"Mit 17 Jahren wollte ich mir eine Nische suchen, weg von zu Hause. Also hab ich begonnen, gemeinsam mit einer Freundin Wiener Dachböden abzuklappern und zu schauen, wo eine kleine Kemenate für wenig Geld zu haben ist. Hier im ersten Bezirk, zwischen Schwedenplatz und Maria am Gestade, bin ich fündig geworden: ein kleines, ehemaliges Liftkammerl direkt unterm Dach, letzter Stock und dann noch ein paar Hühnerleitersprossen in die Höh. Ich hab das Kammerl damals zum Malen und zum Alleinsein genutzt.

"Meine Wohnung ist ein Sammelsurium aus Ort und Zeit", sagt die Wiener Künstlerin Louise Rath, die sich selbst vor einigen Jahren ein Flohmarktverbot auferlegt hat.
Foto: Lisi Specht

Nach einigen Jahren ist diese Wohnung hier freigeworden. Ursprünglich haben hier Studentinnen gewohnt, ich war regelmäßig zum Essen und Duschen zu Besuch. Es war sehr dunkel, und eine abgehängte Styropordecke, die mit Tixo an der Wand befestigt war, ließ die ganze warme Luft in den Äther verschwinden. Trotzdem: Mit etwas Glück hab ich die Wohnung übernommen.

Im Laufe der nächsten 22 Jahre, bis jetzt eigentlich, hab ich sie immer wieder umgebaut und verändert. Wir haben die Wand durchgebrochen und zwei Wunziwohnungen zusammengelegt, das Dach abgedichtet und gedämmt und schließlich ein großes Oberlicht ins Dach geschnitten, damit's etwas heller wird. Die kleine Kemenate einen Stock höher nutze ich jetzt übrigens als eine Art verlängertes Wohnzimmer.

Das Haus hat eine sehr bewegte Geschichte. Es wurde um 1850 errichtet und diente bis in die 1960er-Jahre als Textilmanufaktur, die zum Teil meinem Großvater gehörte. Zu Kriegsende flog eine Brandbombe rein. Sowohl die glasgedeckten Lager- und Fabrikräume im Innenhof als auch das Dach haben dran glauben müssen. Das Dach wurde erneuert, der Innenhof ist seitdem aber ein verwunschener Dschungel mit Ziegelmauern und unberührter Natur. Unglaublich, dass es so etwas in der Innenstadt noch gibt!

Die Wohnung ist eine ewige Baustelle, und die Entwicklung wird wohl nie ganz abgeschlossen sein. Immer wieder wird irgendwas hineingebastelt und umgebaut. Am liebsten habe ich dieses Holzfenster zwischen Küche und Wohnzimmer. Mein Freund Chris hat im siebenten Bezirk in einem Souterrain ein Tonstudio und musste die Fenster dort erneuern und schalldicht isolieren. Also haben wir die Fenster rausgenommen und hier in die Wand hineingesetzt. Es schaut so aus, als ob es immer schon so gewesen wäre.

Auch was die Möbel betrifft, ist die Wohnung ein Sammelsurium aus Ort und Zeit. Ich bin eine Sammlerin, wie man unschwer sieht. Das meiste Zeug stammt von Flohmärkten und Altwarentandlern, aber vor ein paar Jahren habe ich mir selbst ein Flohmarktverbot auferlegt. Seitdem spüre ich wieder so etwas wie Luft und Weite. Die Kinderpuppe mit den pinken Haaren hab ich übrigens in der Auslage eines Chinaladens hier in der Innenstadt gefunden. Fünf Euro! Ich konnte nicht widerstehen – und das trotz Flohmarktverweigerung! Ansonsten stehen hier vor allem meine Textilarbeiten herum, damit ich immer wieder daran weiterarbeiten kann. Nicht nur am Wochenende ist dieser Teil des Bezirks eher ausgestorben, darum bin ich froh, dass sich mein Atelier im wurligen 16. Bezirk befindet.

Ich liebe diese Wohnung, ich liebe das Dachkammerl und den Blick in den Himmel, und ich bin schon neugierig darauf, was sich in den kommenden Jahren noch alles verändern wird. Als Nächstes möchten wir unsere Hölle in Angriff nehmen. Das ist eine kleine Abstellkammer, die so voll ist, dass man sie kaum betreten kann, ohne sich dabei die Beine zu brechen und ohne dass Leitern und Holzstangen wie ein Damoklesschwert über einem schweben. Wir wollen die Hölle entrümpeln und sie in einen Himmel mit Stauraum und Hochbett umbauen." (15.2.2016)