In der Gastronomie sank die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz zuletzt besonders stark.

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Wien – Geht es nach der Einschätzung der heimischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, so ist ihre Berufswelt kräftig aus den Fugen geraten. Zwar fühlen sich zwei Drittel der Befragten im aktuellen Arbeitsmarktbarometer der Allianzversicherung noch immer recht wohl auf ihrem Arbeitsplatz, doch viele empfinden eine massive Verschlechterung. Vor allem was Karriereaussichten und Gehalt betrifft, klaffen Wünsche und Wirklichkeit immer weiter auseinander, sagt Allianz-Personalchefin Inge Schulz.

Im Industrieländer-Vergleich ist Österreich laut neuesten OECD-Daten dennoch eine Insel der Seligen. In Sachen Job-Qualität schafft Österreich Platz zwei nach Australien und lässt Dänemark, Finnland und Deutschland (Platz fünf) hinter sich.

Alarmsignal

Für Schulz ist die Umfrage, die im vergangenen Jahr durchgeführt wurde, dennoch "ein Alarmsignal". Waren bei einer vergleichbaren Erhebung im Jahr 2010 noch 82 Prozent zufrieden, so ist im Vorjahr der Wert auf 63 Prozent gesunken, die Zahl der richtig Unzufriedenen hat sich von vier auf neun Prozent mehr als verdoppelt. Die Ergebnisse fallen für Schulz unter: "Frappierend. Wir waren überrascht, wie deutlich sich die Veränderungen am Arbeitsmarkt im Zufriedenheitsbarometer niederschlagen." Im gestiegenen Frustpotenzial sieht sie eine regelrechte Bedrohung für die Arbeitgeber: "Mich würde das schon nervös machen, wenn ich in meinem Unternehmen so viele abgemeldete Mitarbeiter hätte." Ändere sich nichts, "werden wir ein Wettbewerbsproblem bekommen" .

Grundsätzlich positive Einstellung

Für Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, sind die Ergebnisse angesichts der schlechten Stimmung bei den Betrieben – wegen der überbordenden Bürokratie und Gesetzgebung – keine Überraschung. "Die Arbeitseinstellung der Österreicher ist aber grundsätzlich positiv, die Gesamtfrustration überlagert das." Abgefragt wurden Kategorien wie Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeit, Sicherheit des Arbeitsplatzes, Karrierechancen und Gehaltszufriedenheit.

Wobei in beiden letzteren Kategorien die Zufriedenheit dramatisch gesunken ist. 2010 waren noch 57 Prozent mit ihrem Einkommen zufrieden, 2015 nur noch 36 Prozent. Karrierechancen am Arbeitsplatz rechnen sich nur noch 34 Prozent aus, 2010 glaubten noch 45 Prozent an einen möglichen Aufstieg. Was die Unzufriedenheit mit dem Einkommen betreffe, so "wünscht sich wohl jeder mehr Gehalt", sagt Gleitsmann. "Aber die Karrierechancen waren wohl wirklich schon einmal besser", räumt er ein. Im grünen Bereich liegen Work-Life-Balance, gute Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes und die Zufriedenheit mit den Kollegen.

Beamte am zufriedensten

Hinsichtlich der Branchen gilt: Die Unzufriedenheit ist dort besonders hoch, wo es derzeit rundgeht. Die größten Einbußen bei den Zufriedenheitswerten musste neben der Finanzwirtschaft und der Gesundheitsbranche die Gastronomie hinnehmen. Die zufriedenste Berufsgruppe waren leitende Beamte mit 79 Prozent, leitende Angestellte und Unternehmer mit je 69 Prozent. "Die Zufriedenheit der Beamten kommt daher, dass einige die Arbeitsplatzsicherheit der Einkommenseinbuße vorziehen", sagt Schulz. Lehrlinge liegen am Ende des Rankings, nur jeder Zweite ist halbwegs positiv gestimmt: "Die Qualität der Ausbildung ist oft niedrig", sagt Schulz.

Insel der Seligen

Die dramatischen Veränderungen in der Arbeitswelt der vergangenen zehn Jahre spiegeln auch die OECD-Daten wider. Die Krise vernichtete nicht nur Millionen Jobs, auch die Qualität der neu geschaffenen Stellen lässt zu wünschen übrig. Die Zahl der schlecht bezahlten Jobs stieg in zwei Drittel der OECD-Länder, vor allem in Griechenland und in Großbritannien. Um ihren Job bangen laut Allianz-Barometer auch immer mehr Österreicher. Dennoch steht Österreich im OECD-Vergleich gut da.

"Das nach wie vor engmaschige Auffangnetz im Falle der Arbeitslosigkeit sorgt dafür, dass das Gefühl der Sicherheit vergleichsweise hoch ist", sagt dazu OECD-Experte Christopher Prinz. Auch die Löhne hierzulande seien relativ vernünftig. Den großen Unterschied in der Wahrnehmung erklärt Prinz sich so: "Es ist eben etwas anderes, ob ich mich mit anderen Österreichern vergleiche oder etwa mit Mexikanern". V erbesserungsbedarf gibt es nach seiner Einschätzung aber auch in Österreich. Und zwar "bei der Qualität der Arbeitsbedingungen." (rebu, 9.2.2016)