Ein Ausschnitt aus der Oscar-verdächtigen Dokumentation "Paint Drying".

Foto: Paint Drying

Weil die britische Behörde zur Alterseinstufung von neuen Filmen seiner Ansicht nach ein problematisches und teures Prozedere voraussetzt, hat sich der junge Regisseur Charlie Lyne zu einer originellen Form des Protestes entschlossen. Mit einem Crowdfunding-Projekt hat er das Reglement des British Board of Film Classification (BBFC) gegen selbiges gerichtet – und kann nun einen Teilerfolg vorweisen, wie Quartz schreibt.

Hohe Hürden für kleine Filme

Wer in Großbritannien einen Film in die Kinos bringen möchte, benötigt dafür ein entsprechendes Zertifikat der BBFC. Diese verlangt dafür allerdings ein Entgelt, das nach Ansicht von Lyne zu hoch ist. Für die Einreichung eines Werkes wird eine Grundgebühr von 101,5 Pfund (rund 133 Euro) fällig. Pro Minute, die der Film dauert, werden zusätzlich 7,09 Pfund (rund 9,3 Euro) – noch ohne Steuern – für die Arbeit von zwei Kontrolloren verrechnet.

Diese müssen eine Einreichung vollständig ansehen und anschließend gemeinsam eine Alterseinstufung erarbeiten. Die Prüfung eines abendfüllenden Streifens schlägt also nicht selten mit vierstelligen Beträgen zu Buche. Der jeweilige Film muss außerdem im kinotauglichen DCP-Format eingereicht werden, was weiteren Aufwand verursacht.

"Paint Drying"

Lyne startete ein Crowdfunding-Projekt für einen – Zitat – "Dokumentarfilm" namens "Paint Drying". Wie der Name beschreibt, geht es um trocknende Farbe. Das gesamte Werk besteht aus einer Einstellung, die eine frisch gestrichene Wand abfilmt. Insgesamt 14 Stunden an 4K-Video des spektakulären Trocknungsvorgangs hatte Lyne vorproduziert.

Unterstützer konnten via Kickstarter Geld spenden, um die Dauer des fertigen Films zu bestimmen, den Lyne schließlich der BBFC vorlegen würde. Zusammen kamen fast 6.000 Pfund. Den bisherigen Rekord für die Länge eines Kinofilms, "Out 1" von Jacques Rivette (775 Minuten), konnte man zwar nicht knacken, "Paint Drying" kam aber immerhin auf eine Laufzeit von etwas mehr als zehn Stunden und sieben Minuten.

BBFC benötigte zwei Tage für Prüfung

Einen Monat nach Ende der Finanzierungskampagne übermittelte Lyne das Dokumentations-Epos persönlich der Bewertungsstelle. Am 25. Jänner wurde ihm mitgeteilt, dass die Prüfung begonnen hatte. Diese wurde auf zwei Tage aufgeteilt. Am ersten Tag begutachteten die Kontrollore die ersten neun Stunden, die restlichen 67 Minuten einen Tag später.

Ab vier Jahren freigegeben

Am 27. Jänner schließlich wurde die offizielle Einstufung verlautbart. "Paint Drying" fällt demnach unter die Kategorie "U" und enthält "kein Material, dass anstößig oder gefährdend" sei. Damit ist der Film für Publikum ab 4 Jahren freigegeben. Kickstarter-Unterstützer bekommen eine digitale Kopie des offiziellen Zertifikates.

Für die mitreißende Verfilmung des Schicksals weißer Farbe auf einer Ziegelwand hat Lyne allerdings keine weiteren Pläne. Öffentliche Vorführungen oder eine anderweitige Veröffentlichung sind aktuell nicht vorgesehen. (gpi, 28.01.2016)