Eine Aufnahme aus dem Jahr 2012 zeigt Teile der Stadt Sansha auf der Insel Yongxing.

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Es war eine merkwürdige indirekte Antwort, die Außenminister Wang Yí am Mittwoch auf eine Reporterfrage beim Besuch seines australischen Amtskollegen gab. Der Journalist wollte in der Großen Halle des Volkes wissen, ob Peking wirklich Boden-Luftraketen auf den Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer stationieren lässt. China nennt sie seine "Xisha-Inseln". Statt mit Ja oder Nein antwortete Wang: "Ich hoffe, dass westliche Medien solche Nachrichten nicht aufbauschen. Sie sollten stattdessen mehr Aufmerksamkeit den Leistungen Chinas für die Allgemeinheit im südchinesischen Meer schenken". Wang nannte etwa den Bau von Leuchttürmen, von metereologischen Stationen, oder von Schutzhäfen für in Seenot geratene Fischer. Im Übrigen seien "begrenzte Selbstverteidigungsmaßnahmen" notwendig und eigentlich selbstverständlch. Das habe mit einer "Militarisierung" des Meeres nichts zu tun.

Pekings Recht, Abwehrraketen zu errichten

Stunden später ergänzte ein Sprecher des Verteidigungsministerium Wangs Antwort: Die Xisha-Inseln gehörten seit altersher zu China. Daher habe Peking dort jedes Recht, "Abwehranlagen" auf seinem Territorium zu errichten. Im Übrigen seien "Abwehrraketen auf den Inseln seit vielen Jahren schon installiert." Die Aufregung in den westlichen Medien sei fehl am Platz. Sie sei eine Neuauflage "alter Töne von der Theorie, dass China eine Bedrohung ist."

Ist es nicht. Die Raketen, die der Sprecher meinte, müssen allerdings gut versteckt gewesen sein. Nur die offenbar erst seit Dienstag aufgestellten neuen Waffensysteme fielen den Satelliten Taiwans und der US-Militärs auf. Das passt zur Strategie Pekings: Schritt um Schritt, Insel um Insel und Waffe um Waffe baut China seine Kontrolle über das südchinesische Meer aus. Das US-Zentrum für Strategische und Internationale Studien (SCIS) schrieb in seiner jüngsten Studie, dass es Ziel der Volksrepublik sei, das drei Millionen Quadratkilometer große Südchinesische Meer bis 2030 zu ihrem "südchinesischem Binnensee" ausgebaut zu haben. Sie tue dafür,was sie kann: Chinas zweiter Flugzeugträger ist schon im Bau. Eine ehrgeizige Armeereform mit neuer Rolle für die Marine wurde gerade beschlossen.

Umstrittenes Gebiet

Bisher kontrolliert China nur die seinem Festland am nächsten gelegene Xisha-Inselgruppe. 1974 gewann es nach einem kurzen Seekrieg mit Vietnam endgültig die Oberhand über das Paracel-Gebiet, das Vietnam bis heute weiter beansprucht. Die Hauptinsel Yongxing lässt Peking in großem Stil ausbauen, hat neben dem ausgebauten Hafen auch seine 3000 Meter lange Start-und Landebahn erweitert. Im Juli 2012 wurde die Insel zur neuen und jüngsten Stadt der Volksrepublik mit dem Namen "Sansha" gekürt. Sie hat die ausdrückliche Aufgabe, als Verwaltungssitz über das gesamte mit fünf anderen Anrainerstaaten territorial umstrittene südchinesische Meer zu fungieren und der Theorie nach auch alle 200 Inseln zu kontrollieren. 2015 ließ die Volksrepublik, die im 1500 Kilometer von ihren Küsten entfernten Nansha-Gebiet bilang keine der dortigen Inseln kontrollierte, erstmals sieben Riffe künstlich aufschütten und zu Eilanden ausbauen.

Raketen als Zeichen des Machtanspruchs

Mit der Aufstellung von Raketen, die auf der Xisha-Insel vorerst niemanden bedrohen und niemanden schützen, setzt Peking nicht nur neue Zeichen seines Machtanspruchs auf das Meer. Es hat sich auch einen besonderen Zeitpunkt gewählt. Peking hat das neue Raketenabwehrsystem scharf kritisiert, das Washington und Seoul in Südkorea als Antwort auf Nordkoreas Atomwaffenaufrüstug aufbauen wollen. Es sieht dadurch eine potenzielle Entwertung seines strategischen Raketenschildes. Ebenso verärgert hat es auf das in den USA gerade stattgefundene ASEAN-Treffen der zehn südostasiatischen Staaten mit Barack Obama reagiert. Gemeinsam sprach sich die Runde für die Freiheut der Navigation im Südchinesischen Meer aus und gegen dessen Militarisierung. Es ist eine kaum verhüllte Warnung an Peking gewesen. Präsident Obama knüpfte mit seinem Schlusswort daran an, als er sagte: Die USA werden sich von niemanden hindern lassen, im südchinesischen Meer nach internationalem Recht "wie bisher zu operieren, zu fliegen und zur See zu fahren".

Wang Yi antwortete am Mittwoch darauf: "Wir haben die Statements der Asean-Konferenz zur Kenntnis genommen. Entmilitarisierung müsse für alle Seiten gelten und nicht nur eine. Wir hoffen, dass sich alle Staaten innerhalb und außerhalb des südchinesischen Meeres dafür anstrengen." Da passte es, ein Ausrufezeichen zu setzen, indem China einen Satz neuer Raketen auf den Xisha-Inseln installiert. (Johnny Erling, 17.2.2016)