Schade. Ursula Stenzel hätte mit Sicherheit einen sehr hohen Unterhaltungswert gehabt und den Wahlkampf bereichert. Auch weil sie unberechenbar ist. Das wurde offenbar auch der FPÖ bewusst, die sich letztendlich doch für Norbert Hofer, den Dritten Nationalratspräsidenten, als Kandidaten für die Hofburg entschieden hat. Aus Sicht der FPÖ sprach noch mehr gegen Stenzel: Sie ist kein blaues Urgestein, sondern wechselte erst vor fünf Monaten von der ÖVP zur FPÖ, als ihr im ersten Wiener Bezirk die Felle wegzuschwimmen drohten. Und: Sie ist eine Frau. Wer sich die Wählerstruktur der FPÖ genauer anschaut, könnte zu dem Schluss kommen, dass ein Mann die überwiegend männlichen Wähler der FPÖ besser ansprechen kann.

Also Norbert Hofer. Gegen den übrigens auch viel als Kandidat spricht. In erster Linie er selber. Hofer, 44 Jahre alt, hatte mehrfach eindrücklich darauf hingewiesen, dass er eigentlich nicht will. Weil er zu jung sei, wie er anführte, und weil er sich die Strapazen des Wahlkampfs aufgrund seiner Behinderung nicht zumuten wollte.

Ausgeschlachteter Unfall

Jetzt muss er wollen. Hofer ist der von Parteichef Heinz-Christian Strache präsentierte Kandidat. Und Strache scheute bei der Pressekonferenz nicht davor zurück, die Behinderung, die Hofer bei einem Paragleiterunfall davongetragen hat, ausgiebig auszuschlachten.

Hofer gilt gemeinhin als das nette, freundliche Gesicht der FPÖ, und in der Tat ist er ein höflicher Mann mit Manieren. Anders als viele andere Politiker in den Reihen der FPÖ, deren Gesinnung gelegentlich laut und hässlich aus ihnen herausrülpst. Aber Hofer ist nicht zufällig Mitglied der freiheitlichen Partei, er vertritt deren Gedankengut und Programm eins zu eins und ohne Abstriche. Hofer formuliert sanfter und ohne Schaum vor dem Mund, aber er weicht in der Sache keinen Millimeter von der Linie seines Chefs Strache ab. Das beteuerte er auch am Donnerstag in der Pressekonferenz neben seinem Chef.

Brachialbotschaften

So gesehen ist es nur ehrlich, wenn die Freiheitlichen nun Hofer und nicht die quereingestiegene Stenzel nominieren. Ob der Burgenländer in der Lage sein wird, das freiheitliche Potenzial auszuschöpfen, ist fraglich. Wenn man sich die letzten Wahlkämpfe der Freiheitlichen anschaut, dann konnten sie ihr Publikum vor allem mit Brachialbotschaften ansprechen. So gesehen wäre ein Kandidat wie der Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus authentischer gewesen. Hofer wird es in seiner unverbindlichen Art schwererhaben, die Lufthoheit über den Stammtischen zu erobern. Aber er wird den ÖVP-Kandidaten Andreas Khol mit Sicherheit Stimmen kosten.

Für die politische Kultur ist es freilich ein Segen, dass nicht einer, aus dem der Hass und die Vorurteile unreflektiert und unkontrolliert hervorquellen, antritt, aber man soll sich keinen Illusionen hingeben: Nur weil Hofer ein freundliches Auftreten hat, ist er keine Spur weniger radikal als Strache und die anderen Mitstreiter in der Partei. (Michael Völker, 28.1.2016)