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Google-Chef Sundar Pichai stimmt seinem Apple-Gegenüber Tim Cook zu.

Foto: KHAM / REUTERS

Können Gerichte ein Unternehmen dazu zwingen, Software zu entwickeln, um die Sicherheit der eigenen Geräte zu unterwandern? Eine Frage, die sich zu einer der zentralen Auseinandersetzungen über Datensicherheit und Privatsphäre entwickeln könnte. Hat ein US-Gericht doch vor kurzem exakt dieses von Apple gefordert. Der iPhone-Hersteller hat sich bereits am Mittwoch mit deutlichen Worten gegen jegliche solche Bestrebungen gestemmt und bekommt nun zumindest aus der eigenen Branche Unterstützung für diesen Standpunkt.

Warnung

In einer Reihe von Tweets bedankt sich Google CEO Sundar Pichai bei seinem Apple-Gegenüber Tim Cook für seine klaren Worte. Hier drohe ein beunruhigender Präzendenzfall, stimmt Pichai der Einschätzung des Apple-Chefs zu. Dieser hatte davor gewarnt, dass bei einer solchen Rechtsauslegung Softwarehersteller künftig routinemäßig dazu gezwungen werden könnten, Software zu entwickeln, um ihre eigenen Nutzer für Behörden und Geheimdienste auszuspionieren.

Aufforderung

Einige Stunden zuvor hatte Edward Snowden Google öffentlich zu einer Stellungnahme aufgefordert. Das sei die wichtigste Auseinandersetzung rund um Technologie der Dekade, insofern könne man hierzu nicht schweigen, betonte der NSA-Whistleblower.

Whatsapp

Das sieht offenbar auch Whatsapp-Gründer Jan Koum so: In einem Posting auf Facebook betont er, wie wichtig diese Auseinandersetzung sei. Man dürfe solch einen Präzedenzfall nicht zulassen, hier stünden die Freiheit als Ganzes auf dem Spiel. Whatsapp hat in den letzten Monaten selbst Bekanntschaft mit Gerichten gemacht. So wurde der Service zwei Tage lang in Brasilien vollständig blockiert, nachdem sich der Softwareanbieter geweigert hatte, einer richterlichen Anordnung Folge zu leisten

EFF

Wenig überraschend gibt es auch von der US-Bürgerrechtsorganisation EFF Unterstützung für Apple. Diese kündigt an, Apple mit einer schriftlichen Eingabe zum Verfahren direkt im Kampf gegen die aktuelle Anordnung unterstützen zu wollen.

Microsoft

Ohne direkte Bezugnahme auf den aktuellen Fall hat sich auch Microsoft zu Wort gemeldet. In einem Statement für die "Reform Government Surveillance" betont der Softwarehersteller, dass man zwar bereit sei, mit den Behörden zusammenarbeiten, Backdoors aber eine Gefährdung der Sicherheit aller Nutzer darstellen.

Hintergrund

Das Gericht hat angeordnet, dass Apple ein eigenes Firmware-Update für ein beschlagnahmtes iPhone 5c entwickeln soll, das zentrale Sicherheitsmaßnahmen bei der Passworteingabe deaktiviert. Vor allem geht es dabei um eine Funktion, die nach zehn Fehlversuchen automatisch alle Daten auf dem Gerät löscht, sowie um erzwungene Wartezeiten zwischen zwei Passworteingaben. Damit bliebe nur mehr der Passcode selbst als Schutz, der sich durch automatisiertes Ausprobieren innerhalb weniger Minuten knacken lassen sollte.

Anlassfall

Im konkreten Fall geht es um das Smartphone eines der Täter des Terroranschlags in San Bernardino, bei dem 14 Personen ums Leben gekommen sind. Das FBI betont dabei, dass das betreffende, die Sicherheit schwächende iOS-Update nur für dieses eine Gerät gedacht ist, es sich also um einen Ausnahmefall handle. Das bezweifeln allerdings Sicherheitsexperten und Privacy-Verfechter. Zwar sei es durchaus denkbar, ein Update kryptografisch auf ein Gerät zu beschränken, lasse sich Apple aber auf dieses Spiel ein, würden schon bald zahlreiche ähnliche gerichtliche Anordnungen eintrudeln. Und diese auch von anderen Ländern, in denen Apple aktiv ist. Über einen Einzelfall würde hier also die Büchse der Pandora geöffnet, mit verheerenden Auswirkungen auf die gesamte IT-Sicherheit.

Geschickte Wahl

Sollte es tatsächlich die Absicht des FBI sein, auf diesem Weg schleichend Hintertüren in Software einzuführen, so geht man dabei fraglos sehr geschickt vor. Der konkrete Fall ist in der öffentlichen Diskussion stark emotional aufgeladen, der Spin von der vermeintlichen Ausnahme dürfte den Druck auf Apple weiter erhöhen. Das zeigt sich auch schon daran, dass diese Behauptung mittlerweile auch vom Weißen Haus direkt so übernommen wurde. Die Auseinandersetzung um effektive Verschlüsselung dürfte also erst an ihrem Anfang stehen. (Andreas Proschofsky, 18.2.2016)