Seit zwei Wochen habe ich endlich ein Innereienfachgeschäft in meiner Nähe. Die Australierin und ich sind in Barcelona und wohnen nicht weit vom Mercat del Santa Catarina.

Dort gibt es, gleich um die Ecke vom Pferdefleischer, einen Stand, der nach dem Besitzer schlicht "Toni" heißt und an dem nur Innereien verkauft werden: rohe Köpfe vom Schaf und gekochte vom Kalb, Zungen jedweder Größe und Herkunft, diverse Lungen, Milzen, Nieren und Lebern, Stierhoden, Lammhirne und Kutteln verschiedenster Provenienz und Reinigungsgrade. An so etwas kann ich nicht vorbeigehen – weswegen es hier diesmal Kutteln katalanisch gibt.

Foto: Tobias Müller

Ich behaupte: Kutteln auf katalanische Art schmecken auch Leuten, die sonst keine Kutteln mögen. Die Sauce ist herrlich süß-sauer mit zartherben Nussanklägen – so gut, dass darin wohl alles köstlich schmecken würde (was wohl ein Grund dafür ist, dass die Katalanen Rindermagen darin versenken).

Das Kuttelaroma, nicht jedermanns Sache, ist hier zwar im Hintergrund präsent, überfordert aber nie. Gleichzeitig hat die Sauce eine wohlig-wolkige, vom Olivenöl üppige Konsistenz, die wunderbar zum Biss der Kutteln passt und die sich zu einem Teil der Picada verdankt, einem katalanischen gemörserten Würzbrei aus Nüssen, altem Brot und Knoblauch.

Das Besondere an der katalanischen Küche

Die katalanische Küche sei eine eigenständige Küche und habe mit der spanisch-kastilischen weniger gemein, als man so glaubt, argumentiert Coleman Andrews in "Catalan Cuisine", einem der charmantesten, witzigsten und intelligentesten Kochbücher, die ich seit langem gelesen habe (hier gibt's eine modernere Ausgabe). Sie schert sich wenig um die Trennung von salzig und süß – wo sonst gibt es süße Schweinswürste als Dessert? Sie langt im Tierreich ordentlich zu, statt sich auf die immergleichen drei Arten zu beschränken, Schnecken, Kaninchen, Schafe, Ziegen und kleine Vögel werden regelmäßig verspeist oder gleich zu barocken Gerichten verarbeitet wie "Hasen-Schnecken-Angler-Kalmar-Shrimps-Ragout".

Die Sardine, die Königin der Fische, nimmt hier einen Ehrenplatz ein, genauso wie der eingesalzene Kabeljau; und sie hat mit der oben erwähnten Picada einen ziemlich einzigartigen Saucenbinder, der am ehesten in der mexikanischen Mole oder dem italienischen Pesto Verwandte, aber keine Entsprechung findet.

Zeit und Geduld

Die Katalanen sind, so wie die allermeisten traditionellen Kochkulturen rund um die Welt, fleißige Innereienesser. Besonders Kutteln gehören zur Standardausstattung eines jeden besseren katalanischen Beisls. Direkt am Mercat de Santa Katarina können sie etwa an der Bar des Café Joan genossen werden, in einer leicht scharfen tomatigen Olivenölsauce butterweich geschmort – ganz köstlich. Das Rezept, das Andrews in seinem Buch beschreibt, setzt auf noch mehr Geschmack – und Arbeit.

Viele klassische katalanische Rezepte – auch die Kutteln – sind klassische Hausfrauen-(oder Männer-)Küche aus günstigen Zutaten oder Restln: Sie erfordern keine besonderen Geräte oder Techniken, sie brauchen aber etwas Zeit, Geduld und Liebe. Es sind Eintöpfe, Suppen oder Saucen, die über Stunden gemächlich zusammengeschmort werden, oder Gerichte, die aus verschiedenen vorbereiteten Saucen und Pasten zusammengebastelt werden. Auch die Kutteln sind eher ein Wochenendprojekt: Nehmen Sie sich Zeit für Ihren Rinderpansen und kochen Sie das Rezept am besten über zwei Tage, an denen sie sowieso zu Hause sein würden.

Kutteln, katalanische Art

Tag 1

Toni verkauft bereits gekochte Kutteln. Wenn Sie die bekommen können, umso besser – fragen Sie Ihren Fleischer.

Foto: Tobias Müller

Wenn nicht: Kaufen Sie ein halbes Kilo sehr gut geputzte rohe Kutteln und schneiden Sie sie in Streifen oder mundgerechte Quadrate.

Foto: Tobias Müller

Bringen Sie einen Topf Wasser zum Kochen und blanchieren Sie die Kutteln kurz darin. Packen Sie sie anschließend in zwei, drei Liter Salzwasser und sieden Sie sie etwa fünf Stunden, bis sie die gewünschte Konsistenz haben.

Foto: Tobias Müller

Währenddessen bereiten Sie ein Sofregit zu, einen Verwandten des italienischen Sofrito und die Geschmacksbasis der katalanischen Küche: Schneiden Sie zwei große weiße Zwiebeln in grobe Stücke. Nehmen Sie einen großen Topf mit schwerem Boden, bedecken Sie diesen mindestens einen Zentimeter mit Olivenöl (rechnen Sie mit ungefähr 250 ml) und braten Sie darin die Zwiebeln ganz langsam auf niedriger Hitze, ähnlich wie wenn Sie eine Zwiebelsuppe machen oder wenn Sie sie konfieren.

Foto: Tobias Müller

Die Idee ist, das Wasser aus den Zwiebeln zu kochen und sie schonend Farbe nehmen zu lassen. Das darf gern eine Stunde, je nach Geduld auch länger dauern. Rühren Sie dabei gelegentlich um, damit nichts anbrennt. (Andrews schreibt von einem Restaurant in Barcelona, in dem die Zwiebeln fürs Sofregit in einer warmen Ecke zwei Tage bräunen dürfen. Halten Sie das, wie Sie wollen.)

Wenn Ihre Geduld erschöpft ist, schneiden Sie vier Tomaten grob oder, falls Sie sich im österreichischen Winter befinden, öffnen Sie zwei hochwertige Tomatendosen und kippen Sie das zu Ihren Zwiebeln. Köcheln Sie alles weiter, bis all das Wasser verdampft ist, die Tomaten zerfallen sind und sich das Öl absetzt – etwa ein bis zwei weitere Stunden. Lassen Sie die gekochten Kutteln über Nacht im Kühlschrank trocknen. Rühren Sie etwas gehackten Petersil in das Sofregit und lassen Sie es einfach auskühlen.

Foto: Tobias Müller

Tag 2

Foto: Tobias Müller

Wenden Sie ihre Kutteln in etwas Mehl, schütteln Sie überschüssiges Mehl gut ab und braten Sie sie in Ihrem großen Topf mit schwerem Boden in etwas Schweineschmalz, bis sie appetitlich braun sind.

Foto: Tobias Müller

Schütten Sie 250 ml Weißwein und das Sofregit darüber, rühren Sie gut durch und lassen Sie alles eine Stunde offen köcheln.

Nun basteln Sie eine Picada: Rösten Sie in einer Pfanne oder im Ofen sechs Mandeln (ja, das klingt homöopathisch, reicht aber tatsächlich) und eine Handvoll Pinienkerne, bis sie duften, und toasten Sie eine handelsübliche Scheibe Weißbrot, bis sie durch und durch knusprig ist. Packen Sie Brot, Nüsse, zwei kleingehackte Knoblauchzehen und etwas Petersil in einen Mörser und bearbeiten Sie es, bis es einen einigermaßen cremigen Brei ergibt.

Foto: Tobias Müller

Geben Sie sich ein bisserl Mühe: Eine Picada, in der man später Nussbrocken findet oder ihre einzelnen Teile herausschmeckt, ist eine schlecht gemachte Picada, schreibt Andrews.

Foto: Tobias Müller

15 Minuten bevor Ihre Kutteln fertig gekocht haben, mischen Sie ihre Picada in den Eintopf. Servieren Sie die Kutteln entweder gleich oder, noch besser, lassen Sie sie ein paar Stunden oder eine Nacht stehen. Traditionell wird das Gericht mit Bratkartoffeln gegessen. Etwas gebratener Oktopus, ein paar bittere Oliven und Pa amb tomaquèt tun's aber auch. (Tobias Müller, 21.2.2016)

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