Othello (Tino Führer) als solider Heerführer in Treuepanik.

Foto: Bettina Frenzel

Wien – Eine dunkle Hautfarbe gilt in einer weißen Gesellschaft als Merkmal. Umgekehrt ebenso. Rassismen ziehen erst dann in die Erzählung ein, wenn mit dem Aussehen wertende Zuschreibungen verbunden werden. Othello als "Neger" zu bezeichnen, wie es Wolf Graf von Baudissin (1789- 1878) in seiner Übersetzung des 1622 erstmals veröffentlichen Shakespeare-Stücks tat, enthält bereits einen despektierlichen Ton. Auch wurden Mauren – und nichts anderes meint in Shakespeares Text die Bezeichnung "Mohr" – damals durchwegs negativ gezeichnet.

Othello, der afrikanische General, vereint bei Shakespeare allerdings alle Eigenschaften eines Edelmannes auf sich, er gilt als exzellenter Feldherr, allen überlegen. Regisseur Bruno Max spart in seiner Bearbeitung der Baudissin-Übersetzung rassistische Begriffe nicht aus. Bei jedem Mal "Neger" erstarrt man im Publikum. Es beschwert sich hier Jago (Alexander Rossi) gar darüber, nur "der Fähnrich seiner Niggerschaft" zu sein.

Einerseits steht diese Inszenierung aufrecht im Raum, als hätte es im Fall Othellos nie eine Darstellungsfrage gegeben. Andererseits legt sie vor allem sprachlich Motive und Erbärmlichkeit des Rassismus schnurgerade offen.

Tino Führer, in Hamburg geboren, dunkle Hautfarbe, markiert wie alle Herren dieses Stücks den Macker. Mit Grandezza reißt er Cassio (Roman Binder) soldatisch enttäuscht die Leutnantssterne von der Schulter. Wenn auch in kriegerischen Fragen klug, so lässt sich dieser Muskelmann in Sachen Liebe doch erschreckend schnell verschaukeln. Jago macht ihn glauben, die junge Gemahlin Desdemona (Selina Ströbele) hätte sich mit Cassio eingelassen.

Überraschend unbedarft rückt Bruno Max die beiden Frauenfiguren ins Bild (weiters Christina Saginth als Emilia). Sie wissen im Heerlager auf Zypern nichts zu tun, als im Liegestuhl zu weilen. Gefühl und Moral sind ihre Kernkompetenzen; Othellos Unleidlichkeit schreiben sie "irgendwelchen Staatsgeschäften" zu.

An Stereotypien mangelt es aber auch den Herrschaften nicht. Sie balgen sich wie Buben in der Schule und stehen in einer ganz dem Realismus verpflichteten Bühne (Marcus Ganser & Bruno Max) stramm unter den im Wind des Helikopter-Wirbels wehenden Palmblättern. Hier widerspricht sich das Bild eines zwar im Heute angesiedelten Stücks (Computerbilder, Handys sind im Einsatz) mit der Promotion angegrauter Rollenbilder. Schade, zumal das Vom-Blatt-Spielen inklusive aller politischer Unkorrektheit beißende Klarheit erzielt. (Margarete Affenzeller, 25.1.2016)