Susanne Kalss gibt Tipps für Aufsichtsräte.

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Wien- Wenn sich am Donnerstag Aufsichtsräte und Experten zum Österreichischen Aufsichtsratstag an der WU Wien treffen, dann wird das schwierige Verhältnis zwischen Aufsichtsräten und dem Vorstand von Aktiengesellschaften im Mittelpunkt stehen – und die Sorge vieler Aufsichtsräte, wegen gravierender Fehler des Vorstandes zur zivil- oder strafrechtlichen Haftung herangezogen zu werden.

Diese Gefahr ist zumindest in Österreich – anders als in Deutschland – noch nicht sehr hoch, sagt Susanne Kalss, Professorin für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU und Hauptorganisatorin der Veranstaltung. Denn bisher seien zwar zahlreiche Vorstände vor Gericht gelandet und verurteilt worden, aber kaum Aufsichtsräte.

Das ändere aber nichts daran, dass Aufsichtsräte sich ihrer Verantwortung für die beaufsichtigten Gesellschaften viel stärker bewusst werden müssten, meint Kalss. Und diese liege in erster Linie in der Auswahl des richtigen Vorstandes. "90 Prozent der Wirkungskraft eines Aufsichtsrats hängt von seinen Personalentscheidungen ab", sagt Kalss im STANDARD-Gespräch.

Dazu gehöre aber nicht nur, die beste Person vor allem für den Vorstandsvorsitz zu finden, sondern sich auch von ihr zu trennen, wenn es nicht passt. Das müsse man trotz der Kosten einer solchen Trennung tun, "denn für das Unternehmen ist es immer noch billiger, als wenn die Strategie oder der Umgang mit anderen nicht passt".

Kritische Distanz ist wichtig

Für solche Entscheidungen brauche man "gute Menschenkenntnis und Erfahrung in der Menschenführung. Das kann man nicht in einem Kurs lernen", glaubt Kalss, deren "Handbuch Aufsichtsrat" sechs Jahre nach der ersten Ausgabe im März bei Facultas neu erscheint. Gleichzeitig müsse man schon früh beginnen, Personalreserven aufzubauen für den Fall, dass ein Wechsel im Vorstand notwendig sei. Dabei sei die kritische Distanz zu Vorstandsmitgliedern wichtig. Kalss: "Das vertrauensvolle 'Sie' ist gar nicht so schlecht." Jede Form der "Verhaberung" sei gefährlich.

Die zweitwichtigste Aufgabe eines Aufsichtsrats sei es, sich selbst so zu erweitern, dass kein Gruppendenken auftritt, sondern verschiedene Mitglieder aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen Entscheidungen hinterfragen. "Man kann nicht gut mit 24 in einem Aufsichtsrat sitzen, aber es sollten auch nicht nur 69-jährige Herren sein", sagt Kalss.

Ein effektiver Aufsichtsrat sollte nicht als Revisor agieren und alles im Nachhinein kontrollieren, sondern den Vorstand begleitend beraten und kritisch hinterfragen. Vor allem aber müsse er darauf bestehen, dass die Geschäftsordnung und alle anderen Regeln eingehalten werden. "Das ist der Kern der Compliance: Man darf nicht durchgehen lassen, dass der Vorstand irgendetwas nicht vorlegt", betont Kalss. "Denn daraus entsteht meistens die Haftung des Aufsichtsrats."

Der Aufsichtsrat einer Bank müsse bei einem Kredit "nicht jedes technische Detail verstehen, aber die Logik und die Risiken. Und der Vorstand muss dies erklären können."

Dass bei all den Wirtschaftskriminalfällen in Österreich mit der Ausnahme des Bawag-P.S.K.-Aufsichtsratschefs Günter Weninger noch kein Aufsichtsrat belangt wurde, erklärt Kalss auch damit, "dass die Beißhemmung noch sehr groß ist. Vor allem bei den Landes-Hypos hätte man manche Aufsichtsräte zur Verantwortung ziehen können, weil sie alles so lange haben schleifen lassen."

Bei den deutschen Landesbanken sei das sehr wohl geschehen. Gerade in staatsnahen Unternehmen "geht es nicht, dass es sich jene, denen das Unternehmen nicht gehört, richten." Die Qualität der Aufsichtsräte im öffentlichen Sektor habe sich allerdings in den vergangenen Jahren deutlich gebessert, ist Kalss überzeugt. (Eric Frey, 23.2.2016)