Ordensträgerinnen für den Kampf um Gerechtigkeit: Anne Marie Duff, Carey Mulligan und Helena Bonham Carter in "Suffragette" .


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Wien – Es sind nur Schaufensterpuppen, denen mit Steinwürfen zu Leibe gerückt wird. Zu Beginn bekommen die Londoner Kaufmannsläden die Wut jener Frauen zu spüren, die seit vielen Jahren für Gleichberechtigung und das Wahlrecht kämpfen. Doch die Aussichten auf Erfolg stehen schlecht, denn so ungerührt, wie die Puppen in den Auslagen den Anschlägen gegenüberstehen, blickt auch der Ministerpräsident im Parlament auf die Frauen, die ihm bei einer Anhörung ihre Forderungen vortragen.

Als 1928 in Großbritannien das allgemeine Wahlrecht für Frauen beschlossen wurde, ging ein jahrelanger Kampf zu Ende, der nicht nur in der Öffentlichkeit mit Demonstrationen und Versammlungen ausgetragen worden war, sondern von den sogenannten "Suffragetten" auch aus dem Untergrund heraus hatte geführt werden müssen.

Und ebendiese Form des Widerstands zieht in Suffragette die junge Arbeiterin Maud Watts (Carey Mulligan) in ihren Bann; in einer Wäscherei ist sie den miserablen Bedingungen und der Herrschaft des Besitzers ausgeliefert. Die britische Regisseurin Sarah Gavron erzählt Watts' Geschichte, die im Jahr 1912 einsetzt, als einen Weg, der schrittweise zu Selbstbestimmtheit führt und schließlich mit einem Befreiungsschlag endet.

Es ist eine bemerkenswerte Verschiebung der Drehbuchautorin Abi Morgan (The Iron Lady), statt der Figur der historisch bedeutsamen Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst jene einer fiktiven Suffragette ins Zentrum zu rücken.

Während für Meryl Streep als Pankhurst eine einzige mitreißende Ansprache und wenige Filmminuten zu genügen haben, entwickelt Carey Mulligan kontinuierlich das Porträt einer Frau, die von äußeren Einflüssen ebenso geprägt ist wie von inneren Werten. Auf die Sensibilisierung folgt ein langsames Eintauchen in die Radikalisierung – erste konspirative Treffen finden im Hinterzimmer der Apothekerin Edith (Helena Bonham Carter) statt -, die mit staatlich legitimierter Gewalt beantwortet wird.

Macht der Ohnmacht

Suffragette verhandelt die Frage nach dem Zusammenwirken von politischer Macht und persönlicher Ohnmacht auf zwei Ebenen – hier das Frauengefängnis, in dem die Suffragetten wiederholt in Hungerstreik treten, dort die Familien und Ehen, die auseinanderbrechen – und überträgt damit einen Großteil der Verantwortung auf seine Hauptdarstellerin. Wobei Mulligan, wie bereits zuletzt als Gutsbesitzerin in der Thomas-Hardy-Verfilmung Far from the Madding Crowd in einer starken Frauenrolle, diese Aufgabe mit Bravour meistert: Jede Niederlage geht mit erwachender Stärke einher, zugleich aber auch ihre Emanzipierung mit einem Verlust, den Watts als Ehefrau und Mutter zu tragen hat. Mulligan verleiht dieser zwischen Resignation und Hoffnung wandelnden Figur eine Präsenz, die das körperliche Leid ebenso spürbar macht wie die psychische Belastung.

Die Beantwortung der Frage, welches Opfer man für die Durchsetzung bestimmter Ziele zu bringen bereit sein muss, fällt in Suffragette eindeutig aus: jedes. Ohne individuellen Einsatz gibt es, so dieser Film, keinen Erfolg für viele. Selbst wenn es dafür Märtyrerinnen bedarf.

Die historische Verortung mittels Archivmaterials, auf die Suffragette am Ende schließlich doch zurückgreift, dient somit in erster Linie einer Rückanbindung: Die Zeit ist ebenso wenig aufzuhalten, wie der Kampf dieser Frauen aufgehalten werden konnte, weil er von dem Wunsch nach einer Gerechtigkeit vor dem Recht getragen wurde. "There is another way of living this life", erklärt Watts vor dem ausschließlich aus Männern bestehenden Parlament. Und das ist möglicherweise auch die Erkenntnis, die über diesen Film hinauswirkt: für jeden von uns und in die Gegenwart. (Michael Pekler, 2.2.2016)