Fusionen und Übernahmen in der Pharmabranche 2015.

Grafik: STANDARD

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Foto: Reuters/MCNAUGHTON

Wien – Das große Fressen in der Pharmabranche hat 2015 einen neuen Höhepunkt erreicht, der Appetit der Unternehmen bleibt aber groß. Diese Einschätzung teilt Erich Lehner, Partner bei Ernst & Young Österreich, mit anderen Experten.

Wie das Wirtschaftsprüfungsunternehmen in einer Studie erhob, war 2015 ein absolutes Rekordjahr, was die aufgewendeten Mittel für Fusionen und Übernahmen betrifft. Mit 329 Milliarden US-Dollar (gut 300 Milliarden Euro) gab die Branche gut um die Hälfte mehr für Zusammenschlüsse und Käufe aus als 2014 (218 Milliarden Dollar).

"Viele Große der Branche haben vor zehn, 15 Jahren aus Kostengründen angefangen, ihre laufenden Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zu reduzieren", sagt Lehner dem STANDARD. Folge davon sei, dass sie sich "insbesondere in Biotech-Unternehmen einkaufen, bevor eigene Lizenzen ablaufen und die Pipeline auszutrocknen droht".

Griff in die Kriegskassa

Geprägt war das Vorjahr durch die Übernahme von Allergan durch Pfizer (siehe Grafik links). Mit 160 Milliarden Dollar war das nicht nur der größte Deal in der Life-Science-Branche, es war auch die drittgrößte Übernahme, die jemals über alle Branchen hinweg getätigt wurde. Nur die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone 1999 (knapp 203 Milliarden Dollar) und von Time Warner durch AOL im Jahr 2000 (knapp 165 Milliarden Dollar) war noch gewichtiger.

Die intensive Merger-&-Aquisitions-Tätigkeit (M&A) der Vorjahre hat aber auch Spuren hinterlassen: Die Schulden in der Pharmabranche sind gestiegen, viele Unternehmen haben bereits tief in die "Kriegskasse" gegriffen. Folge davon ist laut Lehner, dass die Mittel, die Unternehmen für Zukäufe mobilisieren können, geschrumpft sind – von 1.260 Milliarden auf rund 1.180 Milliarden Dollar.

Auch Zahl der Deals steigt

Das ist immer noch um ein Drittel mehr als Unternehmen 2007 für M&A-Aktivitäten einsetzten, als EY erstmals die Finanzdaten der größten Pharma-, Biotech- und Spezialitäten-Unternehmen unter die Lupe nahm. Gestiegen sind laut Lehner nicht nur die Übernahmesummen, auch die Zahl der Deals sei im Steigen begriffen.

Österreich sei, was Biotech betrifft, ein guter Boden. Die Unternehmen, die sich auf diesem Feld tummeln, hätten in der Regel kein Problem, die ersten fünf bis zehn Millionen Euro aufzustellen, scheiterten aber häufig an der Folgefinanzierung. Der Verkauf sei dann oft die einzige Möglichkeit.

"Durch steuerliche Hilfen, Risikoübernahmen und Anreize, Kapital in diesen Bereich zu bringen, könnte man die Eigenständigkeit mancher Unternehmen erhalten", sagt Lehner. Er verwies auf die rund 300 Milliarden Euro, die auf Sparbüchern in Österreich liegen. Wenn nur ein oder zwei Prozent davon losgeeist werden könnten, wäre viel gewonnen.

Rückgang nur bei Spezialpharma-Firmen

Mit dem Deal von Pfizer ist 2015 vor allem das M&A-Volumen unter den Big-Pharma-Unternehmen nach oben geschnellt: von knapp 87 Milliarden 2014 auf 209 Milliarden Dollar. Das ist fast so viel, wie die gesamte Branche 2014 ausgegeben hat. Auch die Unternehmen aus dem Bereich Big Biotech und Generika weiteten ihre M&A-Aufwendungen deutlich aus. Big Biotech steigerte die Ausgaben für Fusionen und Übernahmen um 355 Prozent auf gut 21 Milliarden Dollar, Generika-Unternehmen um 184 Prozent auf 49 Milliarden Dollar.

Lediglich bei Spezialpharma-Firmen ging das Volumen im Beobachtungszeitraum zurück – um gut die Hälfte auf 50 Milliarden Dollar. Lehner führt das auf "Sättigung infolge starker M&A-Aktivitäten in der Vergangenheit" zurück. (Günther Strobl, 4.2.2016)