Gerwald Rockenschaub (Kompositon von 1984) setzte in den 1980er-Jahren die konkrete Tradition von ...

Foto: Belvedere, Wien

... österreichischen Künstlern wie Helga Philipp (Kinetisches Objekt, 1966–68) fort.

Foto: David Auner

Wien – Es war eine Aussage im Radio, die einst Richard Kriesches Widerspruchsgeist weckte und initiativ werden ließ. Hofmann sei noch nicht lange Direktor des Museums des 20. Jahrhunderts gewesen, erinnert sich der heute 75-jährige Künstler, als dieser in einem Interview sagte, es gebe in Österreich keine (konkret-konstruktiven) Künstler, die dem internationalen Vergleich standhalten würden. Und so habe er zum Telefon gegriffen und Hofmann in sein Atelier eingeladen.

Der kam nicht nur, sondern wollte dann sogar ein Bild von Kriesche, der auf Basis mathematischer Codes Werke schuf, die sich als Abfolge bunter Quadrate, als Gitter sich kreuzender Linien, als dynamisch-belebte Raster beschreiben lassen und nun in der Ausstellung "Abtract Loop" im 21er-Haus zu sehen sind. Eine Form von "intelektuellerer Kunst", nannte Kriesche es auch. Eine Formulierung, die das Wesen dieser international neuen konstruktiv-geometrischen Strömungen der Nachkriegszeit fasst: Ratio, nicht Emotion, steuerte ihr Schaffen.

Systematisches Forschen

Ja, das Eliminieren von expressiver Geste und individueller Handschrift war wesentlich. "Ich finde, dass der Verstand und der Geist eines systematischen Forschens Intention und individuellen Ausdruck ersetzen müssen", formulierte es François Morellet, weltweit einer der herausragendsten Vertreter des Konkreten, 1961 recht programmatisch. Diese entpsychologisierende, versachlichte Formensprache, die sich Geometrie und Logik verschrieb, war aber nur konsequent: Sie folgte dem Interesse für visuelle Forschung, Wahrnehmungsphilosophie oder Informationstheorie.

Dass 1967, also nun vor beinahe 50 Jahren, die Ausstellung "Kinetika" im 20er-Haus stattfand, führt Kriesche doch auf den besagten Atelierbesuch Hofmanns zurück. Neben der internationalen Avantgarde optischer, konkreter und kinetischer Kunst – also etwa Morellet, Josef Albers, Paul Lohse, Hartmut Böhm – zeigte man damals eben erstmals in musealem Umfang die Österreicher Kriesche, Marc Adrian (1930-2008) sowie Helga Philipp (1939–2002).

1968 stellten die drei dann noch einmal gemeinsam in der Galerie nächst St. Stephan aus, aber darin sah man eher eine Beschwichtigungsgeste. Ganz generell blieben die Österreicher "unter der Wahrnehmungsgrenze", so Kriesche. Die Zeit war dominiert von gestisch-expressiver Malerei und freilich vom Wiener Aktionismus.

Ein bisschen trotzig liest sich daher das 1967 in Graz verlesene Manifest der Gruppe A_ustria (Kriesche, Philipp, Jorrit Tornquist): Die Gruppe existiere, um "kund zu tun, dass es uns gibt", "schon lange". Man müsse sich "nicht schämen, uns zu kennen".

In einigen Wiener Galerien führt die Konkrete Kunst schon lange kein Schattendasein mehr: Verdient gemacht haben sich etwa Peter Lindner und Thomas Mark. Für die Viennafair 2015, also 100 Jahre nach der ersten Präsentation der Ur-Ikone des Konkreten, Malewitschs "Schwarzes Quadrat", initiierten sie einen Schwerpunkt.

Das museale Versäumnis vieler Jahre gleicht nun hingegen die Ausstellung "Abstract Loop" (Kuratoren: Axel Köhne, Harald Krejci) aus. Auch diesmal nicht ohne die mit den augentäuschenden, schwindlig machenden und den Betrachter vor dem Werk zu Bewegung verführenden Tricks der Op-Art Spielenden im internationalen Kontext zu zeigen. Nicht als Rechtfertigung wie damals, sondern Philipp, Adrian und Kriesche Respekt erweisend. Der vierte Österreicher, Gerwald Rockenschaub, beweist, wie lebendig das Konkrete noch in der Gegenwart ist.

Auch wenn man die Mathematik hinter den Werken nicht durchschaut, man die "Gegenstände für den geistigen Gebrauch" (Max Bill) nur rein ästhetisch genießen kann, ist ein schöner Überblick gelungen. (Anne Katrin Feßler, 3.2.2016)