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Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven, hier bei einer Trauerkundgebung nach den Pariser Terroranschlägen, äußerte Verständnis für die Sorgen der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise.

Foto: Reuters

Stockholm – Nach der tödlichen Attacke auf eine Mitarbeiterin in einer Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge im südwestschwedischen Mölndal wächst in Schweden die Beunruhigung. Die 22-Jährige war am Montagabend von einem 15-jährigen Bewohner mit einem Messer angegriffen worden und ihren Verletzungen erlegen.

Zwar hatten die Heimbetreiber (Nordic Living) rasch nach der Tat betont, es habe bislang "keinerlei Fälle von Gewalt und Drohungen" in der Unterkunft gegeben. Besorgt äußerten sich in den vergangenen Tagen jedoch Repräsentanten der Gewerkschaft. Zahlreiche Mitarbeiter in Flüchtlingsheimen im ganzen Land empfänden ihre Situation als sehr unsicher– zumal sie, wie die getötete junge Frau, häufig allein ohne die Unterstützung von Kollegen arbeiten müssten. Angesichts des wachsenden Drucks auf die Aufnahmekapazitäten sei dies "leider inzwischen sehr häufig der Fall", so Kristina Folkesson vom Gewerkschaftsverband Vision.

Geheimhaltungscode

Polizeichef Dan Eliasson meinte, durch Vorfälle in Asylbewerberheimen würden "beträchtliche Ressourcen der Exekutive gebunden". Weitergehende Informationen zur Kriminalität unter Asylbewerbern blieb Eliassons Behörde einer zunehmend verunsicherten schwedischen Öffentlichkeit bisher allerdings schuldig: Wie die Tageszeitung "Dagens Nyheter" vor wenigen Tagen berichtete, versieht die Polizei Informationen über Straftaten, bei denen Asylbewerber Täter oder Opfer sind, mit einem Geheimhaltungscode.

Nach "Lügenpresse"-Vorwürfen an die etablierten Medien kämpft nun auch die Polizei mit Vertrauensverlusten. Diskussionen und Spekulationen darüber, vom "Establishment" hinters Licht geführt und belogen zu werden, blühen vor allem in sozialen Medien. Besonders in den Blickpunkt gerückt sind Straftaten minderjähriger Asylbewerber.

Ministerpräsident am Tatort

Insgesamt 38.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nahm Schweden im Vorjahr auf. Kriminelle Jugendliche behandelt die Justiz mit Verweis auf das tatsächliche – oder vermeintlich – geringe Alter häufig vergleichsweise milde. In den vergangenen Wochen hatten Meldungen über sexuelle Übergriffe durch jugendliche Asylbewerber Gerüchte weiter vertieft und angeheizt.

Wohl nicht zuletzt mit Blick auf die wachsende Unruhe in der Bevölkerung war Ministerpräsident Stefan Löfven am Montagabend nach Mölndal gereist. Am Ort des tödlichen Geschehens bekundete er nicht nur Trauer um das Opfer, sondern auch Verständnis für die Sorgen vieler Schweden. Viele fühlten "große Angst, dass es weitere solche Fälle gibt, da Schweden so viele allein reisende Jugendliche aufnimmt", so Löfven.

Ängste zu verstärken, ohne eine Lösung anzubieten, sei allerdings nicht Aufgabe eines Regierungschefs, heißt es in Zeitungskommentaren. Der rapide Absturz der Sympathiewerte für Löfvens Sozialdemokraten sei wohl nicht zuletzt just dem Eindruck großer Ratlosigkeit geschuldet. (Anne Rentzsch, 27.1.2016)