabei durchaus auch welche aus anderen Ländern, in denen Apple aktiv ist, wie etwa China.

Es geht nicht um Verschlüsselung

Entgegen der Fragestellung der Studie geht es in dem Fall übrigens nicht um das vollständige Entschlüsseln eines Smartphones, dies liegt gar nicht in Apples Macht. Die verwendete AES-Verschlüsselung wurde in den letzten Jahren mannigfach geprüft und gilt als sicher. Das FBI will "nur" zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen – etwa erzwungene Timeouts zwischen Fehlversuchen – entfernt haben, um dann selbst durch rasches Ausprobieren aller Möglichkeiten den richtigen Code finden zu können. Sollte der betreffende Attentäter also ein gutes Passwort verwendet haben, würde man hier nicht erst recht nicht sonderlich weit kommen. Die meisten iPhone-Nutzer bleiben allerdings beim vierstelligen Passcode, und dieser ließe sich mit Apples Unterstützung in rund 10 Minuten knacken.

Einschätzung

Auf der rein rechtlichen Ebene hat Apple übrigens durchaus gute Chancen den Streit zu gewinnen. Jenes Gesetz, über das man Apple zur Entwicklung einer speziellen iOS-Version für das FBI zwingen will, spricht nämlich auch davon, dass solche Anfragen "zumutbar" sein müssen. Da es hier um die Beweissicherung in einem Kriminalfall geht, ist es aber nicht so einfach mit dem Ändern von ein paar Zeilen im Code von iOS getan. Immerhin müsste die neue Version dann auch forensischen Ansprüchen gerecht werden, und dies bedeutet einen erheblichen Aufwand in einem Bereich, in dem Apple bisher keinerlei Expertise hat.

Schlacht vs. Krieg

So könnte es sein, dass Apple diese Schlacht gewinnt, den Krieg aber verliert. Das FBI könnte eine Niederlage nämlich dazu nutzen, um gesetzliche Änderungen in Hinblick auf Verschlüsselung und Regierungshintertüren durchzudrücken – all dies im Bewusstsein, die öffentliche Meinung auf der eigenen Seite zu haben. Dass dies von Anfang an der Plan des FBI war, glauben mittlerweile nicht nur Verschwörungstheoretiker. Immerhin sind in den letzten Tagen zahlreiche Ungereimtheiten und Pannen rund um die gesamte Untersuchung bekannt geworden. So dürfte sich das FBI selbst durch einen eigenen Fehler den Zugriff auf des Gerät verbaut haben. Auch gibt es ernsthafte Zweifel daran, dass sich auf dem Gerät überhaupt irgendetwas Interessantes befindet. Hatten die beiden Attentäter doch einigen Aufwand betrieben, um ihre privaten Smartphones und ihre Computerfestplatten vor dem Terrorangriff zu zerstören, beim verblieben iPhone handelt es sich um ein Arbeitsgerät. Und zwar eines von dem das FBI ohnehiin bereits die iCloud-Backups bis letzten Oktober hat.

Hardware-Hack

Dazu kommt dann noch, dass Sicherheitsexperten mittlerweile betonen, dass die entsprechenden Sperren auch durch einen Hardware-Hack ausgestrickst werden könnten. Das FBI müsste also nur einen Hilfsantrag bei der NSA stellen, die zweifellos die entsprechenden Fähigkeiten habe. Das scheint man bisher aber nicht getan zu haben.

NSA vs FBI

Ob eine solche FBI-Kampagne gegen sichere Verschlüsselung erfolgreiche wäre, ist trotzdem längst nicht gesichert. Derzeit scheint eine der größten Hürden hierfür ausgerechnet der US-Geheimdienst NSA zu sein, der sich zuletzt mehrfach gegen die Schwächung von Verschlüsselung ausgesprochen hatte. Dies mag zunächst verblüffend klingen, ergibt in der NSA-Logik aber durchaus Sinn. Die NSA hat die globale wohl umfangreichsten Möglichkeiten, andere System zu hacken. Von einer generellen Schwächung von Verschlüsselung würden hingegen sämtliche Geheimdienste der Welt und auch Kriminelle profitieren – relativ gesehen würde der Vorsprung der NSA im Hacker-Wettlauf also schmelzen. (Andreas Proschofsky, 23.2.2016)