Hans Peter Doskozil im Café Blaustern: "Bitte keine Wortspiele." Der designierte Minister sieht sich nicht als Rechtsverbinder, wie er sagt.

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"Man könnte zum Beispiel die Hercules-Transportmaschinen des Heeres verwenden. Wenn das Innenministerium das anfordert, werden wir das im Generalstab prüfen."

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"Ich stehe zur Vereinbarung, die wir mit der ÖVP geschlossen haben. Darin ist von einem 'Richtwert' die Rede, von nichts anderem."

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"Ich kann es nicht verantworten, dass ein Soldat an der Grenze einen Amtsmissbrauch begeht. Das sind alles Vollzugsbeamte, für sie gilt das Strafrecht."

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"Ich habe für ein Berufsheer gestimmt. Es gibt aber einen klaren Volksentscheid für die Wehrpflicht, deshalb brauchen wir das jetzt nicht zu diskutieren."

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"Das ist jetzt einmal eine politische Vereinbarung, damit man auch klar signalisiert, in welche Richtung es gehen soll. Das ist auch ein Signal an die Nachbarländer, an Europa."

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Der designierte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) bietet im STANDARD-Gespräch für Abschiebungen von Asylwerbern mit negativem Bescheid Unterstützung an – und zwar mit den Hercules-Transportmaschinen des Heeres: "Wenn das Innenministerium das anfordert, werden wir das im Generalstab prüfen", kündigt er an, sagt aber: "Wir wollen dort niemanden unwürdig reinpferchen."

Bei anhaltendem Flüchtlingsandrang hält Doskozil an der Südgrenze einen Assistenzeinsatz des Militärs wie einst im Burgenland für möglich – auch mit Rekruten: Damals "hatten wir Grundwehrdiener mit Bewaffnung im Dienst – und die hatten auch polizeiliche Befugnisse".

STANDARD: Hat das einen speziellen Grund, dass Sie uns ausgerechnet ins Café Blaustern bestellt haben?

Doskozil: Das ist reiner Zufall. Mit dem Namen des Treffpunkts verbinden wir nichts Hintergründiges. Ich war nur gerade in der Nähe. Also bitte keine Wortspiele.

STANDARD: Warum tun Sie sich den Job als Verteidigungsminister an? Sie können in der Asylmisere kaum punkten: Für die Linken wird Ihr Vorgehen immer zu strikt, für die Rechten zu liberal sein – und im Ressort selbst müssen Sie einen rigiden Sparkurs vertreten.

Doskozil: Mich reizen das Ministeramt und die Politik – und ich will da auch nicht in Sicherheit eingebettet bis zur Pension ein Rückkehrrecht bei der Polizei haben.

STANDARD: Noch nicht einmal angelobt, liegen Sie schon im Clinch mit der ÖVP. Sie halten ein Überschreiten der heurigen Flüchtlingsobergrenze von 37.500 für möglich, der Koalitionspartner will den 37.501. Asylwerber abweisen. Welchen Befehl werden Sie den Soldaten an der Grenze geben?

Doskozil: Ich stehe zur Vereinbarung, die wir mit der ÖVP geschlossen haben. Darin ist von einem "Richtwert" die Rede, von nichts anderem. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat selbst klargestellt, dass ab dem 37.501. Asylwerber die Leute zwar im Land sind, ihre Asylanträge aber nicht bearbeitet werden. Die müssen warten.

STANDARD: Die ÖVP will aber, dass der 37.501. Flüchtling gar nicht ins Land kommt und dass ihm die Einreise verwehrt wird. Was bedeutet das für das Militär dort?

Doskozil: Für mich ist das Wichtigste an unserer Vereinbarung, dass wir dabei rechtsstaatlich vorgehen. Ich kann es nicht verantworten, dass ein Soldat an der Grenze einen Amtsmissbrauch begeht. Das sind alles Vollzugsbeamte, für sie gilt das Strafrecht, sie sind nicht immun. Bei Zurückweisungen werden wir alles, was rechtlich möglich ist, ausreizen, aber die Rechtsstaatlichkeit ist bei dem noch zu prüfenden Vorgehen oberste Prämisse.

STANDARD: Heißt das jetzt, jeder, der an der Grenze steht und um Asyl ansucht, hat weiterhin ein Recht auf ein Verfahren?

Doskozil: Wenn die Person auf österreichischem Staatsgebiet einen Antrag stellt, ja. Dann muss über den Antrag entschieden werden. Aber man kann die Flüchtlinge auch an der Grenze abweisen, wie beim früheren langjährigen Assistenzeinsatz im Burgenland.

STANDARD: Sie schließen eine Rückkehr zu dieser Art von Assistenzeinsatz nicht aus? Da würde dann das Heer wieder mit Sturmgewehren an der Grenze patrouillieren.

Doskozil: Auch jetzt schon ist Schengen de facto außer Kraft gesetzt, indem wir im steirischen Spielfeld eine Kontrollsituation haben. Die Ausweitung des Assistenzeinsatzes im Süden hängt von den Notwendigkeiten ab. Jetzt gibt es ein neues Einreiseregime, man muss schauen, wie sich das in Spielfeld bewährt. Wenn es dort massive Ausweichbewegungen in die grüne Fläche entlang der Grenze gibt, dann kann ich mir vorstellen, dass man über Maßnahmen wie damals im Burgenland reden muss, natürlich.

STANDARD: Muss womöglich der Zaun in Spielfeld auch noch verlängert werden – bis nach Kärnten?

Doskozil: Ausschließen will ich nichts, was rechtlich möglich ist. Aber für einen Zaun wie in Ungarn bin ich nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich da keinen Bedarf. Wichtig ist, dass kontrolliert wird und dass jene Menschen, die am Ende des Verfahrens einen negativen Asylbescheid haben und eine Ausweisungsentscheidung bekommen, in ihr Heimatland zurückgebracht werden.

STANDARD: Soll das Bundesheer tatsächlich auch bei Abschiebungen behilflich sein? Das ist doch eine klassische Aufgabe der Exekutive.

Doskozil: Die Kernkompetenz liegt freilich bei der Fremdenpolizei im Innenministerium. Aber wenn mir der Generalstab sagt, dass wir dazu in der Lage sind, dann bin ich dafür, die Polizei zu unterstützen. Denn das Staatsgefüge wurde aus der Balance gebracht, auch weil wir oft kein geordnetes Fremdenrecht mehr exekutieren.

STANDARD: Was sollen Soldaten bei Abschiebungen machen? Die Flüchtlinge in die Flugzeuge setzen?

Doskozil: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wir haben verschiedene Ressourcen: Man könnte zum Beispiel die Hercules-Transportmaschinen des Heeres verwenden. Wenn das Innenministerium das anfordert, werden wir das im Generalstab prüfen. Auch bei der Begleitung der Abzuschiebenden hätten wir personelle Ressourcen, auch Assistenz bei der medizinischen Betreuung kann ich mir vorstellen.

STANDARD: Ihnen ist schon klar, dass die FPÖ Abschiebungen mit den Hercules-Maschinen gefordert hat? Wollen Sie die rote Flanke zu den Blauen abdecken?

Doskozil: Nein, ich will keine Flanke abdecken, und bin auch kein Rechtsverbinder.

STANDARD: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und eine FPÖ-Abgeordnete haben diese Art der Abschiebung gefordert, weil die Menschen in solchen Flugzeugen so laut schreien und sich "anurinieren" können, wie sie wollen.

Doskozil: Darum geht es nicht. Wir wollen Unterstützung anbieten. Es geht um die Betreuung der Menschen, wir wollen dort niemanden unwürdig reinpferchen, das widerspricht meinem humanistischen Zugang.

STANDARD: Die militärische Führung hat bisher davor gewarnt, Grundwehrdiener an die Grenze zu schicken. Aber Sie trauen einen solchen Einsatz Achtzehnjährigen sehr wohl zu?

Doskozil: Wir hatten bereits beim Assistenzeinsatz an der burgenländischen Grenze Grundwehrdiener mit Bewaffnung im Dienst – und die hatten auch polizeiliche Befugnisse. Die Kernfrage an der Grenze wird in Zukunft die Durchhaltefähigkeit der Mannschaft sein. Wenn man 500 Leute täglich im Einsatz haben will, braucht man mindestens das Dreifache an Personal. Das Innenministerium bildet derzeit auch Leute in nur wenigen Monaten aus und schickt sie an die Grenze. Deswegen werde ich mit den Verantwortlichen im Heer diese Frage noch einmal diskutieren: In welcher Rolle können wir Grundwehrdiener dort einsetzen? Ich kenne die Meinung des Generalstabs, aber es gibt jetzt andere Notwendigkeiten.

STANDARD: Wie haben Sie bei der Volksabstimmung vor drei Jahren abgestimmt: pro Wehrpflicht oder pro Berufsheer?

Doskozil: Ich habe für ein Berufsheer gestimmt. Es gibt aber einen klaren Volksentscheid für die Wehrpflicht, deshalb brauchen wir das jetzt nicht zu diskutieren.

STANDARD: Fünf Parteien wollen mehr Geld für das Bundesheer. Haben Sie schon eine Idee, wo der Sparkurs gelockert werden soll?

Doskozil: Das Budget muss man mit Sicherheit neu beurteilen. Diese Frage muss man auch intensiv in Richtung Finanzministerium stellen. Wenn das Bundesheer in hohem Ausmaß für Assistenzaufgaben herangezogen wird, muss man für Rahmenbedingungen sorgen. Wir müssen die Heeresreform noch einmal überdenken, das steht auch in der Vereinbarung vom Asylgipfel drin.

STANDARD: Ihr Vorgänger Gerald Klug (SPÖ) hat anders als Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP) stets einen Gewalteinsatz an der Grenze ausgeschlossen. Und Sie?

Doskozil: Ein illegaler Grenzübertritt ist ein Verwaltungs-, kein Strafdelkikt. Die Beamten haben stets verhältnismäßig zu reagieren – und dazu stehe ich.

STANDARD: Was heißt das, wenn der Zaun niedergetrampelt wird?

Doskozil: Diese Frage gilt es zu klären, noch bevor die Soldaten entlang der Grenze stehen.

STANDARD: Was tun mit den Wirtschaftsflüchtlingen an der Grenze?

Doskozil: Unser Rechtssystem sieht vor, dass, wenn jemand kontrolliert wird und keinen Asylantrag stellt, man ihn zurückweist. Diese Zurückweisungen passieren jetzt auch.

STANDARD: Die SPÖ war strikt gegen Obergrenzen, jedenfalls der Kanzler. Jetzt gibt es diese Obergrenzen. Wie erklärt man das den Funktionären und Sympathisanten, die Werner Faymann gefolgt sind und jetzt einen anderen Kurs vertreten müssen?

Doskozil: Ich will nicht Wortklauberei betreiben, aber es steht in der Vereinbarung "Richtwert", und das ist ein Auftrag, aber etwas anderes als "Obergrenze". Ich weiß heute nicht, was in drei oder vier Monaten in der Ukraine passieren kann. Wenn ein Krisenherd entsteht, wird man reagieren müssen. Ich kann ehrlicherweise nicht tausendprozentig versprechen, diese Zahl einzuhalten, aber ich kann versprechen, dass wir uns mit aller Kraft bemühen werden.

STANDARD: Glauben Sie nicht, dass die Bevölkerung für dumm verkauft wird, wenn sich der eine Regierungspartner hinstellt und sagt: "Das ist eine Obergrenze", und der andere sagt: "Stimmt nicht, das ist nur ein Richtwert"?

Doskozil: Ich kann mich nur wiederholen. Ich versuche diese Vereinbarung einzuhalten.

STANDARD: Haben Sie Verständnis für die Wiener SPÖ, die zum Teil diese Vereinbarung ablehnt?

Doskozil: Der Wiener Bürgermeister war bei den Verhandlungen dabei und hat die Vereinbarung ebenfalls unterschrieben, also trägt er das mit. Das Rechtsgutachten, das die Regierung in Auftrag gibt, ist eine ganz zentrale Frage bei der weiteren Vorgangsweise. Die Gutachter müssen die Interessen des Staates und die Interessen der Einzelnen abwägen.

STANDARD: Ist das nicht seltsam, wenn die Regierung nach Beschlüssen Gutachten in Auftrag gibt, ob das überhaupt umsetzbar und rechtlich gedeckt ist?

Doskozil: Das ist jetzt einmal eine politische Vereinbarung, damit man auch klar signalisiert, in welche Richtung es gehen soll. Das ist auch ein Signal an die Nachbarländer, an Europa, das muss man auch in diesem Kontext sehen. Es gibt auch einen zeitlichen Faktor: Wir müssen alle wachrütteln – welche Maßnahmen können wir vorbereiten? Wir können es uns nicht mehr leisten, dass wir bis Mai abwarten und schauen, was das Gutachten sagt, und im Juni sind wir wieder bei 100.000 Flüchtlingen. Dann würden uns alle fragen, ob wir geschlafen haben.

STANDARD: Sie waren Büroleiter von Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) in Eisenstadt. Wie gefällt Ihnen denn seine rot-blaue Koalition in Eisenstadt?

Doskozil: Diese Koalition ist eine regionale Angelegenheit. Die kritische Auseinandersetzung darüber innerhalb der SPÖ empfinde ich als positiv. Aber ich bin jetzt auf Bundesebene tätig – und da ist ganz klar: Es gibt keine Koalition mit der FPÖ. (Michael Völker, Nina Weißensteiner, 22.1.2016)