Wien – Ein bisschen was geht immer noch. Man kann auf jeden Schokomuffin noch bunte Streusel streuen. Das wäre aber zu vorhersehbar. Also baden wir den Muffin noch in Vanillesauce. Mhm. Lecker. Und, und, zum Ausgleich muss noch Himbeersauce drüber. Fast fertig. Jetzt kommt oben drauf ein Punschkrapfen. So ein in Rum und Zucker getränkter rosaroter Würfel. Ja, hält. Über den quetschen wir Schlagobers und schütten eine orange Sandspielschaufel voll Staubzucker und essbaren Konfetti drauf. Schon ist angerichtet. Fast. Das Kunstwerk gehört auf einen Teller. Und der muss erst mit Fingerfarben, Knetmasse und noch mehr Konfetti präpariert werden. Jetzt aber.

Derlei Fantasien lösen die ersten 17 Sekunden des ersten Lieds des neuen Albums des Animal Collective aus. Animal Collective ist eine zurzeit dreiköpfige Band aus den USA, ihr neues Album heißt Painting With und ist das zehnte seit dem Jahr 2000. Seit damals stiegen Animal Collective zu Lieblingen der Hipster auf. Auf der ganzen Welt. Unterstützt von Zujublern wie denen von Pitchfork Media.

Wir sind das Animal Collective und haben den ganzen Tag lang lustige Ideen. Aus diesen machen wir Lieder. Aus diesen Liedern haben wir eine neue Platte gemacht. Hihi. Haha.
Foto: Tom Andrew

Animal Collective produzieren experimentelle Popmusik. Das bedeutet, dass sie sehr oft elektronische Instrumente verwenden. An diese gehen sie heran wie Kinder an neues Spielzeug. Sie kultivieren auch ihr Äußeres dahingehend. Immer bunt und lustig. Die Musik konveniert mit dem Erscheinungsbild, ist die Summe eines nervös bis psychedelisch-nervös werkelnden Geschrappenorchesters. Das hatte in den letzten 15 Jahren seine Momente. In denen sangen sie schön. Hübsche Harmonien in höheren Lagen. Aber der Rest hat immer genervt.

Nachdem die Akteure ihre Kindheit nur schwer loslassen, haben sie sich Fantasienamen gegeben. Panda Bear zum Beispiel. Urlieb. Oder Avey Tare. Oder Geologist. Weil er so gerne Steine bemalt. Als Zugeständnis ans blöde Erwachsenenleben und das Publikum ließen sich manche Animals einen Bart wachsen. Iiih! Aber das ist nichts, was Kinderklamotten in Large oder X-Large nicht wettmachen könnten.

Animal Collective

Derlei orientiert und angetan, hat das Animal Collective eine neue Torte gebacken. Eine akustische, eine mit zwölf Liedern. Überkandidelte, zappelige Ungetüme, denen die Band lustige Namen gegeben hat. Flori Dada zum Beispiel. Oder Hocus Pocus. Bei dem Lied spielt John Cale mit. Das ist ein böser alter Mann, der nie lacht. Macht aber nichts, weil lachen tut ja das Animal Collective. Es ist ja auch zum Kugeln. Wie man so ein Lied bauen kann, mit diesen vielen Knöpfen, und es schneller macht und schneller und dann kaputt. Weil was man selber gebaut hat, darf man ungestraft kaputtmachen. Haben die in der selbstorganisierten Schule gesagt. Und es tut ja niemandem weh. Gut, den Ohren vielleicht.

Gemeine Märchenonkel

Dabei bemühen sich Panda Bear und die anderen total. Ein Popalbum wollten sie machen. Also so eines mit kurzen Liedern, die einen Anfang und ein Ende haben. Und dazwischen sollte man nicht verlorengehen. Das hat aber nicht so gut geklappt. Weil, es ist schon blöd, wenn man den ganzen Tag super Ideen hat, und die soll man dann in ein Dreiminutenlied stopfen. Muss aber. Und jetzt heißt es, das sei zu viel des Guten. Das gibt's ja gar nicht, zu viel Gutes. Oder doch?

Das wäre schlimm. Denn das hat der Band niemand gesagt. Och, jetzt schauen sie traurig. Sogar die Märchenonkel von Pitchfork haben sie nicht mehr so lieb wie sonst. Was ist denn da los? Wenn das so weitergeht, werden Panda Bear und der Rest sich einen neuen Spielplatz suchen müssen. Einen mit dankbarerem Publikum. Kommt, Avey und Geologist, steigen wir in unser Raumschiff und fliegen davon. (Karl Fluch, 23.2.2016)