Wien – Die Wahl des ORF-Zentralbetriebsrats hat keine Auswirkungen auf die Zusammensetzung sowie die Kräfteverhältnisse im ORF-Stiftungsrat. Bei der Wahl der neuen ORF-Belegschaftsvertreter am Montag brachten es die links stehende "Liste Unabhängige" sowie die als SPÖ-nah geltende "Liste Miteinander" auf jeweils vier Mandate, drei Mandate gingen an die VP-nahe Liste "Unser ORF".

Für gewöhnlich ist die Wahl des ORF-Zentralbetriebsrats keine große Sache, in einem Jahr, in dem die ORF-Führung neu gewählt wird, aber ein Politikum: Der Zentralbetriebsrat des öffentlich-rechtlichen Senders stellt schließlich fünf Vertreter jener 35 ORF-Stiftungsräte, die am 9. August den ORF-Generaldirektor bestellen. An der Verteilung dieser fünf Belegschaftsvertreter ändert sich nach der Wahl vom Montag allerdings nichts.

Zuletzt hielt die SPÖ-nahe "Liste Miteinander" um den stellvertretenden Zentralbetriebsratsvorsitzenden Gerhard Berti fünf Mandate. Die links stehende "Liste Unabhängige" des bisherigen Zentralbetriebsratsvorsitzenden Gerhard Moser hatte vier Mandate, und die ÖVP-nahe Gruppierung "Unser ORF" von Marianne Schüttner (vormals Monika Wittmann) hatte zwei Vertreter im Zentralbetriebsrat.

Nach der Niederlage Mosers gegen eine als VP-nah geltende unabhängige Liste bei der Betriebsratswahl im ORF-Radio machten Spekulationen die Runde, dass die Christgewerkschafter im Zentralbetriebsrat so stark werden könnten, dass sie auch einen zusätzlichen Sitz im ORF-Stiftungsrat erringen. Diese Rechnung ging allerdings nicht auf. Die "Unabhängigen" von Zentralbetriebsrat Moser konnten sogar wieder äußerst knapp – mit einer Handvoll Stimmen Vorsprung – den ersten Platz erreichen. Die SP-nahe "Liste Miteinander" verlor unterdessen ein Mandat an die VP-nahe "Unser ORF", die stark zulegen konnte.

Bei der Besetzung der Betriebsrats-Stiftungsräte bleibt dennoch alles beim Alten: zwei links stehende Unabhängige, zwei SP-nahe und eine VP-nahe vertreten wie bisher die Interessen der Belegschaft im obersten ORF-Gremium. Und Moser dürfte auch Vorsitzender des Zentralbetriebsrats bleiben, Berti wieder sein Stellvertreter werden.

Die Wahl der neuen ORF-Führung im Sommer bleibt so oder so spannend. Der von der SPÖ unterstützte amtierende ORF-Chef Alexander Wrabetz hat seine Wiederbewerbung um eine dritte Amtszeit bereits im Dezember angekündigt. Ein zusätzlicher ÖVP-naher Stiftungsrat in Folge der Zentralbetriebsratswahl hätte Wrabetz' Wiederwahlpläne erschwert und die Chancen des von der ÖVP favorisierten Finanzdirektors Richard Grasl, der Spekulationen über eine möglich Kandidatur bisher nicht kommentieren wollte, erhöht.

18 Stimmen sind im 35-köpfigen ORF-Stiftungsrat für eine Mehrheit notwendig. Die Mitglieder des Gremiums werden von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat beschickt und sind – abgesehen von wenigen Ausnahmen – in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert. Die SPÖ kann derzeit auf 13 Vertreter zählen, dazu kommt der von BZÖ/FPK bestellte und von der SPÖ-geführten Landesregierung verlängerte Kärntner Stiftungsrat. Der ÖVP-"Freundeskreis" umfasst 14 Mitglieder. FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach haben je einen Stiftungsrat. Drei Unabhängige komplettieren das Gremium. Nach den Landtagswahlen im Vorjahr erreichte der ÖVP-"Freundeskreis" erstmals seit 2007 eine relative Mehrheit. Für die ORF-Wahl bedeutet dies äußerst knappe Mehrheitsverhältnisse.

Der Zentralbetriebsrat des ORF wird alle vier Jahre gewählt. Heuer waren dabei 93 Betriebsräte, die etwa 4.300 Mitarbeiter vertreten, wahlberechtigt. Sie wählten in einem komplizierten Verfahren elf Zentralbetriebsräte. Die Stimmen der 93 Betriebsräte hatten dabei – je nach Mitarbeitergröße der vertretenen Bereiche – unterschiedliches Gewicht. Am meisten zählte mit jeweils 84 Stimmen etwa das Votum der Technik-Vertreter, die kleinste Gewichtung hatten mit je 22 Stimmen die Belegschaftsvertreter aus dem Landesstudio Oberösterreich. (APA, 15.2.2016)