Nicht nur die Ernährung werdender Mütter beeinflusst das Risiko für Übergewicht oder Adipositas des Nachwuchses. Auch eine fettreiche Ernährung des Vaters kann über das Sperma den Stoffwechsel des Kindes negativ beeinflussen, wie Wissenschafter herausgefunden haben.

Foto: APA/AP/Gene J. Puskar

Potsdam/München/Wien – Es gibt eine ganze Reihe von Erklärungsversuchen, warum die Zahl der fettleibigen Menschen in der westlichen Gesellschaft zunimmt. Hochkalorische Ernährung und Bewegungsmangel zählen dabei zu den Hauptrisikofaktoren für Übergewicht und Adipositas.

Besorgniserregend ist vor allem, dass es immer mehr adipöse Kinder und Jugendliche gibt. Eine Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung konnte nun im Mausexperiment zeigen, dass eine fettreiche Ernährung in der Schwangerschaft- und Stillzeit zu epigenetischen Veränderungen bei den Nachkommen führt. Dadurch werden Stoffwechselwege beeinflusst, die durch das Darmhormon GIP (Gastric inhibitory polypeptide) reguliert sind. Das macht empfänglich für Übergewicht und Insulinresistenz, eine Vorstufe von Diabetes Typ II. Die Forscher gehen davon aus, dass Mensch und Maus in dieser Hinsicht durchaus vergleichbar sind.

Kinder von adipösen Eltern haben ein höheres Risiko, eines Tages ebenfalls fettleibig zu werden. "Bei 40 bis 60 Prozent der Betroffenen spielen genetische Faktoren eine Rolle. Allerdings ist die monogenetische Form der Adipositas relativ selten", erklärt Kurt Widhalm, Präsident des Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin in Wien.

Ernährung der Mutter

Im Fokus der aktuellen Untersuchungen vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung standen GIP-regulierte Stoffwechselvorgänge. GIP ist ein Hormon, das der Darm nach der Nahrungsaufnahme ausschüttet, um damit die Insulinzufuhr aus der Bauchspeicheldrüse anzuregen. Es beeinflusst den Stoffwechsel der Fettzellen sowie die Verbrennung in der Skelettmuskulatur und fördert den Aufbau von Körpermasse.

Wie das Mausexperiment zeigte waren jene Mäuse, die im Mutterleib großen Mengen Fett ausgesetzt waren, nicht mehr vor Insulin und Übergewicht geschützt. Zudem nahmen sie schneller zu, obwohl sie weniger fraßen, hatten erhöhte Cholesterin-, Blutzucker- und Insulinspiegel im Blut und wiesen vermehrt entzündliche Reaktionen im Fettgewebe auf. Sie hatten auch größere Fettzellen und verbrannten weniger Fett in der Muskulatur. "Die veränderten Genaktivitäten ließen sich dabei zum Teil auf epigenetische Veränderungen zurückführen", sagt der an der Studie beteiligte Endokrinologe Andreas Pfeiffer vom Helmholtz Zentrum in München.

Zudem scheint auch das Gehirn beeinflusst zu sein. "Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass GIP auch für die durch das Gehirn gesteuerten Regulation der Energieaufnahme eine Rolle spielt, indem es vermutlich die Insulinempfindlichkeit des Hypothalamus vermindert", ergänzt Pfeiffer.

Ernährung des Vaters

Doch nicht nur die Ernährung der werdenden Mutter dürfte einen Einfluss auf den Fett- und Zuckerstoffwechsel des Kindes haben. Eine fettreiche Ernährung des Vaters kann über das Sperma den Stoffwechsel seiner Kinder ebenfalls negativ beeinflussen, wie zwei Forscherteams kürzlich im Fachjournal "Science" berichteten. Die Wissenschafter fanden demnach heraus, dass eine Ernährung mit viel Fett oder wenig Proteinen bei Mäusen die Regulierung bestimmter Gene verändert. Ein weiteres Forscherteam konnte eine ähnliche Wirkung auch beim Menschen beobachten.

Das Team um Qi Chen von der University of Nevada in Reno fütterte eine Gruppe von Mäusemännchen sechs Monate lang mit einem Fettanteil von 60 Prozent. In einer Kontrollgruppe enthielt das Essen nur zehn Prozent Fett. Mit dem Sperma der beiden Gruppen befruchteten die Wissenschafter Eizellen. Beim Heranwachsen erhielt der Nachwuchs aus beiden Vätergruppen dieselbe Nahrungsmenge. Was die Gewichtszunahme betraf, so waren zunächst keine Unterschiede zu beobachten.

Ab der siebenten Lebenswoche zeigten jedoch spezielle Tests, dass die Mäuse der fettreich ernährten Väter eine beeinträchtigte Glukosetoleranz und eine Insulinresistenz aufwiesen. Die Störungen verstärkten sich noch bis zur 15. Lebenswoche.

Einfluss auf Gene des Stoffwechsels

Chen und Kollegen fanden nach weiteren Analysen Unterschiede bei der Ribonukleinsäure (RNA) im Sperma der Mäusevätergruppen. Die RNA überträgt unter anderem die im Erbgut gespeicherte Information an die Proteinfabriken der Körperzellen. Sie reguliert aber auch Gene.

Die Forscher identifizierten in einem weiteren Experiment kurze sogenannte tsRNA-Stücke als Träger der Information über das Essverhalten des Vaters. Diese Information führte bei den Kindern der fettreich ernährten Väter unter anderem dazu, dass Gene für den Stoffwechsel etwa von Zucker und anderen Kohlenhydraten seltener ausgelesen wurden.

Protein-Experiment

Ein Team um Oliver J. Rando von der University of Massachusetts Medical School in Worcester kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Wissenschafter hatten eine Gruppe von Mäusen mit 19 Prozent, eine andere Gruppe mit zehn Prozent Proteinen gefüttert. Das Sperma von Mäusen mit proteinarmer Nahrung hatte einen deutlich erhöhten Anteil an dem Molekül tRNA-Gly-GCC, das eine Untergruppe von Genen unterdrückt. Eines dieser Gene ist mitverantwortlich dafür, dass embryonale Stammzellen sich zu den unterschiedlichsten Zelltypen entwickeln können.

Rando und Kollegen fanden auch heraus, wo diese RNA-Veränderung geschieht: Im Nebenhoden. Dort reifen die Spermien allmählich heran. Während die unreifen Spermien noch keine RNA-Veränderungen aufweisen, zeigen sich diese jedoch bei den reifen Spermien. Bei dieser Form der Vererbung handelt es sich nicht um eine Änderung des Erbguts an sich, was eine Mutation wäre. Vielmehr fällt sie in den Bereich der Epigenetik – die Informationen werden zwar vererbt, sind jedoch nicht fest im Erbmaterial DNA gespeichert, sondern helfen bei der Regulierung der Gene.

Epigenetische Veränderungen beim Menschen

Erst kürzlich hat eine Studie der Universität Kopenhagen an Menschen gezeigt, dass die Anfälligkeit für Übergewicht über das Sperma an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Auch in diesem Fall fanden die Forscher um Ida Donkin epigenetische Veränderungen in Spermien. Sie betrafen die Regulierung von Genen, die die Entwicklung des Gehirns und den Appetit steuern. (pok, gueb, 3.2.2016)