"Es ist nicht viel anders als bei anderen Theaterproben. Es gibt die gleichen Glücksmomente und Schwierigkeiten", meint Magda Kropiunig. In "Sonny Boys" steht die Schauspielerin (re.) mit dem Kabarettistenduo Christoph Grissemann (li.) und Dirk Stermann (Mitte) auf der Bühne und versucht, die beiden Gockel immer wieder zusammenzubringen.

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STANDARD: Sie kennen einander Ihr halbes Leben. Wie gut will man einander überhaupt kennenlernen?

Stermann: Die Frage ist ja gar nicht so sehr, ob man will oder nicht. Wir sind quasi gezwungen, weil wir einander in so vielen intensiven Situationen zusammen erleben.

STANDARD: Setzt Ihnen das zu?

Grissemann: Es gab zwei tätliche Übergriffe, die erwähn ich immer wieder gern, aber die psychische Zerrüttung ist größer.

Stermann: Ich bin psychisch so stabil, dass ich es fast ohne bleibende Schäden überstanden habe. Er hat mich abgehärtet.

STANDARD: Persönliche Zwistigkeiten passen zum Stück, darin spielen Sie zwei gealterte, zänkische Komiker. Die erfolgreiche Karriere liegt hinter ihnen, die beiden sind etwas abgehalftert, jetzt sollen sie noch einmal gemeinsam auftreten. Wie kam es dazu?

Stermann: 1972 hat Neil Simon sich gedacht, dass irgendwann in Österreich zwei Typen lange zusammenarbeiten und sich irrsinnig auf den Geist gehen. Für die hat er das Stück geschrieben. Probeweise haben das vor uns lauter alte Männer gespielt um zu sehen, wie das Stück so funktioniert, und das hat es scheinbar sehr gut. Jetzt dürfen die Jungen ran.

Grissemann: Das war eine Idee von Rabenhof-Direktor Thomas Gratzer. Wir haben uns acht Jahre lang dagegen gewehrt, Sonny Boys für eine verschmockte Komödie gehalten, die mit uns nix zu tun hat. Dann hab ich es aber aufmerksam gelesen. Und da steckt so viel von uns selbst drin, dass ich mir gedacht hab, es wär eigentlich schade, wenn man das nicht spielt. Wer soll das sonst spielen?

HOANZL

STANDARD: Davor haben das zum Beispiel Kapazunder wie Helmut Lohner, Otto Schenk und Gert Voss gemacht.

Grissemann: Langgediente Volksschauspieler, ja. Die letzte Rolle vor der Krebsdiagnose. Das war schon auch ein Argument, es nicht zu machen, weil es so nach Abschied klingt. Was soll danach kommen? Aber die Herausforderung anzunehmen, das nicht als alte Männer zu spielen, sondern als mitten im Leben stehende, Fast-50-Jährige, hat ja auch ihren Reiz.

Stermann: Das Setting wurde für uns umgeschrieben, gekürzt, auf drei Personen runtergebracht. Etwa behalten wir unsere Namen, sodass ich mir keine neuen merken muss.

Grissemann: Das erleichtert die Schauspielarbeit.

Stermann: Auch Magdas Rollennamen heißt Magda. Magda hätte sich natürlich viele Namen merken können, weil sie professionelle Schauspielerin ist, aber wir…

STANDARD: Sie verkörpert Christophs Cousine, die die beiden Gockel immer wieder zusammenzubringen versucht. Haben Sie einander vorher schon gekannt?

Kropiunig: Ja, aber wir arbeiten jetzt zum ersten Mal miteinander. Es ist nicht viel anders als bei anderen Theaterproben. Es gibt die gleichen Glücksmomente und Schwierigkeiten und läuft alles sehr professionell ab.

STANDARD: Sie spielen im Fernsehen sowie auf der Bühne. Was ist Ihnen lieber?

Kropiunig: Beides. Obwohl die beiden ganz verschieden sind. Ich komme vom Theater und das werde ich wahrscheinlich immer machen.

STANDARD: Beim Aufzeichnen für's Fernsehen kann man ja mehr improvisieren.

Grissemann: Fernsehen ist eigentlich das Schlimmste. Es ist ein ungeprobtes Programm, von dem du selbst nicht überzeugt bist. Das sind Witze, die mir geschrieben werden und die ich aufsage. Humor von der Stange, ganz klar auf ein Publikum ausgerichtet. Willkommen Österreich ist nicht mein Humor. Ich bin teilweise vor dem Publikum schon wieder aus dem Studio draußen, weil ich mir den Mantel schnappe und zur U-Bahn laufe. Ich denke in den letzten zehn Minuten der Sendung schon, was ich zuhause essen werde. Würde ich die Witze machen, die mir gefallen, hätte ich wahrscheinlich nur 20.000 Zuschauer. Fernsehen ist ein riesiger, aufgeblähter Apparat. Da finde ich Theater angenehmer. Oder Kabarett, da sind's nur wir zwei.

STANDARD: Der Humor damals, 1972, war ein anderer, die Witze handzahm. Klowitze, Schwulenwitze, Hämorrhoidenwitze kommen im Stück nicht vor.

Stermann: Wir kennen weniger Tabus. Aber Klowitze wird es auch bei uns keine geben, sondern eher ein fast sentimentales Stück, eine Love-Story.

Kropiunig: Ich finde grad Komödie sehr herausfordernd, weil der Charakter von dir lebt, du ganz viel von dir hineingeben musst. Boulevard hab ich schon gemacht, das will ich jetzt nicht wieder machen. Sonny Boys ist sehr dialoglastig, man muss sehr schnell denken. Es ist eine Timingsache und sehr präzise. Leute zum Lachen zu bringen ist sehr schwierig.

Stermann: Wir brauchen Stichworte. Das ist das Banale am Theater. Stichwort, Stichwort, Stichwort. Wann steh ich wo, was mach ich mit den Händen…

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STANDARD: Hat sich Ihr Humor verändert, seit Sie angefangen haben?

Stermann: Der Humor gar nicht so, aber die Herangehensweise. Früher haben wir gar nicht darüber nachgedacht, dann hat man angefangen, sich ein bissl zu überlegen, was man macht. Inzwischen haben wir eine Art von gelassener Professionalität, die nicht mehr so viel will. Für mich ist es unangenehm, wenn ich Leute im Fernsehen sehe, die so aktiv sind, das finde ich abturnend. Besser finde ich die, die sich immer weiter zurücklehnen und aus dem heraus eine Unterhaltungssendung machen.

Grissemann: Wie im ganz normalen Leben. Fernsehsendungen, wo die Menschen immer so steif reden und nicht geraucht und getrunken werden darf, finde ich seltsam. Da empfinden es manche schon als anarchisch, wenn man bei uns ein Glas Wein trinkt. Das hab ich nie verstanden, ist doch absurd! Wir kriegen viele Zuschriften: "Um Gottes Willen, da trinken Menschen im Fernsehen Wein, darf das sein?"

Stermann: Unsere Aufgabe ist es, Willkommen Österreich zu machen und gleichzeitig aus dieser Sendung auszusteigen. Nur wissen wir und die Redakteure vorher nicht, wie. Das macht es für uns spannend. Wenn es glatt über die Bühne gegangen ist, so wie es vorgesehen war, dann entsteht dadurch immer eine gewisse Leere. Es ist schon der Wunsch da, dass was passieren könnte.

STANDARD: Wenn Sie beide noch einmal anfingen – dann eher wie Joko und Claas oder wie Jan Böhmermann?

Stermann: Ich würde mich, wenn ich die Wahl hätte, mir einen Hamburger ins Gesicht spritzen zu lassen, immer für nein entscheiden.

Grissemann: Mir wäre das auch zu anstrengend. Was einem schon zu denken gibt, ist, dass wir beide jetzt genau aus der Zielgruppe bis 49 Jahre herauswachsen.

STANDARD: Stefan Raab hat die Reißleine gezogen und gesagt, er hört mit 50 auf. Von Ihnen hat man das auch mal gehört.

Grissemann: Ja, ich häng auch nicht so wahnsinnig an dem Job. Ich kann mir schon vorstellen, dass in zwei Jahren Schluss ist. Ich würde die Sendung gern weitermachen, aber es ist nicht so, dass ich jetzt irrsinnig dran hänge. Ich kann mir ein gutes Leben auch ohne Willkommen Österreich vorstellen.

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STANDARD: Fernsehen bietet die Möglichkeit, tagesaktueller zu sein als die Bühne. Sind Sie gern politisch? Viele Situationen wiederholen sich ja doch immer wieder.

Stermann: Ja, es ändert sich nichts. Wenn die Autoren uns bei der Sitzung die Witze zeigen, hätte es genau so ganz oft auch vor sechs Jahren schon sein können. Wir benutzen diese Namen eigentlich als Codes. Wenn du Mikl-Leitner sagst, dann weißt du, die Leute lachen, weil sie ahnen, jetzt kommt ein Mikl-Leitner-Witz. Den musst du gar nicht mehr machen. Es reicht, "Mikl-Leitner" zu sagen.

Grissemann: Vollkommen austauschbare Figuren. Das "Dschungelcamp" ist genau das gleiche wie das Parlament, Dieter Bohlen genau das gleiche wie HC Strache. In Wahrheit geht's um den Witz und nicht um die politische Message. Haben wir ja keine. Beziehungsweise ist die, die wir haben, eh klar, und es wäre nicht amüsant, die jedem zu sagen. Zeigefingerkabarett geht mir auf die Nerven. Wenn der Witz okay ist, dann ist mir egal, ob DJ Ötzi vorkommt oder Jörg Haider.

Stermann: Auf der anderen Seite ist es so: Indem wir uns über alle gleich lustig machen, entsteht irgendwann so ein Gefühl, dass man eine Demokratieverdrossenheit unterstützt. Die Möglichkeit, die du als Witzeerzähler oder Entertainer hast, ist ja sehr begrenzt. Darum würd ich gar nicht erst anfangen, irgendwas zu versuchen. Ich finde nicht, dass es die Aufgabe von Komikern ist, dass manche Sachen aufgearbeitet werden, sondern die von Journalisten. Hin und wieder möchte man aber schon eine Art Haltung zeigen, weil es wichtig ist, weil man die als Mensch eben hat. Darum bau ich darauf, dass ich das noch mit 70 moderiere, weil vielleicht weiß ich dann, wie man es richtig macht. Bis jetzt weiß ich es noch nicht.

STANDARD: Bisher kämpfen Sie ja durchaus mit harten Bandagen?

Stermann: Im direkten Gespräch ist das letzte, was wir wollen, Gäste der Lächerlichkeit preiszugeben. Und sonst tun das ja nicht wir, sondern die Leute selbst. Wenn der Verteidigungsminister so redet, wie er redet, dann schafft er das schon selber.

Grissemann: Es wird ja niemandem die Würde gestohlen. Es ist letztendlich nicht mehr als ein Joke, ein Witz. Und es gibt nix Vergnüglicheres als Schadenfreude. Wenn jemand auf einer Bananenschale ausrutscht, kann ich da immer noch lachen. Auch wenn es ein 80-Jähriger ist. Das ist halt einfach lustig. Deswegen demütigt man ja niemanden. Zumal ich mich selbst auch nicht aus den Witzen raushalte, weil Stermann macht über mich genauso Witze wie ich über ihn. Die ganze Welt kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen, dass Witze über sie gemacht werden. Das ist schon in Ordnung.

STANDARD: "Ich kann uns und unsere Shows nicht mehr unterscheiden", heißt es im Stück. Wie gut können Sie die Grenze zwischen Berufsironie und privat noch ziehen?

Grissemann: Komplett. Das ist schon eine gezielte, gelernte Fertigkeit für den Beruf. Ich bin im Privatleben eigentlich fernab von jedem Zynismus. Ich erzähle auch keine Witze, bin in einer geselligen Runde eher sehr langweilig, stiller Trinker. Mir geht’s auf die Nerven, wenn jemand Witze erzählt. Also eigentlich bin ich das exakte Gegenteil in Sendung und privat.

Stermann: Total. Es wäre ja furchtbar, würde man einem Kind mit Bauchschmerzen zynisch begegnen.

STANDARD: In Willkommen Österreich haben Sie beide große Freude an Heinz Fischer. Wird er Ihnen als Bundespräsident fehlen?

Stermann: Ja, aber nicht nur für unsere Arbeit. Er fehlt mir als Figur jetzt schon ein bisschen. Aber Van der Bellen wird man ja auch ins Herz schließen können.

Grissemann: Wir werden uns gebührend verabschieden. (Michael Wurmitzer, 8.2.2016)