Ein Taxi zum Flughafen? "Leider nicht möglich", entschuldigt sich die Dame am Telefon. "Wir streiken auch." Eine Fahrt zum Athener Flughafen an diesem Donnerstag hätte ohnehin nichts gebracht: Der Großteil der Inlandsflüge, mehr als 60 Verbindungen zwischen dem Festland und den Inseln, ist ebenfalls gestrichen. Auf dem Pausenhof der nahe gelegenen Schule brüllt kein Lehrer die Morgenansprache ins Mikrofon. Immerhin kommt die neue Stromrechnung ins Haus. Jemand hat noch Post verteilt.

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Die seit Wochen andauernden Streiks und Proteste hier und da in Griechenland finden an diesem Donnerstag ihren vorläufigen Höhepunkt. Das Land steht weitgehend still. Busse und U-Bahnen fahren bis Mitternacht nicht mehr, Landwirte blockieren mit ihren Traktoren die Autobahnen. Es ist die größte Arbeitsniederlegung im öffentlichen Dienst und in einigen privatwirtschaftlichen Bereichen – bei den Taxifahrern und Anwälten –, die die Regierung von Alexis Tsipras bisher hinnehmen musste. Tsipras hat bei keiner der großen Auseinandersetzungen auf der Straße seit dem Beginn des radikalen Sparkurses im Frühjahr 2010 gefehlt. Nun sind er und seine Regierung wegen der anstehenden Reform der Sozialversicherungen selbst zum Ziel der Proteste geworden.

Einige Tausend

Der Linkssozialist im Premiersamt bunkert sich ein: Die großen blauen Mannschaftsbusse der Polizei stehen am Donnerstag quer über die Irodou Attikou, die Straße im Zentrum von Athen mit den Amtssitzen von Premier und Präsident, und sollen enragierte Demonstranten am Sturm hindern. Der Aufzug der Protestierenden am Vormittag ist dennoch eher wieder klein. Nur einige Tausend ziehen vom Omonia-Platz zum Syntagma-Platz. Sie tragen die Fahnen der kommunistischen Gewerkschaft Pame und anderer linksgerichteter Gruppen. Es sind Arbeiter aus staatlichen Betrieben, Bedienstete der öffentlichen Verwaltung und Studenten.

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Doch gegen Mittag schwillt die Menge an. Hubschrauber beginnen über dem Stadtzentrum zu kreisen, als es zu Zusammenstössen kommt und Anarchisten Brandsätze auf Polizisten werfen.

Tsipras versicherte diese Woche in einer Rede vor Funktionären seiner Partei Syriza einmal mehr, die Regierung werde das Kreditabkommen umsetzen, aber "strikt ihre roten Linien" einhalten. Pensionen würden kein weiteres Mal gekürzt, sagte Tsipras laut der Nachrichtenagentur Anma, die Beiträge zur Sozialversicherung würden vielmehr je nach der Einkommenssituation so verteilt, dass die "große Mehrheit der Arbeiter, Angestellten, Arbeitslosen, aber auch der Landwirte und Selbstständigen" vom Reformplan der Regierung profitieren würden.

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Verhandlungen mit den Kreditgebern

Zeitgleich mit den Protesten verhandelt Arbeits- und Sozialminister Giorgos Katrougalos im Hotel Hilton mit den Vertretern der Kreditgeber über die Pensionsreform. Sie geht der Eurogruppe, dem IWF und der EZB nicht weit genug. Anders, als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker noch während des langen Streits zwischen Athen und Brüssel im vergangenen Jahr glauben machte, beharren die Geldgeber auf nochmaligen Kürzungen auch jetzt ausgezahlter Pensionen. Die Regierung will die Beiträge anheben und Leistungen für Arbeitnehmer und Selbstständige kürzen, die kurz vor der Pensionierung stehen. (Markus Bernath aus Athen, 4.2.2016)

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Ein landesweiter Streik hat das Leben in Griechenland am Donnerstag weitgehend zum Stillstand gebracht. Inlandsflüge wurden gestrichen, Fähren blieben im Hafen, auch der größte Teil des Nahverkehrs kam zum Erliegen.

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Die größten Gewerkschaften des Landes, GSEE und Adedy, hatten zu dem Ausstand aus Protest gegen die Pensionspläne der Regierung aufgerufen.

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Es ist der zweite landesweite Streik seit dem Amtsantritt der Regierung von Alexis Tsipras im Jänner 2015.

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Hier eine skurrile Installation vor dem Arbeitsministerium in Athen. (red, 4.2.2016)

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