Der Wiener Komponist Friedrich Cerha.


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Wien – Es ist schon vorgekommen, dass Künstler zu Asketen der öffentlichen Präsenz mutierten und schließlich nur noch durch jene – womöglich ihnen selbst lästige – Rundheit ihres Geburtstags ans Licht der Öffentlichkeit gedrängt wurden. Wer das klassische Konzertleben der Donaumetropole beobachtet, wird allerdings nicht bestätigen können, dass Komponist Friedrich Cerha solch einen Abwesenheitsstil pflegen würde.

Vielmehr nimmt Cerha, der am Mittwoch seinen 90. Geburtstag feiert, auch als Zuhörer interessierten Anteil an den aufgeführten Neuheiten der Kollegenschaft. Dabei ergäbe – ob der guten Verankerung seiner Werke im Konzertleben – schon seine teilnehmende Beobachtung der Aufführungen der eigenen Opera in Summe ein respektables Anwesenheitspensum.

Zudem ist Cerha nach wie vor auch komponierend tätig, es scheint ihm die Gestaltung von Ton und Klang nach wie vor ein elementares Bedürfnis darzustellen. Also, Cerha beschäftigt die Musik, sie arbeitet in ihm. Dies hat er einst selbst angedeutet, indem er das Schreiben als obsessive Tätigkeit beschrieb, die auch gegenüber Träumen kein Erbarmen kennt. Für den Einfall sei dann jener Zustand unmittelbar vor dem Aufwachen wichtig, "jene Phase, in der man weder ganz wach ist noch wirklich schläft. Da klärt sich vieles, was am Abend zuvor oder in der Nacht noch ein Problem war", so Cerha.

Der Rückblick zeigt: Einfälle durchschritten bei dem 1926 in Wien Geborenen den Neoklassizismus, kreisten um die Zweite Wiener Schule und erforschten u. a. die Klangflächenkomposition – Letztere insbesondere mit dem Spiegel-Zyklus, den Kollege György Ligeti in naher Verwandtschaft zu dessen Atmosphères sah.

Da gab es aber auch "Leichteres" wie die Vertonungen von Texten der Wiener Gruppe (Eine Art Chansons, gerade erschienen von Studio Dan und Agnes Heginger), aber natürlich und vor allem auch das Opernwerk. Hier dominiert das Thema des Einzelgängers, des von der Gesellschaft Ausgegrenzten; Baal, Der Rattenfänger und Der Riese vom Steinfeld wären zu nennen. Aber auch Heiteres wie etwa Onkel Präsident.

Cerha, dessen Weltgeltung im Zusammenhang mit der Komplettierung von Alban Bergs Oper Lulu steht, hat natürlich auch für die Vermittlung und kontinuierliche Präsentation der Moderne in Wien Gewichtiges getan und Tumultöses erlebt – etwa mit dem von ihm mitgegründeten Ensemble die reihe. Zum 90er interpretiert ihn nun garantiert skandalfrei u. a. das Klangforum Wien (17. 2. im Konzerthaus), und es werden auch (am 22. 2.) die Vier Postludien uraufgeführt. Schließlich ist auch eine andere Seite von Cerhas Kunstwollen zu studieren. Das Forum Frohner (in Krems) zeigt mit Sequenz & Polyvalenz das bildnerische Werk des Komponisten. (Ljubisa Tosic, 16.2.2016)