Mit dem Smartphone in der Hand oder in der Tasche zu laufen ist nicht jedermanns Sache. Meine ist es – im verbauten, sicheren Gebiet – jedenfalls ganz sicher nicht. Und Elite- oder Spitzenläufer wie Lemawork Ketema (der zweimalige World-Run-Gesamtsieger) und World-Run-Deutschland-Sieger Florian Neuschwander sind in der Regel auch handylos unterwegs.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber: Manchmal macht man dann eine Ausnahme. Etwa wenn die Macher des "Wings for Life"-World-Run Laufblogger und -schreiber nach München bitten, um eine – ihre – Handy-App zu präsentieren. Genau das fand am Samstag statt: In einem Fitnesscenter versammelten sich rund 20 deutsche und fünf österreichische Laufautoren. Aus hierzulande dabei: Edith "Running Zuschi" Zuschmann, Werner "Running Schritti" Schrittwieser, Lena Hofmann und die Tiroler Newcomerin "Tina Fitness".

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Den "World Run" hier vorzustellen ist ein bisserl, wie Eulen nach Athen zu tragen: An dem mittlerweile größten Charity-Run der Welt nahmen im Vorjahr weltweit mehr als 100.000 Menschen teil. Man sammelte rund 4,7 Millionen Euro für die Rückenmarkforschung – und lenkte so nebenbei auch eine Menge Aufmerksamkeit auf die immer noch unheilbare Querschnittlähmung: Jedes Jahr, erklärte der vor zwölf Jahren verunglückte Extremsportler Wolfgang Illek, kommen weltweit 250.000 neue Patienten hinzu. Und im Gegensatz zu ihm – Illek verunglückte bei einem Mountainbikerennen und fällt somit als Extremsportler unter jene Gruppe, die etwa fünf Prozent der Fälle ausmacht – verunglücken weit mehr als 50 Prozent der Betroffenen bei Alltags- und Verkehrsunfällen: "Es kann jeden treffen. Du musst nur zur falschen Zeit am falschen Ort sein."

Foto: Thomas Rottenberg

Der Modus des Laufes – hinter dem, das ist kein Geheimnis, Red Bull steht – ist einfach erklärt und hochkomplex umgesetzt: Bei 34 Läufen in insgesamt 33 Ländern (in den USA gibt es zwei Events) starten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer exakt zur gleichen Zeit – und laufen dann nicht auf ein Ziel zu, sondern vor der Ziellinie davon.

Foto: Red Bull Content Pool

So, erläuterte Racedirektor Thomas Smogawetz, ist nicht nur der Ausgang des Rennens komplett ungewiss, sondern auch die Strecke, die der Sieger und die Siegerin zurücklegen werden: 30 Minuten nach den Läuferinnen und Läufern starten sogenannte Catcher Cars und nehmen die Verfolgung der Läufer auf: Im Vorjahr legte Lemawork Ketema beim St. Pöltener Event 79,9 Kilometer zurück – und ärgert sich bis heute, dass er die 80-Kilometer-Marke nicht geknackt hat.

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Freilich: Die große Masse der Läufer kommt bei weitem nicht so weit: Die Catcher Cars fahren ein Tempo, das dazu führt, dass nach 21 Kilometern – also der Habmarathondistanz – gut die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer überholt ist. "Wenn man mit einer Pace von 3’30" läuft, bekommen wir ein Problem: Dann kommt man nämlich weiter als 100 Kilometer – und wir haben die Strecken nur über jeweils diese Distanz gesperrt", erklärte Thomas Smogawetz. Nachsatz: "Aber wir gehen davon aus, dass diese Grenze in den nächsten Jahren fallen wird." Ob es heuer – am 8. Mai – so weit sein wird, kann aber niemand vorhersagen.

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Trotz des "globalen" Modus schafft es aber nicht jeder, der (oder die) will, an einem der 34 Läufe teilzunehmen. Also bastelten die Wings-Menschen eine App. Die heißt ein wenig irreführend Selfie-App, hat aber nix mit Fotos zu tun: Mit der "Wings for Life World Run – Selfie Run App" kann man den Worldrun simulieren. Für sich. Jederzeit, überall – und immer wieder. Und natürlich wird man auch gebeten zu spenden. Ebenfalls jedes Mal. Und das ist eine gute Sache: Man kann schließlich nicht nur am 8. Mai für die laufen, die es selbst nicht können.

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Und so trabten wir dann eben in München los. Lemawork Ketema, Worldrun-Deutschland-Sieger Florian Neuschwander und ein buntes Rudel aus Bloggern. Eigentlich hätten wir ja in der großen Gruppe laufen sollen – aber weil das, was für Spitzenläufer noch nicht einmal Aufwärmen ist, für das Gros der "Normalos" schon als intensiver Tempolauf gilt, riss das Feld recht rasch auseinander. Und musste dann – trotz der ausnahmsweise mitgeführten Handys ein bisserl mühsam – wieder zusammengeführt werden: Schließlich wollten und sollten ja auch die langsameren Läuferinnen zu ihren Fotos mit den Superstars kommen. Aber: Die Übung gelang dann doch noch.

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Freilich: Auch wenn wir da den Worldrun simulierten, hätten die Catcher Cars uns an diesem Abend nicht eingeholt: Derartige Präsentationsläufe dauern in der Regel nicht ewig. Bei mir waren es 37 Minuten – und damit war ich ohnehin schon in der Gruppe der Weit- und Langläufer: Die Herren Ketema und Neuschwandner hatten nämlich den ortskundigen Guide recht bald abgehängt – und so verfehlten wird die Abzweigung zurück zum Ausgansgpunkt natürlich souverän. Macht aber auch nix. :-)

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Ach ja: Natürlich habe ich Smogawetz nach der Strecke, die man heuer, am 8. Mai, in Wien in Angriff nehmen wird, gefragt. Allein: So wirklich fix ist die halt noch nicht – auch wenn der grobe Rahmen in etwa so aussehen dürfte, dass man vor dem Schloss Schönbrunn startet, dann die Hadikgasse stadtauswärts läuft, bei Ober St. Veit (oder einer anderen Brücke) den Schwenk zurück in die Stadt macht und dann bei Schönbrunn zum Technischen Museum hinauf abbiegt. Mariahilfer Straße, Ring und Kai dürften dann – schon wegen der Stadtbilder – folgen, danach geht es aller Voraussicht nach über Schüttelstraße und Rotundenallee in den Prater. Bei Praterstern oder Reichsbrücke dürfte in etwa die Halbmarathondistanz erreicht sein: Das ist wichtig, weil so die große Masse der Teilnehmer und Teilnehmerinnen gut und bequem zum Start zurückfindet.

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Ab der Reichsbrücke soll es dann donauinselaufwärts gehen, beim Einlaufbauwerk am linken Donauufer weiter über Korneuburg und Greifenstein bis Tulln. Von dort über die Donaubrücke dann ans andere Ufer – und zurück nach Wien: Die "magische" 80-Kilometer-Marke dürfte also irgendwo in der Gegend von Tulln liegen. Die 100-Kilometer-Marke bei oder nach Klosterneuburg. Dass eine der Marken in Wien fallen wird, ist aber eher unwahrscheinlich: Lemawork Ketema wird – wenn es seine Verletzungen und sein Rennkalender zulassen –, wenn, dann in München antreten. Florian Neuschwandner betonte, dass er das "super fände. Weil man sich bei so einem Duell natürlich gegenseitig anstachelt: Die 80-Kilometer-Marke sollte möglich sein."

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Eine Frage blieb allerdings offen: ob der Rekord auch dann gültig wäre, wenn er von einem App-Läufer (oder einer App-Läuferin) und nicht beim "offiziellen" Event gebrochen würde. Aber das ist wohl eine rein akademisch-theoretische Frage. Schließlich geht es um etwas anderes: das Laufen für die, die es nicht können. (Thomas Rottenberg, 28.1.2016)

Mehr Bilder und Impressionen aus München gibt es unter derrottenberg.com.

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