Die Polizei beendete 2014 eine Versammlung der "Freemen" in Hollenbach. Was folgt, ist ein juristisches Nachspiel.

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"Freeman" Joe Kreissl träumt von einem Baumhaus.

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Wien – Wenn Disneyland und Erdbeerland existierten, sollte es auch möglich sein, einen anderen Staat zu gründen, sagt Joe Kreissl und hat auch schon einen Namen dafür: "Erlösterreich" soll er heißen, in einem Schloss liegen und sich von Österreich lösen. Joe Kreissl ist ein führender Protagonist der österreichischen "Freemen" oder "Souveränen". Einer Bewegung, die ihre Wurzeln in den USA der 1970er Jahre hat und gerade wieder durch die Besetzung eines Naturparks in Oregon von sich reden macht.

Kreissl erkennt weder den österreichischen Staat noch Gesetze an. Mit "Erlösterreich" will er raus aus dieser "juristischen Fiktion", sagte er in der ORF-Reportage Am Schauplatz: Österreich – Nein Danke!, die am Donnerstag um 21.05 Uhr in ORF 2 zu sehen war.

Einkommenssteuern zahle er seit drei Jahren nicht mehr, erklärt Kreissl: "Ich kann das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren." Er würde sonst nur "das System" unterstützen. Steuerpflichtig seien nämlich nur natürliche Personen. Und er? "Ich bin ein Mensch", sagt Kreissl und lacht.

Sammelsurium

Ein halbes Jahr hat Nora Zoglauer für die Reportage recherchiert, erzählt sie im STANDARD-Gespräch. Herausgekommen ist ein sehenswertes Kaleidoskop einer seltsamen Welt. Ideologisch lassen sich ihre Anhänger ebenso schwer verorten wie geografisch. Ein Sammelsurium von Esoterikern, Anarchisten, aber auch Rechtsextremisten und Antisemiten soll es an verschiedenen Orten sein. Was sie eint, ist die Ablehnung des Staates.

Update und Korrektur: Seine Mutter schrieb das Lied

Kreissl wird zum Beispiel Holocaust-Leugnung vorgeworfen. Ihm droht eine Anklage wegen Wiederbetätigung. Bevor er zum "Freeman" mutierte war er im Volksmusikgeschäft tätig – mit seiner Mutter, die den Schlager "Steirermen san very good" verbrochen hat. Heute hält er Vorträge, für die er keinen Eintritt verlangt, sondern "Austritt" bekommt, wie er sagt. Finden Zuhörer Gefallen an seinen Worten, erhält er nach Ende der Veranstaltung Geld. "Freemen" lehnen offizielle Dokumente ab. Einen "Weltpass" könne man über das Internet ordern. sagt ein anderer. Probleme mit so einem Fantasiepass hätten nicht "Freemen", "sondern die Behörden".

Genaue Zahl unbekannt

Wie viele Vertreter es in Österreich gibt, kann Zoglauer nur schätzen: "Zwischen 500 und 2000." Kamerascheu sind sie jedenfalls nicht, wie auch ein eigener Youtube-Kanal mit unzähligen Videos dokumentiert. Ein anderer Anhänger der Bewegung möchte sich wiederum an der bayerischen Grenze eine Kommune aufbauen. Energieautark möchte er leben. Der Strom dazu soll "aus der Erde" kommen. Eine Sozialversicherung braucht er nicht: "Ich kenne so viele Heiler." Ein anderer habe die Regierung über seinen "Systemaustritt" informiert.

Etwas ratlos steht die Justiz den selbst ernannten "Sheriffs gegenüber, die "Urteile" an ihrem eigenen "Gerichtshof" fällen und nach ihrem "Naturgesetz" handeln. "'Freemen' haben die Ideologie, dass ihnen die Polizei unterstellt ist", sagt Zoglauer. Ihr Handlungsspielraum ist freilich begrenzt, dennoch: "Zum Glück haben wir viele strengere Waffengesetze als in den USA."

Szenen am Gericht

Strafmandate werden nicht gezahlt, Gerichtsverfahren sind anhängig. "Ich kann als Mensch keine Strafe akzeptieren, die aus dem Personenrecht kommt", sagt ein Vertreter vor seiner Verhandlung: "Ich bin nicht Mitglied dieser Treuhandschaft." Im Schlepptau hat er 80 Unterstützer, die sich mit der Polizei einen Schlagabtausch liefern und den Prozess torpedieren. Seinen Meldezettel werde er zurückgeben, um sich "auf hoher See" zu melden. Das seien Szenen, mit denen Bezirksgerichte öfter konfrontiert werden, so Zoglauer, vor allem in Oberösterreich.

Negativer Höhepunkt waren bis jetzt Geschehnisse im niederösterreichischen Hollenbach im Sommer 2014, als sich 200 Sympathisanten auf dem Anwesen einer Frau versammelten, um diese von ihrer Sachwalterin zu "befreien". Die "Sheriffs" wollten die Anwältin abholen und sie verhaften lassen. Die Polizei beendete die Aktion mit einem Großaufgebot. In Kürze stehen deswegen in Krems sieben ihrer Anhänger vor Gericht. Die Vorwürfe reichen von schwerer Nötigung bis zu beharrlicher Verfolgung. (Oliver Mark, 28.1.2016)

Trailer zur "Am Schauplatz"-Reportage

Roban 2.0