Bosnische Patrioten nennen ihn "bosnisch". In Griechenland wurde der türkische Kaffee in den "Griechischen" umgetauft.

Foto: iStock

Langsam, langsam. Beim Kaffee geht es ums Reden. In Bosnien-Herzegowina unterscheidet man zwischen dem Willkommenskaffee ("docekusa"), der nach dem Eintreten den Gästen serviert wird, dem "razgovorusa" – man könnte "Tratschkaffee" sagen – und dem "sikterusa", der serviert wird, wenn man die Leute loswerden will. Er wird extra dünn zubereitet, damit den Gästen die Lust vergeht, weiter zu quatschen.

Im Osmanischen Reich stand der Kaffee unter Generalverdacht, weil mit seinem Genuss oft politische Diskussionen einhergingen, die der Staat als gefährlich erachtete. Beim Kaffeetratsch ging es etwa um die Korruption eines Pashas oder um Kriege. Diese Gerüchte waren ungeheuer wirkungsvoll – viele konnten ja nicht lesen oder schreiben. Der türkische Kaffee war von Beginn an ein "politisiertes Getränk", wie der Historiker Ali Çaksu erklärt.

Kaffeehäuser verboten

Bereits der Großmufti Mehmed Ebussuud Efendi (1490-1574) erklärte den Kaffee als "haram", also als verboten im Islam. Cafés galten als gefährlicher als Lokale, in denen man Alkohol bekam, als Orte, an denen die Leute viel zu lange sitzen blieben, statt in die Moschee zu gehen. Sultan Murad IV. (1612-1640) ließ das Kaffeehäuser-Verbot streng überwachen und viele sogar niederbrennen.

Wer Kaffee trank, lief Gefahr hingerichtet zu werden. Die Kaffeephobie ging so weit, dass sogar islamische Fatwas gegen das Getränk wegen "Schädlichkeit aus politischen Gründen" erlassen wurden. Doch die Kaffeehäuser wurden immer wieder neu eröffnet und waren ungeheuer beliebt.

Sufi-Riten im Café

Die politische Funktion des Kaffees erreichte ihren Höhepunkt unter den Janitscharen, der Elitetruppe im Osmanischen Heer. Sie besaßen eigene Kaffeehäuser, in denen sie nicht nur ihre Sufi-Riten ausübten, sondern auch mafiöse Aktivitäten ausheckten. Die Kaffeehäuser wurden mit Schutzgelderpressungen betrieben. In den Cafés der Janitscharen wurde aber vor allem Politik betrieben und Rebellionen geplant.

Die Janitscharen konnten Regierungen ändern und sogar den Sultan stürzen. 1826 wurden die Janitscharen-Verbände aufgelöst und mit ihnen ihre Hauptquartiere. Über 10.000 Cafés sollen damals allein in Istanbul zerstört worden sein. Die Verbindung der Janitscharen zu den Bektashi – einem Sufi-Orden – war sehr stark. Manche behaupten sogar, dass die Cafés wie Bektahsi-Klöster funktionierten, jedenfalls wurden Bektashi-Hymnen gesungen. Ebu' l Hasan Nuruddin al-Shazali, Gründer des Sufi-Ordens Shazaliyya, gilt bis heute als Schutzpatron der Kaffeehausbesitzer.

In den Derwisch-Klöstern war der Kaffee Teil der Rituale. "Denn die Derwische konnten damit länger wach bleiben", erklärt Çaksu. Es gab Rituale, bei denen sie die Kaffeeschale umkreisten. Am Kaffee selbst wurde genippt, dann wurde er im Kreis weiter gereicht. Auch diese Art des Teilens schien manchen verdächtig. In Europa wurde das dunkle Getränk misstrauisch aufgenommen.

"Dieses Teufelsgetränk ist köstlich"

Mark Twain nannte den Kaffee ein "unchristliches Getränk". Andere sprachen von einem Satansgebräu. Sie dachten, der Kaffee sei das Gegenstück zum Wein, der in christlichen Ritualen verwendet wurde, und den Muslime wegen des Alkohols ja nicht trinken durften. Papst Clemens VIII. (1536-1605) sollte den Kaffee verbieten, aber er bestand darauf, ihn zunächst zu kosten. Und offensichtlich mundete er ihm. Laut einer Legende soll er im Jahr 1600 gesagt haben: "Dieses Teufelsgetränk ist köstlich. Wir sollten den Teufel betrügen, in dem wir es taufen." Nachdem der Kaffee so "christianisiert" wurde, etablierte er sich schnell in Europa.

Das erste Kaffeehaus öffnete 1652 in Oxford. Etwa zur gleichen Zeit wurde der Koran erstmals ins Englische übersetzt. Beides führte zu einer Debatte über die Gefahren einer "Islamisierung" des Landes. Mehr als hundert Jahre später warnte Komponist Karl Gottlieb Hering (1766-1853) noch Kinder vor dem "Türkentrank", der "schwach und krank" machen würde. In einem Lied heißt es: "Sei doch kein Muselmann, der ihn nicht lassen kann."

Turkiko und Eleniko

Der Kaffee verbreitete sich trotzdem rasant. Nicht überall wurde er unter dem Namen "türkisch" getrunken, manche nannten ihn einfach "Hauskaffee" oder "lokaler Kaffee". Der Name "türkischer Kaffee" wurde im 20. Jahrhundert zu einer politischen Frage. In Griechenland wurde er nach dem Zypern-Krieg 1974 von "Turkiko" in "Eleniko" (der "Griechische") umgetauft. Die Umbenennung begann aber bereits nach dem Ausbruch des Konflikts 1955.

In Bosnien-Herzegowina wurde der Kaffee nach dem Krieg (1992-1995) aus anderen Gründen zum "bosnischen Kaffee". Es ging nicht um die Ablehnung der osmanischen Vergangenheit, sondern darum, dass dem neuen Staat Legitimität verschafft werden sollte. Der Kaffee wurde zum Symbol für nationale Identität für jene Bosnier, die den bosnischen Staat unterstützten. Viele bosnische Serben nennen den Kaffee heute einfach "Hauskaffee".

Der "bosanska kafa" unterscheidet sich ein wenig vom "turska kafa". Auf dem Balkan ist das Wasser bereits heiß, wenn der Kaffee reinkommt – das Ganze dauert etwa drei Minuten. In der Türkei braucht er zehn Minuten. Frauen trinken ihn oft mit Zucker, Männer ohne, junge Leute mit einem halben Zuckerstück. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 24.1.2016)