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Donald Trumps Fans drängten am Dienstag in New Hampshire fleißig an die Urnen und verhalfen dem Tycoon aus New York zum Erfolg.

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Jeb Bush blickt auf ein Meer bunter Wimpel, auf denen nur sein Vorname steht, gefolgt von einem Rufzeichen. Voller Trotz schlägt er mit der Handkante auf ein Pult und erklärt, frei nach Mark Twain, dass Gerüchte über sein politisches Ableben stark übertrieben seien. "Diese Kampagne ist keineswegs tot", verteidigt er sich, während die kurzatmige Politikbörse nur noch darüber spekuliert, wann er wohl das Handtuch wirft. Die Wähler New Hampshires, sagt Bush, hätten ihm die Chance gegeben, im Rennen zu bleiben. Auf der dritten Etappe des Vorwahlkampfes, in South Carolina, werde er "wirklich gut" abschneiden.

Im Moment wirkt er wie ein Bühnenredner, der sich die triste Realität zurechtzubiegen versucht. Im "Granite State", dessen kantige Bewohner mit rebellischem Urinstinkt gern gegen den Strich bürsten, ist er wieder unter die Räder gekommen. Bushs vierter Platz steht symbolisch für die Prügel, die die Etablierten an diesem Wahltag beziehen. Der Liebling der Parteigranden, Sohn des 41. und Bruder des 43. Präsidenten, muss bereits zwei Runden nach dem Beginn des Vorwahlduells betonen, dass er nicht ans Aufgeben denkt. Selbst das bekommt zunächst nur ein Minipublikum mit, denn die Regie meint es nicht gut mit ihm. Kaum hat Bush zu reden begonnen, schalten die Kabelsender um, weil anderswo Donald Trump ans Mikrofon tritt, um seinen Sieg zu feiern.

Acht Tage nach der Schlappe in Iowa ist der Immobilienmogul wieder so sehr obenauf, dass er es sich leisten kann, seinen Rivalen in Gönnerpose Komplimente zu machen. "Da sind einige wirklich sehr talentierte Leute dabei", säuselt Trump, der Bush gewöhnlich als energiearmen Verlierertypen beschimpft, Ted Cruz als feigen Warmduscher und Marco Rubio als grinsenden Sprechroboter. Spät am Abend twittert er noch ein Selfie: die ganze Familie an Bord seiner Boeing 757, kurz vor dem Heimflug nach New York – Glamour, Reichtum, Frauen mit Modelfiguren.

Bundesstaat der Außenseiter

Für die Spitzen der beiden großen Parteien, steht da längst fest, ist die Primary in New Hampshire zu einem Debakel geraten. Sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten setzen sich die Rebellen durch, hier der Rechtspopulist Trump, dort der weißhaarige Senator Bernie Sanders, der auf dem Feld der amerikanischen Politik den Linksaußen spielt, auch wenn er in Europa eher der traditionellen Sozialdemokratie zuzuordnen wäre.

"Bin mir nicht sicher, ob Senator Sanders vor einem Jahr davon nur zu träumen wagte", twittert David Axelrod, einst der Wahlkampfberater Barack Obamas.

Zwar hat die Wählerschaft New Hampshires auch in der Vergangenheit den einen oder anderen Aufständischen an die Spitze des Bewerberfelds katapultiert. 1968 war es der demokratische Senator Eugene McCarthy, ein vehementer Vietnamkriegsgegner, 1996 bei den Republikanern der konservative Populist Pat Buchanan.

Diesmal aber gewannen in beiden Parteien Bewerber, denen das Gros der Experten noch im vergangenen Sommer nicht einmal Außenseiterchancen zugebilligt hatte. Gewiss, das Resultat lässt nur bedingt Rückschlüsse auf das Wählerverhalten im Rest des Landes zu, schon weil Afroamerikaner beziehungsweise Latinos in dem kleinen Staat an der kanadischen Grenze kaum ins Gewicht fallen, während sie im Süden und Westen der USA eine Macht sind, zumindest im Lager der Demokraten (siehe unten) – aber für Unruhe sorgte es auf beiden Seiten.

Dilemma der Etablierten

Trump ist in Iowa schlecht aus den Startlöchern gekommen, nun zeigt sein Triumph in Neuengland, dass es vielleicht doch nur ein Stolperer war. Auch in South Carolina, wo das nächste Votum ansteht, sehen ihn Experten und Demoskopen in Führung. Nirgendwo sonst hat er derart intensiv um Wählergunst gebuhlt, in keinem anderen Staat hat er sich über Monate hinweg so häufig blicken lassen wie dort.

Zudem profitiert er vom Dilemma der republikanischen Berufspolitiker: In deren Reihen ist es keinem gelungen, sich von den anderen abzusetzen und Trump somit in der Rolle des Spitzenmanns der Etablierten Paroli zu bieten.

Nach Iowa sah es so aus, als liefe alles auf Rubio zu, den telegenen Senator aus Miami. Der aber hat nun mit einem fünften Platz die Quittung für einen schwachen TV-Debatten-Auftritt am Wochenende bekommen. Chris Christie verhöhnte ihn als den "Jungen in der Blase", weil er wirkte, als beschränke sich sein rhetorisches Repertoire auf vorgestanzte, endlos wiederholte Sätze, soziale Medien sahen ihn als "Marcobot".

Christie wiederum, der bullige Gouverneur New Jerseys, ist nach mageren Ergebnissen aus dem Rennen – am Mittwoch verkündete er das Ende seiner Kampagne. Bush beschwört die Ausdauer des zähen Marathonläufers, während John Kasich auf ein Wunder hofft. Der Gouverneur Ohios, ein Praktiker aus der konservativen Mitte, hat alles auf die Karte New Hampshire gesetzt und immerhin den zweiten Platz eingefahren. USA-weit aber verfügt er nicht über jenes opulent finanzierte Netzwerk, das Jeb Bush vielleicht auffangen kann. (Frank Herrmann, 10.2.2016)