Österreichs Bundesheer soll sich stärker im Ausland engagieren, wünscht sich Hans Peter Doskozil.

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STANDARD: In Amsterdam haben die Verteidigungs- und Außenminister über die globale EU-Sicherheitsstrategie diskutiert, Krieg in Syrien, Flüchtlinge, Libyen. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Doskozil: Es wird sehr viel theoretischer Natur diskutiert. Man muss auch betonen, dass Einsätze in Mali oder die EU-Mission "Sophia" zur Schlepperbekämpfung in Libyen wichtig und erforderlich sind. Aber vor allem muss man die Frage beantworten, wie können wir all das umsetzen, auf den Boden bringen, Lösungen finden?

STANDARD: Mangelt es an konkretem Krisenmanagement.

Doskozil: Ja. Aber vielleicht ist das auf europäischer Ebene so. Was Libyen betrifft, hat die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf den Punkt gebracht, worum es geht. Eine Ausweitung der EU-Mission gibt es nur, wenn es eine funktionierende Einheitsregierung gibt und diese unseren Einsatz anfordert. Darauf muss man sich vorbereiten.

STANDARD: Wenn es zur Ausweitung der Mission auf libysches Gebiet kommt, soll Österreich sich daran beteiligen?

Doskozil: Wir werden uns beteiligen, wenn es etwa darum geht, Polizei in Libyen auszubilden. Aber es gelten natürlich alle Vorbehalte in Österreich. Wir brauchen die Zustimmung des Nationalrates, einen Parlamentsbeschluss. Aber ich persönlich würde mich dafür einsetzen, wenn es sich auf dem Niveau unseres Mali-Einsatzes bewegt, wenn es um Ausbildung und Training geht.

STANDARD: Auch anderswo?

Doskozil: Es gibt eine Initiative der Deutschen in Bezug auf Afghanistan. Da geht es um Gebirgsausbildung. Es kann sein, dass wir uns auch da beteiligen. Zu betonen ist freilich, dass wir uns generell eher auf niedrigem Niveau bewegen. Es muss auch eine Balance zu Inlandsaufgaben gehalten werden, die uns gerade stark beschäftigen.

STANDARD: Soll Österreich das internationale Engagement erhöhen, auch wegen der Betroffenheit durch die Flüchtlingsströme?

Doskozil: Das glaube ich schon. Österreich kann sich nicht nur selektiv an europäischen Aufgaben beteiligen. Es muss nur stets gewährleistet sein, dass das in einem vertretbaren Verhältnis zu den Inlandsaufgaben steht.

STANDARD: Welche Konsequenzen hat das für das Bundesheer?

Doskozil: Ich habe Montag ein erstes Gespräch mit dem Finanzminister, das ich offensiv angestrebt habe. Ich will versuchen, mit ihm abzuklären, was möglich ist. Dazu muss ich das auf den Tisch legen, da hängen all diese Dinge, über die wir sprechen, dran.

STANDARD: Werden Sie mehr Budgetmittel brauchen? Der Vorstoß zur Grenzkontrolle in Mazedonien und Serbien, um den Flüchtlingsstrom zu drosseln, kostet wie viel?

Doskozil: Die Kosten von Auslandseinsätzen sind im Verhältnis zum Gesamtaufwand eher gering. Wenn es gelingt, unseren Vorschlag nach einer gemischt polizeilich-militärischen Sicherung der Grenzen in Serbien und Mazedonien umzusetzen, muss man die Mittel dafür zur Verfügung stellen. Auch wenn diese EU-Mission von Frontex geführt werden sollte, würden wir dabei sein. Das ist ja direkt vor unserer Haustür.

STANDARD: Sie haben diesen Vorschlag in Amsterdam mit Außenminister Sebastian Kurz vorgetragen, ohne innerkoalitionären Zank. Was wäre das Ziel des Einsatzes?

Doskozil: Das Ziel war, das Thema rasch auf die europäische Tagesordnung zu bekommen, möglichst bald einen Beschluss herbeizuführen. In den kommenden Wochen stehen wichtige Entwicklungen in Griechenland und der Türkei bei der Sicherung der EU-Außengrenzen bevor. Sollten die Experten zum Schluss kommen, dass wir auch in Mazedonien und Serbien eine Grenzsicherung und einen Hotspot für Flüchtlinge brauchen, so sollte man das sofort in einer in einer zivil-militärischen Mission umsetzen. Es gibt bereits Signale aus Serbien und Mazedonien, die sind bereit dazu.

STANDARD: Was wäre der Effekt?

Doskozil: Eines ist dabei ganz entscheidend. Wir müssen diesen betroffenen Ländern sagen können, was passiert, wenn wir die Flüchtlinge nicht einreisen lassen. Gehen die dann zurück nach Griechenland oder in die Türkei oder gleich zurück in sichere Drittstaaten wie Marokko oder Tunesien? Deutschland ist diesbezüglich intensiv um Afghanistan bemüht.

STANDARD: Das Thema Rückführungen hängt stark in der Luft.

Doskozil: Das muss man lösen. Sonst bekommen diese Länder massive Schwierigkeiten, das wäre alles nur Aufschub von Problemen.

STANDARD: Was geschieht, wenn zehntausende Flüchtlinge in Serbien und Mazedonien stranden?

Doskozil: Genau das darf nicht passieren. Der Arbeitsmodus müsste im Prinzip der Gleiche sein wie in Griechenland. Es ginge darum, die Mengen an zuströmenden Flüchtlingen besser zu bewältigen.

STANDARD: Einfach gesagt, ist es besser, auf der Balkanroute zehn Hotspots mit 10.000 Flüchtlingen zu haben als einen mit 100.000.

Doskozil: Ganz genau. Das ist vollkommen richtig. Die Frage ist dann, wie man verfahrenstechnisch die Registrierung vornimmt. Menschen aus Marokko oder Tunesien müssten in ihren Herkunftsstaat zurückgebracht werden. Wenn das nicht passiert, hat ein Hotspot keinen Sinn. Gleiches gilt für die Türkei, die als sicherer Drittstaat definiert wird. Sie bekommt drei Milliarden Euro zur Schaffung von Infrastrukturen. Dann wird es darauf ankommen, wie es uns gelingt, Flüchtlinge in die Türkei zurückzubringen.

STANDARD: In Amsterdam traten zwei österreichische Minister mit einer Position auf, geschieht nicht oft. Wie ist Ihr Verhältnis zu Kurz?

Doskozil: Ich habe mit ihm hier ein Gespräch geführt. Grundsätzlich gilt: Wir werden eine Lösung finden. Es geht hier nicht darum, eine Show zu machen für die Öffentlichkeit. Ich habe ihn eingeladen, am Treffen der Verteidigungsminister der Zentraleuropäischen Initiative teilzunehmen, wo es um Serbien und Mazedonien geht. Wir werden das gemeinsam machen, wir haben dazu eine gemeinsame Position.

STANDARD: Es scheint, als sollen Sie für die SPÖ eine Art Supersicherheitsminister gegenüber der ÖVP sein. Mehr oder weniger Streit?

Doskozil: Die Bevölkerung will Lösungsansätze sehen, die kann man nur erreichen, wenn man zusammenarbeitet. Was ich versuche, ist, die Dinge sachlich und pragmatisch abzuhandeln. Ich will mich an öffentlichen Konfrontationen nicht beteiligen.

STANDARD: Kritiker am Vorschlag der polizeilich-militärischen Grenzsicherung in Mazedonien und Serbien sagen, dass da eine Militarisierung der Flüchtlings- und Asylpolitik stattfindet. Sehen Sie dieses Problem?

Doskozil: Ich sehe das nicht als Problem. Das ist auch eine überzogene Formulierung. Wir sind auch in Österreich nach wie vor im Assistenzeinsatz tätig, in der Verantwortung des Innenministeriums. Hätte das Innenministerium genügend Personal, würde es nicht die Assistenz des Bundesheeres anfordern. Es ist das eine Erfordernis der Situation. Es geht um die Sache.

STANDARD: Sie haben Ihren ersten EU-Ministerrat absolviert, gesehen, wie stark dies von Nato-Staaten dominiert wird. Wo ist Österreichs Platz in der europäischen Sicherheitspolitik in Zukunft.

Doskozil: Keine Frage, der Stellenwert der Nato ist groß, 22 von 28 EU-Staaten sind Mitglieder der Allianz. Man merkt das schon am Auftreten, in allen militärischen Angelegenheiten gibt es dazu eine Themenführerschaft. Es hat aber auch eine starke Debatte darüber gegeben, wie die Europäer unabhängiger von den USA werden können. Das reicht über die Beteiligung der Klein- und Mittelbetriebe bei der Beschaffung bis zur Vereinheitlichung der Standards bei den Streitkräften. In weitere Ferne wird sich die Frage stellen, welche eigenständige Rolle die Europäer spielen wollen. (Thomas Mayer, 7.2.2016)