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Nachhaltige Landwirtschaft boomt in Italien. Bei einigen Olivenprodukten ist das Land europaweit Marktführer.

Foto: AP/Domenico Stinellis

Italien hat im Süden ein massives Müllproblem. Viele Tonnen an Giftmüll wurden innerhalb weniger Jahrzehnte von der Mafia illegal im Boden entsorgt. Dennoch wäre es falsch, mit dem Finger auf das Land zu zeigen: Denn Italien ist in vielen Bereichen nicht mehr Europas Umweltnachzügler par excellence. Das Land avancierte zum Musterknaben der nachhaltigen Wirtschaft. Laut einer Veröffentlichung der Stiftung Symbola ("L'Italia in 10 selfie 2016") sind Italiens Unternehmen "grüner" als alle anderen europäischen Betriebe: Sie bauen ihren Abfall effizienter ab, sie investieren mehr in Umwelttechnologien und sind europaweit führend bei erneuerbaren Energien.

"Grüne" Arbeitsplätze

"Die Regierung ist überzeugt, dass in der Green Economy noch ein großes Potenzial steckt. Sie wurde 2015 zum Schrittmacher der Wirtschaftserholung", sagte Silvio Vela, Staatssekretär des Umweltministeriums, erst kürzlich bei der Präsentation des Egrejob-Projekt ("Euro-Mediterranean green jobs") in Florenz. Allein rund um Florenz wurden demnach im Vorjahr 4000 neue, "grüne" Arbeitsplätze geschaffen.

Tatsache ist, dass die nach ökologischer Nachhaltigkeit – mit wirtschaftlicher Profitabilität verbunden – ausgerichtete Green Economy in Italien derzeit einen Boom erlebt. Allein 2015 haben 120.000 Unternehmen in Nachhaltigkeit investiert, um Energien zu sparen und die CO2-Emissionen zu verringern. Das sind 36 Prozent mehr als im Vorjahres-vergleich. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Green Economy einen Umsatz von 102 Milliarden Euro. Insgesamt beschäftigt die Branche 2,9 Millionen Arbeitnehmer. Allein 2015 wurden in der Green Economy 294.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. 372.000 Unternehmen haben in den vergangenen sieben Jahren in grüne Technologien investiert.

"Grün" lohnt sich für Firmen

Offensichtlich lohnt es sich: Denn wie aus der Symbola-Untersuchung hervorgeht, nutzen Industrieunternehmen mit einem hohen Anteil von Umweltinvestitionen beachtliche Exportvorteile: Sie exportieren im Schnitt 43 Prozent ihres Umsatzes gegenüber 25 Prozent Exportanteil im Landesschnitt.

Im Bereich der Abfallverwertung kommt dem Land laut der Untersuchung noch vor Deutschland die Vormachtstellung zu: 2015 haben Industriefirmen hier 25 Millionen Tonnen Abfall verwertet, was die CO2-Emissionen um 55 Millionen Tonnen reduzierte. Vergleichsweise werden im Industrieland Deutschland nur 23 Millionen Tonnen Abfall wiederverwertet.

Das größte Wachstum erzielt die Green Economy derzeit in der Agrarnahrungsmittelindustrie. Italien ist mit 89 Agrarnahrungsmittelprodukten Weltmarktführer. Davon kennen 27 keine Rivalen auf dem Weltmarkt. Von der Pasta bis zur Tomatensauce, vom Olivenöl Extra Vergine bis zum Aceto balsamico, von Biowein bis zum Mozzarella – die "Mittelmeerdiät" hat sich zum Erfolgshit entwickelt.

Import-Quote halbiert

Auch erneuerbare Energien boomen: Die Tatsache, dass das an Rohstoffen arme Italien noch vor wenigen Jahren 80 Prozent seines Energiebedarfs importierte und inzwischen diese Quote halbierte, zeigt die wachsende Bedeutung erneuerbarer Energien. Nachdem sich das Land 1987 mittels einer Volksabstimmung gegen den Einsatz von nuklearer Energie entschied und auch die folgenden Versuche der Regierung Berlusconi scheiterten, Atomenergie wieder salonfähig zu machen, ist Italien auf erneuerbare Energien umgestiegen. Dadurch wurde der Start für eine nachhaltige Energiepolitik gesetzt. Erneuerbare Energien decken inzwischen knapp die Hälfte der eigenen Produktion. Im Jahr 2014 hatten sie einen Anteil von 17,1 Prozent des Inlandbedarfs. Damit haben sie das von der EU empfohlene Ziel, bis 2020 den gesamten Energiebedarf bis zu 17 Prozent mit erneuerbarer Energie zu decken, bereits erreicht.

Zweifellos hat sich das Umweltbewusstsein in Italien später entwickelt als in anderen EU-Staaten. Insofern herrschte in den vergangenen Jahren Nachholbedarf. Aber große Events, wie etwa die Weltausstellung in Mailand oder die Klimaschutzkonferenz in Paris, haben der Green Economy Impulse verliehen. Aber Nachhaltigkeit ist derzeit nicht nur politisch in Mode: Die Umweltenzyklika von Papst Franziskus hat dem Thema im katholischen Land eine moralische Priorität eingeräumt. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, 28.1.2016)