Wien – Die ORF-Mitarbeiter wählen am Montag einen neuen Zentralbetriebsrat. Für gewöhnlich keine große Sache, in einem Jahr, in dem die ORF-Führung neu gewählt wird, aber ein Politikum: Der Zentralbetriebsrat des öffentlich-rechtlichen Senders stellt schließlich fünf Vertreter jener 35 ORF-Stiftungsräte, die am 9. August den ORF-Generaldirektor bestellen.

Zuvor wählen am 15. Februar 93 Betriebsräte, die in Summe etwa 4.300 Mitarbeiter vertreten und repräsentieren, in einem komplizierten Verfahren elf Zentralbetriebsräte. Die Stimmen der 93 Betriebsräte haben dabei – je nach Mitarbeitergröße der vertretenen Bereiche – unterschiedliches Gewicht. Zuletzt hielt die SPÖ-nahe Liste "Miteinander" um den stellvertretenden Zentralbetriebsratsvorsitzenden Gerhard Berti fünf Mandate. Die links stehenden "Unabhängigen" des bisherigen Zentralbetriebsratsvorsitzenden Gerhard Moser hatten vier Mandate, und die ÖVP-nahe Gruppierung "Unser ORF" von Marianne Schüttner verfügte über zwei Vertreter im Zentralbetriebsrat.

Listen

Nach der Niederlage Mosers gegen eine als VP-nah geltende unabhängige Liste bei der Betriebsratswahl im ORF-Radio machten Spekulationen die Runde, dass die Christgewerkschafter auch im Zentralbetriebsrat gestärkt werden und so einen zusätzlichen Sitz im ORF-Stiftungsrat erringen könnten. ORF-Kenner gehen kurz vor der Wahl allerdings davon aus, dass sich nach der Wahl am Montag nicht allzu viel ändern wird. Demnach könnte ein Mandant von der SP-nahe Liste "Miteinander" zur VP-nahen "Unser ORF" wandern, so eine Prognose. 4 ("Miteinander") zu 4 ("Unabhängige") zu 3 ("Unser ORF") hieße es in diesem Fall im ORF-Zentralbetriebsrat. Bei der Besetzung der Betriebsrats-Stiftungsräte würde damit alles beim Alten bleiben: zwei SP-nahe, zwei links stehende Unabhängige und eine VP-nahe würden weiterhin die Interessen der Belegschaft im obersten ORF-Gremium vertreten.

Wiederwahlpläne

Die Wahl der neuen ORF-Führung im Sommer bleibt so oder so spannend. Der von der SPÖ unterstützte amtierende ORF-Chef Alexander Wrabetz hat seine Wiederbewerbung um eine dritte Amtszeit bereits im Dezember angekündigt. Ein zusätzlicher ÖVP-naher Stiftungsrat würde Wrabetz' Wiederwahlpläne erschweren. Der von der ÖVP favorisierte Finanzdirektor Richard Grasl wollte Spekulationen über eine möglich Kandidatur bisher nicht kommentieren.

18 Stimmen sind im 35-köpfigen ORF-Stiftungsrat für eine Mehrheit notwendig. Die Mitglieder des Gremiums werden von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat beschickt und sind – abgesehen von wenigen Ausnahmen – in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert. Die SPÖ kann derzeit auf 13 Vertreter zählen, dazu kommt der von BZÖ/FPK bestellte und von der SPÖ-geführten Landesregierung verlängerte Kärntner Stiftungsrat. Der ÖVP-"Freundeskreis" umfasst 14 Mitglieder. FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach haben je einen Stiftungsrat. Drei Unabhängige komplettieren das Gremium. Nach den Landtagswahlen im Vorjahr erreichte der ÖVP-"Freundeskreis" erstmals seit 2007 eine relative Mehrheit. Für die ORF-Wahl bedeutet dies äußerst knappe Mehrheitsverhältnisse. Den Ausschlag werden wohl Oppositionsparteien sowie Unabhängige geben. (APA, 11.2.2016)