Bild nicht mehr verfügbar.

Der Papst, selbst Jesuit, besucht Mexiko von 12. bis 19. Februar.

Foto: REUTERS/Henry Romero

Bild nicht mehr verfügbar.

Waffenlager an einer Straßensperre der Selbstverteidigungsmiliz in Tancítaro (Archivbild, Jänner 2014).

Foto: AP/Felix Marquez

Bild nicht mehr verfügbar.

Angehörige der Bürgerwehr versuchen die "Tempelritter" zu vertreiben (Jänner 20913).

Foto: AP/Agencia Esquema

Tancítaro/Puebla – Es hatte schleichend angefangen, doch niemand stellte sich ihnen entgegen. Die Zahl und die Gier der Mafia der Tempelritter wuchs in Tancítaro, einem beschaulichen Dorf in den Bergen. Bald rissen sie Plantagen an sich, indem sie ganze Familien auslöschten. Sie setzten den Polizeichef ein und verlangten einen Anteil am örtlichen Gemeindehaushalt. 2007 schickte Expräsident Felipe Calderón im zentralmexikanischen Bundesstaat Michoacán die Armee in den Kampf gegen die Drogenmafia. Doch dem Feind war nicht mehr beizukommen. Polizisten, Staatsanwälte und Politiker bis hinauf zum Sohn des Gouverneurs standen im Sold der Tempelritter.

Ende 2013 griffen die Bürger von Tancítaro selbst zu den Waffen, verjagten die Mafia und die korrupte Polizei gleich mit. An allen Ortseinfahrten steht seither die örtliche Selbstverteidigungsmiliz vor dicken Bunkern Wache. "Politik und Justiz sind Teil des Problems, nicht der Lösung", sagt der neue Bürgermeister, Arturo Olivera. Er ist eigentlich Lehrer. "Die Parteienvertreter hier in Tancítaro waren selbst Opfer der Gewalt und wollten vermeiden, dass sich das wiederholt", sagt er.

Sichere Gemeinde

Dem politischen Establishment in Mexiko-Stadt war das nicht zu vermitteln. "In Tancítaro haben die demokratischen Parteien kapituliert und das Feld den gewalttätigen Milizen überlassen", schrieb der regierungsnahe Kommentator Carlos Puig in Milenio. Doch Tancítaro ist seither eine der sichersten Gemeinden Michoacáns.

Nun muss der Bürgermeister den Frieden allerdings dauerhaft zementieren und für Versöhnung in der 16.000 Einwohner zählenden Gemeinde sorgen. Dabei unterstützt ihn der Anwalt Genner Peniche. Er koordiniert ein ehrgeiziges Projekt der Jesuiten mit dem sperrigen Namen "Projekt zum Wiederaufbau des sozialen Netzes". Neben Tancítaro gibt es ein weiteres derartiges Friedenslabor in dem 100 Kilometer entfernten Ort Chéran, in dem sich die Purépecha-Indigenas selbst verwalten, nachdem sie 2011 die Holzmafia und die mit ihr verbandelten Politiker und Polizisten verjagt haben.

Keine Urnen bei der Regionalwahl

In beiden Fällen geht es darum, ein partizipatives, gerechtes und friedliches Modell des Zusammenlebens zu entwickeln. "In der Verfassung steht, dass das Volk befiehlt und die Politiker gehorchen. Das setzen wir jetzt um", resümiert Olivera sein Verständnis des Projekts. Wenn die beiden Labors funktionieren, könnten sie das politische System Mexikos aufmischen. In Chéran beispielsweise wurden bei der letzten Regionalwahl gar keine Urnen aufgestellt. Stattdessen wurden in einer öffentlichen Versammlung Nachbarn in Ausschüsse gewählt, für Bildung, für Gesundheit oder Wasserversorgung. Das oberste Wahlgericht erkannte dies als "indigene Sitten" an.

Den Opfern zuhören, ihre Fälle registrieren, systematisieren, die Traumata behandeln und vielleicht eines Tages vom Staat juristische Aufarbeitung und Entschädigung erhalten ist ebenfalls Teil des Jesuiten-Projekts. Denn die Regierung zögert, das Ausmaß des Drogenkriegs anzuerkennen. Die Furcht vor juristischen Folgen – auch vor internationalen Gerichten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen – wiegt schwer. Erst auf Druck von Menschenrechtlern und internationalen Organisationen wurde 2015 ein nationales Opferregister beschlossen. Wie es organisiert wird, ist noch unklar.

Die Dimension des Drogenkrieges ist enorm. Seit 2007 wurden mehr 136.000 Menschen ermordet, 26.000 verschwanden, 280.000 wurden vertrieben. Die Angehörigen der Opfer würden den Papst, der Mexiko vom 12. bis zum 19. Februar besucht, gerne treffen. Die Jesuiten befürworten ein Gespräch, die Regierung versucht hinter den Kulissen das zu verhindern. Aber allein schon die Tatsache, dass Franziskus nach Michoacán komme, setze Zeichen, meint Kardinal Alberto Suárez Inda. "Er will uns darin bestärken, dass ein Wandel möglich ist." Das kann man pastoral verstehen, aber auch politisch. (Sandra Weiss aus Tancítaro, 9.2.2016)