Von einer unmöglichen Liebe: Rossinis "Otello" in Wien.

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Wien – In der – nach der Ausgestaltung ihres Palazzos zu urteilen – noch wohlhabenden Familie herrscht unterschwellig große Sorge. Sie scheint in aktueller Zeit mit Geld und Krise zu tun zu haben, die Familie steht womöglich vor dem Ruin. Gleichermaßen hochnäsig wie sehnsüchtig erwartet sie denn auch diesen Otello.

Selbiger ist der gläubige Muslim mit dem Geldkoffer, Ölmillionen werden wohl seine Spezialität sein. Und auf diese scheint der venezianische Clan letzte Hoffnungen zu setzen. Wobei er – offenbar xenophob veranlagt – Otello in seine Privatsphäre nicht lassen mag. Natürlich, Desdemona hat es längst getan.

Der italienische Regisseur und Durchstarter der letzten Jahre, Damiano Michieletto, der etwa bei den Salzburger Festspielen Falstaff und Bohème inszeniert hat, entwirft im Theater an der Wien (im eleganten Bühnenbild von Paolo Fantin) ein präzises Gesellschaftsporträt. Gioachino Rossinis Otello beschenkt er zudem mit surrealen Elementen: Da fließt beim Bankett plötzlich reichlich Öl, besudelt den heuchlerischen Clan; und es steigen Figuren aus Gemälden. Durch geschickte Umbesetzung von Dialogen erhellt Michieletto zudem auch punktuell neue Bedeutungsebenen.

Das Spiel zwischen Eifersucht, Macht und Intrige ist musikalisch von extremer vokaler Schwere, doch auch hier ist Exzellentes zu erleben: John Osborn (als Otello) meistert die Partie mit Klarheit und Intensität; nicht minder impulsiv, nur etwas herb im Forte Nino Machaidze (als Desdemona). So lyrisch wie geläufig glänzt aber auch Maxim Mironov als Rodrigo, der zwar mit Desdemona verheiratet werden soll, jedoch eher Männern zugeneigt ist.

Etwa Jago, den Vladimir Dmitruk überspannt anlegen muss. Da hat Michieletto ein bisschen übertrieben, als wollte er eine Figur aus der Rocky Horror Show evozieren. Ansonsten eine tadellose Ensembleleistung, auch vom Schönberg-Chor. Bis auf einzelne Ausrutscher im instrumentalsolistischen Bereich dominiert bei den Symphonikern eine (von Dirigent Antonello Manacorda animierte) impulsive Diktion. Klanglich war das nicht extrem subtil angelegt; aber den Bühnenereignissen verlieh es Energie. (Ljubisa Tosic, 21.2.2016)