Wien – "Nicht, dass da ein falscher Eindruck entsteht", sagt Dieter Quester und deutet auf die imposante Weinflaschenbatterie in der Küche seines schmucken Anwesens in Wien-Döbling. Schon trinke er hie und da einen Spritzer, aber von Alkohol, Zigaretten und dergleichen habe er sich davor stets ferngehalten. "Ich war ein Extremist, war mit dem Aluminiumkofferl von Willi Dungl unterwegs, mit Tee, mit Müsli. Ich war einer der Ersten, die da nichts dem Zufall überlassen haben, hab die Disziplin durchgezogen und in die heutige Zeit mitgenommen."

Man glaubt es dem drahtigen 76-Jährigen, der leicht säbelbeinig daherkommt, gerne. Und man revidiert nach und nach Bilder, die man sich vom Ex-Rennfahrer Dieter "Quastl" Quester gemacht hat. Zum Beispiel das Ex: "Ich habe meine Karriere nie beendet, wir bereiten gerade ein Auto für Daytona vor." Das hat dann nichts zu tun mit bloßen Oldtimer-Gleichmäßigkeitprüfungen bestens situierter Senioren. Apropos bestens situiert: Mangel hat Dieter Quester nie gelitten, die Annahme aber, dass da ein Jüngling aus reichem Haus seinen Motorsportspinnereien frönen konnte, all die Jahre, und – g'stopft, wie er war – einmal sogar die Formel 1 schmücken durfte, ist grundfalsch.

Der BMW M1 und Dieter Quester 1980 in Le Mans. Damals erreichten die beiden mit Didier Pironi und Marcel Mignot im Team BMW France Gesamtrang 14. Es war nur eines der gut 60 Rennen über 24 Stunden, die der wegen seiner Fitness und wegen seines Gefühls für das Material für die Langstrecke prädestinierte Wiener bestritt.
Foto: Privat

Tatsächlich war das Quester'sche Vermögen noch leicht überschaubar, als Dieter kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Wien zur Welt kam. Sein Vater Fritz, Rauchfangkehrermeister, hatte 1932 einen drehbaren Kaminaufsatz erfunden, den sogenannten Champion, der das Eindringen des Windes in den Schornstein verhinderte. Die zweite gute Idee war die Gründung eines Baustoffhandels. Die Firma, mit Mühe durch den Krieg gebracht, florierte danach begreiflicherweise. Vater Quester war ein rastloser Arbeiter, "bis ins höchste Alter". Und er war ein Sportfanatiker – ein Fußball- und Eishockeyspieler. Und ein Motorbootfahrer. "Sport war seine Lebensphilosophie", sagt Dieter Quester, der wie sein um vier Jahre älterer Bruder Peter natürlich ins Geschäft einsteigen musste.

Dieters Glück war, dass Peter dem Sport nur wenig abgewinnen konnte und dass der Vater den Flausen seines Jüngeren wohlwollend gegenüberstand. Der verdiente sich durch Aschenbahnrechen bei Speedway-Rennen im Wiener Stadion Taschengeld und zog sich eine chronische Motorsportinfektion zu. "Das Rennöl, den Alkohol der Motoren, zu riechen hat mich total fasziniert." Anstatt mit den Döblinger Regimentern durch Feiernächte zu marschieren, betete Dieter Quester in einem Café in der Gumpendorfer Straße Fritz Dirtl, eine Speedway- und Motorradlegende, so lange an, bis dieser ihm einen alten Helm verkaufte. "Es war mein erster, leider habe ich ihn nicht mehr."

Beinahe so alt wie seine Boliden: Dieter Quester in Laguna Seca.
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Der Drang, Rennen zu fahren, wurde übermächtig. Dafür hinterging Dieter Quester sogar den Vater – oder glaubte ihn hintergehen zu können. Fritz und Helene, die Mutter, wurden Zeugen eines Auftritts ihres Sohnes, der unter dem Pseudonym Freiherr von Münchhausen ein Motorradrennen bestritt. Der Vater strafte milde, Dieter Quester musste aus Sicherheitsgründen ins Motorboot umsteigen, wurde unterstützt, wenn er seine Arbeit in der Firma tat. Bald war er in einer heute in Österreich kaum noch existenten Sportart sehr erfolgreich. 1962 holte er in Italien den Europameistertitel (Klasse bis 500 ccm).

Unter der Fuchtel des gestrengen Firmendirektors Gruber, den Fritz zur Vermeidung familiärer Streitigkeiten mit der Zügelung seines Sohnes beauftragt hatte, stieg Dieter Quester dann auf Autos um. Investitionen wurden vom stolzen Vater – "er hat sich immer erkundigt, wann ich was fahre, hat alle meine Ergebnisse gewusst" – gnädig abgewunken. Über den Tourenwagen- – Dieter Quester sollte viermal Europameister werden – ging es in den Formel-Sport. Anfang der 1970er gewann Dieter Quester auf BMW Formel-2-Rennen gegen Kapazunder wie Clay Regazzoni oder Jacques Laffite. Der Wiener galt als Talent von der Güte eines Jochen Rindt, kam aber nur zu einem F1-Rennen. 1974 qualifizierte er sich in einem nicht konkurrenzfähigen Surtees-Boliden für den Grand Prix von Österreich und fuhr von Startplatz 25 aus auf den punktelosen neunten Rang.

Grand Prix von Österreich 1974: Dieter Quester spricht mit Heinz Prüller.
Formula 1 Amarcord

Das war's dann mit der Königsklasse, aber Dieter Quester bereut nichts. Einerseits sei die Formel 1 damals nicht unbedingt der Mittelpunkt der Motorsportwelt gewesen, andererseits hätte er "viel Geld aufbringen müssen. Und es war auch damals für einen Österreicher verdammt schwer, Sponsoren zu finden."

Dieter Quester, der längstdienende Werksfahrer von BMW, fand genug andere Betätigung am Lenkrad: Tourenwagen- und Procar-Rennen sowie Langstreckenklassiker wie Le Mans (1973 hatte er mit dem Niederländer Toine Hezemans im BMW 3.0 CSL die Touring-Special-Wertung gewonnen), Daytona oder auf dem Nürburgring. Von Mitte bis Ende der 1990er brillierte er in US-Rennserien, wo er als erster Pilot überhaupt die Roten Bullen groß ausführte.

Quester beim Daytona-Rennen im Jahr 1998 mit Hans-Joachim Stuck.
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Bis heute kommt Dieter Quester auf weit mehr als 1.000 Autorennen, darunter mehr als 60 Starts bei 24-Stunden-Prüfungen. Für die war der begeisterte Fischer nicht nur wegen seiner Fitness wie geschaffen. "Ich habe ein Gefühl für das Material, kann schnell, aber schonend fahren und hatte immer eine hohe Ankommensquote, auch mit angeschlagenen Fahrzeugen." Natürlich hat Dieter Quester auch dann und wann zerstörerisch gewirkt.

Er kam aber mit Glück ohne schwere Verletzung davon, auch bei den ärgsten Unfällen. Der gefährlichste ereignete sich erst vor drei Jahren auf dem Rossfeld bei Berchtesgaden in einem 70er-BMW. Quester hatte seinen Wagen wegen plötzlicher Nässe verloren, raste auf ein Holzbalkengeländer zu, unter das wohl "das Auto, aber nicht der Quester" durchgepasst hätte, ehe ein Felsen die Katastrophe verhinderte.

Dieter Quester hält sich auf renntauglichem Level.
Foto: Standard/Lützow

Diese Erfahrung erhöht die Dankbarkeit, dass von den Kindern nur Alexander Rennen fuhr: "Er war schnell, aber er hätte nie wie ich das letzte Hemd dafür geopfert." Tim, aus zweiter Ehe und noch Schüler, zeigt seinem Vater am Simulator den Herrn, aber keine Anzeichen, auch auf echten Straßen glänzen zu wollen.

Dieter Quester halten "Projekte auf Trab". Er sei nach wie vor auf einem Level, auf dem er sich nicht zu genieren brauche. "Kannst dich erinnern, das ist der Quester, der war einmal gut", soll es heißen, solange er am Steuer sitzt. (Sigi, Lützow, 23.2.2016)