Damit eignet er sich einerseits als Beschimpfungs-Projektionsfläche, andererseits bringt er Bentley noch mehr Prestige.

Palm Springs – "Gentlemen, mein Name ist Bob, und ich werde Sie jetzt nach Palm Springs chauffieren. Die Fahrt dauert etwa zweieinhalb Stunden." Dass man diese Perspektive nach elf Stunden Flug nicht als Zumutung empfindet, liegt am Beförderungsobjekt: Bentley Flying Spur. Stop-and-go in Los Angeles, bis man die letzten Krakenarme des Molochs hinter sich gelassen hat? Kein Problem. Denn in dieser Orgie an vollendeter Handwerkskunst, umgeben von feinsten Ledern, Hölzern, Metallen, neigt die Zeit zum Stillstand. Genusskontemplation.

Foto: Bentley

Die nämliche Grundbefindlichkeit findet sich nächsten Tages gleich wieder – weltweit edelster Innenraum, sagt Bentley, und arg geflunkert ist das wirklich nicht (sehen Sie sich beispielsweise diese zum Teil im britischen Jagdjacken-Look, Weidmannsheil!, vernähten Sitze an) -, aber diesmal sind wir hellwach, und statt Bob sitzen wir selbst am Steuer, dem des Bentayga, um den es hier geht. Es gilt zu verifizieren, was die Briten mit der programmatischen Ansage meinen: "Luxus muss nicht länger dort enden, wo die Straße es tut."

Foto: Bentley

Die erste Sonne hat gerade die Wüstenberge rund um Palm Springs zum Glühen gebracht, da befinden wir uns schon auf dem legendären "Pines to Palms"-Highway Richtung San Jacinto Mountains (Mist, nicht einmal ein Abstecher zum 1947 von Richard Neutra errichteten Kaufmann House geht sich aus) und fragen uns, wie die das hinbekommen haben, dass man einen 2,4-Tonner der Hochbaufraktion derart präzise und zügig durch die Kurven ziehen kann.

Foto: Bentley

Dazu gleich die nackten technischen Tatsachen. Herzstück ist ein neu entwickelter 6,0-Liter-W12-Doppelturbo. Das Aggregat wiegt 30 Kilo weniger als bisher, ist dank Zylinderabschaltung und raffinierter Kombination von Direkt- und Saugrohr-Einspritzung um 11,9 Prozent effizienter und steht solcherart für einen Normverbrauch von 12,8 l / 100 km.

Foto: Bentley

In der Praxis sieht das so aus, dass sich der Wagen aufgrund der 608 PS und 900 Nm leicht anfühlt wie ein Vogerl (gute Güte, 301 Sachen geht das Ding und ist dabei standhaft wie des Nordens Stern, wie Shakespeare sagen würde), dabei aber trinkfreudig in Richtung 20 Liter werden kann. Bei der Akustik gelingt außerdem eine für die anvisierte Klientel wichtige Spreizung zwischen wohltemperiertem Broaarrr und dezent-sonorem Dauerlauf, und aber was für ein phänomenales, seidig-souveränes Aggregat. Schade, dass es so was nicht mehr lange geben wird.

Foto: Bentley

Wer sich nun dennoch am W12 reiben sollte, dem sei berichtet, dass rasch Alternativen folgen: 2017 kommt ein V8 TDI – shocking! Diesel! -, 2018 ein V6-Plug-in-Hybrid, und damit sind wir bei "wo die Straße endet". Am Geländeparcours wartet unter anderem Carlos, er ist ein bisschen streng beim Einweisen, "saaachte, ganz sachte"!, der hat gut reden, die 608 Pferde neigen nun mal zum Galopp, zumal ohne Untersetzungsgetriebe. Er muss uns aber über eine Bohlenbrücke lotsen, da geht das schon in Ordnung. Und nach etlichen Schräglagen, steilen Aufs und Abs sind wir bereit zur Auffahrt in den Olymp – nein, profaner, doch nur für die nächste Steigerungsstufe. Die Wüste wächst: Weh dem, der Wüsten birgt, sagt Nietzsche. Wohl dem, der sich mit dem Bentayga in die Wüste begibt, scheint Bentley zu ergänzen – und schickt uns genau dorthin.

Foto: Bentley

Nicht in irgendeine dahergelaufene Wüste! Es müssen schon die Glamis Sand Dunes unten an der mexikanischen Grenze sein, wo an Wochenenden Heerscharen von Quad- und Buggy-Piloten durch die Dünen pflügen. Wir sind zum nämlichen Zweck per Helikopter runtergekommen, und was der Bentayga da im tiefen Sand an Talent zeigt, ist schlicht beeindruckend. Dank gigantischer 900 Nm Drehmoment swingt der Koloss aus Crewe durchs feinkörnige Element wie ein Tourenskifahrer durch den Tiefschnee, wie ein Surfer durch die Wellen. Geht nicht gibt's nicht, großer Genuss, wie gesagt.

Foto: Bentley

Damit ist auch klar: Dieser Bentley wird bei den Wüstenvölkern, von den blauen Tuareg der Sahara bis zu den gelben Mongolen der Gobi, viele Freunde finden – die meisten davon freilich in den Wüsten von Arabistan. Andere betuchte Menschen werden sich womöglich mehr an der fahrdynamischen Potenz ergötzen, die wir noch schnell am Chuckwalla Valley Raceway abfragen durften.

Foto: Bentley

Kein Wunder jedenfalls, wenn die Kundschaft Bentley regelrecht die Türen einrennt. 5000 Bentaygas sind bereits verkauft, mehr als die derzeitige Jahresproduktion. 10.100 Fahrzeuge wurden 2015 ausgeliefert – mit diesem SUV ist der 15.000er schnell erreicht. Auch das eine Art von Olymp. (Andreas Stockinger, 12.2.2016)

Link

Bentley

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

Foto: Bentley