Begeisterter Flaneur: Armin Ebner

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Alles ist rund: Durch diese Formensprache soll vermieden werden, dass es zu- bzw. abgewandte Seiten gibt.

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STANDARD: Gehen Sie gerne shoppen?

Ebner: Nicht wirklich. Ich lege Wert auf guten Service. Den kriegt man heute nur noch in ausgewählten Geschäften.

STANDARD: Shoppingcenter oder Einkaufsstraße?

Ebner: Das kommt darauf an. Ich bin ein leidenschaftlicher Flaneur auf der Straße. Aber wenn Angebot und Ambiente stimmen, dann gehe ich auch gerne in ein Shoppingcenter rein. Es gibt gute Beispiele, die die Barriere nehmen und Anziehungskraft entwickeln, um neugierig zu machen.

STANDARD: Zum Beispiel?

Ebner: Eines meiner liebsten Shoppingcenter ist der Europark in Salzburg von Massimiliano Fuksas. Er ist durch und durch ansprechend – nicht nur von der Architektur her, sondern auch, was Angebot, Orientierung und Funktionalität betrifft. Da fühle ich mich vom ersten Augenblick an wohl.

STANDARD: Früher galt es, auf Tageslicht und Realitätsbezüge zu verzichten und den Konsumenten im Shoppingcenter in eine Fantasiewelt einzulullen. Ist das noch aktuell?

Ebner: Längst nicht mehr! Das kommt noch aus Zeiten, als Las Vegas groß im Aufbau war. Damals wurden in den Centern und Casinos sogar die Uhren abmontiert, um die Menschen komplett von der Realität abzulenken. Und Tageslicht war sowieso tabu. Davon sind wir heute meilenweit entfernt.

STANDARD: Wo stehen wir heute?

Ebner: Anhand der österreichischen Shoppingcenter ist das schwer zu sagen, denn hier wird nur noch wenig Neues gebaut. Die meisten Projekte sind Refurbishments. Anhand der internationalen Beobachtung kann ich sagen, dass es um Blickbezüge zwischen innen und außen geht, um hochwertige, unverwechselbare Architektur, um Freizeit- und Verweilqualität. Immer öfter geht es darum, eine Story zu erzählen, also ein Thema zu definieren, das sich durch die gesamte Immobilie zieht. Entweder man findet genug Inspiration vor Ort, oder man muss ein Motiv entwickeln.

STANDARD: Also doch einlullen?

Ebner: Nein. Wenn wir uns ehrlich sind, finden wir heute in jeder Mall das gleiche Angebot. Das heißt: Theoretisch könnten alle Center gleich ausschauen. Wollen wir das? Ich nicht. Es geht um die Schaffung von Zonen, Erlebnissen, unverwechselbaren Räumen. Das ist letztendlich nötig, um den Standort für Mieter attraktiv zu machen.

STANDARD: Gibt es einen idealen Schlüssel zwischen Mietfläche und nicht vermietbarer Fläche?

Ebner: In der Regel sagt man, dass die verwertbare Fläche 70 bis 80 Prozent des Shoppingcenters betragen soll. Aber das hängt sehr davon ab, wer das Center entwickelt und betreibt. Franzosen und Briten beispielsweise sind generell etwas großzügiger und bombastischer, die deutschen Entwickler halten sich da eher zurück. Daher sind Donauzentrum und Shoppingcity Süd, die in französischer Hand sind, deutlich luftiger und ambitionierter gestaltet als viele vergleichbare Center hier. Mit Bedauern stelle ich zudem fest, dass es kaum noch private Entwickler gibt, die sich etwas trauen und die ein Statement setzen wollen. Die meisten Center befinden sich heute in institutioneller Hand und dienen in erster Linie als sichere, konservative Wertanlage.

STANDARD: Was beobachten Sie noch?

Ebner: Ein sehr starker Trend ist die Verlagerung der Inhalte sowie die Verbreiterung des Angebots. Das Shoppingcenter geht verstärkt in Richtung Mixed Use mit Schwerpunkt Gastronomie und Entertainment. Es reicht nicht mehr, nur ein paar Geschäfte unter einem Dach zu vereinen. Es geht um Standortentwicklung und um die Auseinandersetzung mit der zunehmenden Digitalisierung und dem damit verbundenen Onlinehandel. Da braucht es Treiber für neue, zeitgemäße Konzepte.

STANDARD: Wenn man Ihre Shoppingcenter EO in Oberwart, Neukauf in Villach und Mediamarkt in Klagenfurt sowie in Graz-Nord anschaut, fällt auf, dass sich so etwas wie ein formaler Kanon entwickelt hat. Alles ist rund.

Ebner: Wenn man eine Mall eckig plant, dann gibt es zugewandte und abgewandte Seiten. Das gibt es bei runden, schleifenden und polygonalen Formen nicht. Das hat also funktionale Gründe. Hinzu kommt, dass der Kunde, sobald er eine Mall betritt, weich von einer Straße in die andere hineingeführt werden soll. Die Erfahrung zeigt: An jeder Kreuzung wird der Bewegungsfluss potenziell unterbrochen. Das gilt es zu vermeiden. In vielen Fällen schlägt sich genau diese Grundrissästhetik in der Architektursprache nieder.

STANDARD: Wird sich der Trend halten?

Ebner: Ich denke, das ist kein Trend, sondern eine Grundqualität. Eine Zeitlang hieß es, dass die Kulissenarchitektur mit ihren süßen Zuckerbäckerfassaden out ist. Das Gegenteil ist der Fall, die Kodierung hat sich sogar noch präzisiert. Die pastellfarbenen Parndörfer auf der ganzen Welt haben sich so sehr etabliert, dass diese historisierende Architektursprache nun der ästhetische Code für Factory-Outletcenter ist. So ähnliche, vielleicht etwas subtilere Codes gibt es auch bei Fachmarktzentren und bei diversen Shoppingcenter- Typologien.

STANDARD: Wie oft muss ein Center refurbished werden? Gibt es Zeitspannen wie in der Hotellerie?

Ebner: Nein. In der internationalen Hotellerie geht man mittlerweile von fünf bis acht Jahren zwischen den soften Refurbishments aus. Bei Shoppingcentern gibt es solche konkreten Zahlen nicht. Ich kenne Center, die schauen nach zehn Jahren schon alt und abgenutzt aus, und dann gibt es solche, die wirken auch nach 20 Jahren noch zeitlos modern und durchaus angemessen. Je höher die Qualität zu Beginn, desto langlebiger und nachhaltiger ist die Immobilie.

STANDARD: Sind sich die Entwickler und Betreiber dessen bewusst?

Ebner: Viel zu wenig. Die Überzeugungsarbeit kostet Kraft. Wobei ich aus Erfahrung dazusagen muss: Mit architektonischen Argumenten kommt man nicht weit. Der größte Hebel in Bezug auf Investition in Qualität ist immer noch der Makler, der mit dem Markt bestens vertraut ist und der weiß, was es braucht, um Mieter zu gewinnen.

STANDARD: Wie schafft das ein Architekt?

Ebner: Es ist eine Gratwanderung. Ausschweifend und außerhalb des Budgets zu planen ist der Todesstoß in dieser Branche. Innerhalb des Budgets zu bleiben, dabei aber keine ausreichend starke Idee und Qualität zu entwickeln, bringt auch nichts. Es ist eben Millimeterarbeit.

STANDARD: Sie haben auch schon Zentren im Ausland geplant. Status quo?

Ebner: Für Kasachstan haben wir einige Center entwickelt. Eines davon, nämlich in Astana, wurde realisiert. Und in Weißrussland haben wir ein Konzept für eine Hypermarktkette erstellt. Das erste Center dieser Art wird im Mai in Minsk eröffnet.

STANDARD: Was sehen Sie als Trend für die Zukunft?

Ebner: Refurbishment, Refurbishment, Refurbishment. Wir haben derzeit kein einziges Shoppingcenter auf der grünen Wiese. Ich finde diesen Trend sehr gut. Die Zeit der großen Ausstreuung ist vorbei. Jetzt geht es um Erweiterung und Vertiefung in Richtung Vielfalt und Qualität. (13.2.2016)