James Hunter inmitten der James Hunter Six. Den Weg ans Sonnenlicht nahm die britische Soulband nur widerwillig. Danach ging es schnell zurück ins Pub. Verdammter Fotograf, verdammter.


Foto: Geoff Woods

Wien – Man hört ihn direkt, wie er spätnachts Witze erzählt. Das Pub hat längst geschlossen, der Heimweg mit den Freunden gestaltet sich wieder einmal kurvenreich. Da muss noch dieser Schwank erzählt und ein Schluck von der Wegzehrung genommen werden, und da fällt ihm noch der Witz ein. Einen hat er immer noch, und natürlich lacht er sich selber darüber scheckig.

Lachen gilt zwar als gesund, aber unter solchen Umständen geht es natürlich auf die Werkzeuge unseres Helden, seine Stimmbänder. Und zwar dergestalt, dass Bürohengste wie unsereiner sofort mit Salbeitee gurgeln und drei Tage auf Wiederherstellungsurlaub gehen würden. Nicht James Hunter.

Der geht nach so einer Nacht, die am Ende von zwei Stunden Schlaf doch noch sinnlos unterbrochen wurde, ins Aufnahmestudio. Nach einem Espresso mit Schuss schmachtet er bereits eine namenlose Angebetete an wie eine heisere Nachtigall, aber hallo.

James Hunter ist ein wilder Hund. Das unterstellen wir einfach einmal. Wüsste man ihn und seine Gang, die James Hunter Six, auf seiner Seite, man bräuchte keine Spelunkenkonfrontation scheuen. Zumindest wirken diese Typen so. Geeichte Zecher mit einer musischen Seite.

Nasse Lefzen

James Hunter Six sind eine Soulband aus Südostengland. Eben haben sie ihr Album "Hold On!" veröffentlicht. Es ist nach "Minute By Minute" der zweite Longplayer für Daptone Records. Daptone, bei dem Wort flutet es Soulfans die Lefzen. Das kleine New Yorker Label hat der Welt in den letzten zehn, zwölf Jahren beinahe im Alleingang ein Soulrevival besorgt. Zuerst hat die Daptone-Studioband für Amy Winehouse' Welthit "Back To Black" ihre Instrumente angeworfen, dann hat das Label eigene Stars wie Charles Bradley, Sharon Jones oder die unglaubliche Naomi Shelton und ihre Gospel Queens hervorgebracht und deren Alben verlegt. Und eben die James Hunter Six.

DaptoneRecords

Der Sechser ist ein Exote im Daptone-Stall: Bleiche Briten in abgewohnten Lederjacken, die bei der Verheißung von Lohnarbeit oder Sonnenlicht ins Pub flüchten. In die Jahre gekommene Anhänger einer Subkultur, die dem Northern Soul unter Einfluss eher die Treue halten als der Gattin, wie heißt sie schnell?

Diesem heiteren Ethos entsprechend spielen James Hunter und die anderen fünf gut eingelegten Tanzbodensoul. Der breite Geschmack des Northern Soul erlaubt die Eingemeindung von leichten Dosen Ska oder Merkmalen der Rumba oder sonst irgendetwas entfernt Karibischem. Das schiebt das Sextett mit zwei Bläsern, einer gut geschmierten Orgel, Stehbass, Schlagzeug und Hunters Gitarre an, bis es fährt. Und fahren es tut. James Hunter Six spielen Partymusik von zeitloser Güte. Und beim Thema Party darf man Hunter vertrauen. Hunter jauchzt, lustschreit oder rollt sein "R" wie Trini Lopez auf der Balz.

Tirilieren im Schnürlregen

Der 53-Jährige beherrscht sein Gewerbe. Seit den mittleren 1980er-Jahren ist er im Geschäft, in den 1990ern erkannte ein gewisser Van Morrison sein Talent, engagierte ihn als Backgroundsänger und revanchierte sich seinerseits als Gastsänger auf Hunters Debütalbum. Vielleicht wurde er dem alten Grantler irgendwann zu lebensfroh, jedenfalls verlagerte sich James Hunters Ehrgeiz in Richtung Solokarriere.

Hold On! belegt die Richtigkeit dieser Entscheidung. Zehn Lieder, ein schlechtes ist nicht dabei. Hunter tiriliert wie ein Jackie Wilson im Schnürlregen, die Ballade hebt er zur Not ebenfalls, die Band spielt so scharf wie ökonomisch, tight, wie der Jargon sagt. Wie hieß es früher so schön? Ein Hitalbum. Jetzt müsste es nur noch die Welt zur Kenntnis nehmen. (Karl Fluch, 9.2.2016)