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Wie motiviert man Mitarbeiter, die ständigen Extremsituationen ausgesetzt sind? Darüber diskutierten Personalexperten an der Meduni Wien. Im Bild Freiwillige des Roten Kreuzes auf der Insel Lesbos.

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Eine Herausforderung für die Mitarbeiterbetreuung, aber auch Fortbildung, sind die oft mangelnde Infrastruktur, erzählte die Personalchefin von "Ärzte ohne Grenzen" in Österreich. In solchen Fällen müsse man kreativ werden.

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Bei den freiwilligen Helfern von Train of Hope gab es zunächst keine zentrale Führung. Die Herausforderung lag für Harald Pesendorfer, der die Helfenden psychologisch betreute, darin, zu den Freiwilligen durchzudringen, sie zu entlasten. Auf dem Foto: Das 'Fest der Dankbarkeit', das zum Dank für die engagierte Arbeit der freiwilligen Helfer zur Bewältigung der Flüchtlingsströme organisiert wurde.

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In Krisensituationen zu arbeiten fordert nicht nur von den Tätigen selbst viel Engagement, Verantwortung, Motivation und eine große Portion Mut – solche Situationen sind auch für die Personalentwicklung der Unternehmen eine Herausforderung. Denn hier muss die Frage gestellt werden, wie man Mitarbeiter trotz der außergewöhnlichen Situationen halten, motivieren und weiterbilden kann.

Was sind solche Krisensituationen? Im Rektorssaal der Med-Uni Wien wurden Praxiserfahrungen und Beobachtungen vom Spitzensport über Gefängnisse bis zu Kriegen, Naturkatastrophen und der aktuellen Flüchtlingskrise vorgestellt und diskutiert.

Herausforderungen als Normalzustand

Für Gesprächsstoff sorgte etwa Inga Pöhlsen-Wagner, Seniorberaterin bei OSB International, mit ihrem Beitrag zur strategischen Personalentwicklung im Strafvollzug. Ein Berufsfeld, das den Vergleich nahelege, auch die Mitarbeiter hätten "lebenslänglich", sei für Konzepte der Personalentwicklung eine besondere Herausforderung, gerade weil sich doch ständig Änderungen ergeben würden. Pöhlsen hat herausgearbeitet, wo Spannungsfelder liegen und was diese für Mitarbeiter bedeuten.

Mit Krisensituationen in der eigenen Arbeit musste Isabelle Weisswasser-Jorrot umgehen lernen. Seit sechs Jahren leitet sie den Personalbereich von Ärzte ohne Grenzen Österreich, zuvor war sie für die Organisation in Kolumbien, im Sudan und im Irak.

Krisen sind bei Ärzte ohne Grenzen und für die insgesamt 36.600 Mitarbeiter Alltag, das zeige sich in vielen Bereichen. Die Reisemöglichkeit mancher lokaler Mitarbeiter sei beschränkt, Weisswasser-Jorrot erzählt etwa von einem irakischen Mitarbeiter, den man gerne nach Bordeaux zur Weiterbildung geschickt hätte – "das war aufgrund seines Passes einfach nicht möglich".

Kreativität statt Krise

Einschränkungen seien auch bei der Stromversorgung oder dem Internetzugang Alltag. Weiters würden die teilweise strikten Sicherheitsvorkehrungen in manchen Einsatzländern Fortbildungen und eine intensive Beschäftigung mit Mitarbeitern zu einer komplizierten Angelegenheit machen.

Um passende Mitarbeiter zu finden – nicht unbedingt Abenteurer, denn man müsse sich schon an Regeln halten -, werde das lange Aufnahmeverfahren immer wieder evaluiert, genauso wie die Vertragsdauer. Seit kurzem biete man verstärkt längere Verträge an.

Und manchmal heißt es einfach kreativ sein: etwa als bei einem Einsatz mit weniger gut ausgebildeten lokalen Ärzten vor Ort kurzerhand ein Experte im Nachbarland via Skype angerufen wurde und zusammen eine Diagnose gestellt werden konnte. "Ärzte ohne Grenzen kennt Personalentwicklung als eigene Disziplin erst seit 2004. Es gibt noch viel zu tun", sagt Weisswasser-Jorrot.

Mitarbeit ohne Führung

Gar kein Personalmanagement gab es bei Train of Hope am Wiener Hauptbahnhof, aber auch hier war die Situation krisenähnlich. "Bis zu 5000 Menschen kamen täglich an. Ziel war, diese Menschen kurzfristig und wertschätzend zu betreuen", erinnert sich Harald Pesendorfer, der die Psychische Hilfe Hauptbahnhof mitinitiierte. Den vielen ehrenamtlichen "Psychs", wie Pesendorfer sich und Kollegen beschreibt, war es ein Anliegen, sich um die erschöpften Helfer zu kümmern. Die Leute auf Müdigkeit und zu lange Tage am Hauptbahnhof anzusprechen sei zunächst aber die falsche Strategie gewesen. "Wir wurden überhaupt nicht akzeptiert. Es kam einfach für viele nicht infrage, die eigenen Bedürfnisse vor die Not dieser Menschen zu stellen." Pesendorfer und andere überlegten sich also andere Strategien, versorgten die Helfer mit Essen und Trinken, brachten Ordnung in die Arbeitsplätze und moderierten erste Teammeetings. Dann klappte es auch mit der gegenseitigen Zusammenarbeit, und es wurden erstmals Belastungen und Konflikte diskutiert.

Was er von der für ihn außergewöhnlichen Zeit am Hauptbahnhof mitgenommen habe, sei vor allem das Vertrauen in Selbstständigkeit – von Beginn an lief am Hauptbahnhof alles auf Eigeninitiative. Jeder suchte sich seine Aufgabe selbst, die Teams arbeiteten autonom. Und wie konnte das alles funktionieren? Für Pesendorfer war das große Ziel dahinter entscheidend. "Wir wollten ja nicht für diese Leute kochen, sondern Menschen in Not helfen. Endlich das Gefühl der Machtlosigkeit ablegen. Das hat uns alle dort verbunden." (Lara Hagen, 4.2.2016)