So stellt man sich den Beginn der "privilegirten oesterreichischen National-Bank" vor 200 Jahren vor. Kaiser Franz I. übergibt Graf Stadion das Gründungspatent.

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Die Nationalbank auf dem Otto-Wagner-Platz in Wien: Eine Institution, deren Mitarbeiter ihr Selbstverständnis überdenken und Privilegien abbauen mussten und müssen.

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Er selbst, so sagt er, hat ja erst im Nachhinein davon erfahren. Von der Verwechslung, die ihn in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zu einem bekannten Mann gemacht hat – einem, von dem man heute noch gern erzählt. Ein B wie Berta spielt dafür eine wichtige Rolle; er, ein selbstsicherer Skontist aus der volkswirtschaftlichen Abteilung (Skontisten waren einst Bürodiener); und einer, der nicht dabei war: Andreas Ittner, heute Vizegouverneur der Nationalbank (OeNB).

Erzählt wird die Geschichte, die sich rund um 1995 zutrug, so: Bei einer Sitzung im Parlament sei, nach einem OeNB-internen Zustellungsfehler, statt Bankenaufseher Ittner Skontist Lambert Bittner aufgetaucht. Er habe dort, im Beisein des neuen OeNB-Präsidenten Klaus Liebscher, beredt zu Notenbank-Themen gesprochen. Tags darauf habe ihn sein Abteilungschef gerügt, "wie ich denn im Namen des Hauses sprechen könne", erinnert sich Bittner, heute 75 und überzeugt, dass die Einladung auf seinen Namen gelautet hatte.

"Da erkannte ich, dass man mich verwechselt hatte, obwohl ich mich mit ,Bittner aus der Nationalbank' vorgestellt habe." An Wissen habe es ihm nicht gefehlt: "Ich las die Unterlagen, die ich kopieren musste, und habe mich in der Fachbibliothek weitergebildet." 20 Jahre war "B-Punkt-Ittner", wie man ihn fortan oft nannte, in der OeNB, davor 26 Jahre lang Friseur gewesen.

Institution und Biotop

Eine von vielen Anekdoten aus der Nationalbank, die am 1. Juni 200 Jahre alt wird und das Jubiläum gebührend feiern wird. Und die sich als altehrwürdige Institution ebenso beschreiben lässt wie als buntes Biotop.

Ein mächtiger Monopolbetrieb, in dem fast zwei Jahrhunderte lang Geld- und Währungspolitik gemacht wurde. Ein Monopolbetrieb, in dem Geld gedruckt wird, in dem Geld gemünzt wird, der die Gold- und Devisenreserven des Landes hält und dessen Präsidenten bzw. Gouverneure zu den Einflussreichen des Landes gehören. Ein Unternehmen, dessen Mitarbeiter – ob sie nun Ökonomen sind oder gelernte Friseure, Fotografen, Schiffsbauer, Theologen oder Meteorologen (sic) – ein gesundes Selbstbewusstsein haben.

"Wir sind in vielen Bereichen wie Banknotendruck, Zahlungsverkehr oder Volkswirtschaft sehr, sehr, sehr gut", sagt der Pressesprecher des Hauses, Christian Gutlederer. "Wir zählen uns da zu den Besten dieser Republik."

Ein klitzekleinwenig klingt das nach Beruhigung. Denn die Rolle der Nationalbank, deren Gouverneur seit Herbst 2008 Ewald Nowotny ist, hat sich vor allem durch den Euro und den Beitritt Österreichs ins Eurosystem grundlegend verändert: Geldpolitik findet nicht mehr am Wiener Otto-Wagner-Platz statt (währungspolitisch war der Schilling zuletzt sowieso an die Mark gebunden), sondern in Frankfurt. Beim Rat der Europäischen Zentralbank, dessen Mitglied Nowotny als nationaler Notenbankchef ist.

Zwar meint der ehemalige Gouverneur Liebscher, die "kleine OeNB" habe unter dem Dach des Eurosystems eine "absolute Aufwertung in Europa erfahren, da jedes Euromitglied gleiches Gewicht hat, egal, wie groß es ist". Aber: Ansehen und Bild der Notenbanker haben sich dadurch sehr wohl verändert. Allein die Tatsache, dass Bedeutung und Stellung der Nationalbank öffentlich hinterfragt wurden, war neu für die selbstbewussten Banker. Und schmerzhaft. Sie mussten bzw. müssen sich ein neues Selbstverständnis erarbeiten – und das in einem immer schwieriger werdenden Umfeld.

Es wird kälter

Denn nicht nur außen wurde es kälter für die Nationalbanker, sondern auch drinnen. Dienstrechtsreformen, gegen die sich die Betriebsräte stets heftig wehrten, brachten niedrigere Einkommen, Pensionen und Sozialleistungen mit sich, die Notenbank landet in der Realität.

Mittlerweile gibt es fünf Dienstrechte (DB 1 bis 5) in der Bank, das jüngste gilt seit 2011 und ist beinah ident mit dem ASVG. Dass die Reformen der Bank, die mit exzellenten Gehaltskonditionen einerseits und Mentalität und Absicherung des öffentlichen Diensts andererseits "versucht hatte, sich das Beste aus beiden Welten zu nehmen" (ein Notenbanker), von außen eingemahnt und beobachtet wird, freut die Banker nicht.

OeNB-Zentralbetriebsratschef Robert Kocmich: "Unsere Mitarbeiter haben privatrechtliche Einzelverträge. Eingriffe müssen daher verhandelt werden, man kann nicht jedem alles streichen. Wir führen unsere Reformen in kleinen Schritten durch – aber bei uns passiert das alles öffentlich. Das ist bedauerlich, das wollen und brauchen wir nicht."

Kein Wunder – das "Wir" ist auch lange gewachsen und gediehen. Hat eine wechselvolle, zwei Jahrhunderte alte Geschichte hinter sich, die uns "zu einer Familie zusammengeschweißt hat", wie ein Notenbanker im Ruhestand erzählt. Auch der frühere OeNB-Generaldirektor und Vizepräsident, Heinz Kienzl (1973 bis 1993 in der Bank und davor volkswirtschaftlicher Referent des ÖGB), sieht das so. Die Notenbanker seien "sehr selbstbewusst gewesen und von Corpsgeist getragen. Die Sozialleistungen haben dazu beigetragen."

Tatsächlich haben attraktive Arbeitsbedingungen und Ruhestandsregelungen die Nationalbank früh zu einem beliebten Arbeitgeber gemacht. Schon 1819 wurde die Betriebspension samt Witwen- und Waisenrente erfunden. Ein Goodie, das sich bis 1998 halten sollte: Erst da wurde die Bankpension (ab dem 55. bzw. 60. Lebensjahr, 85 bzw. 80 Prozent des Letztbezugs) für Neueintretende abgeschafft.

Spitzenpensionen bis 32.000 Euro brutto im Monat brachten 2014 harsche Kritik vom Rechnungshof ein. Die 1167 OeNB-Pensionisten hatten (2012) rund 6271 Euro im Monat verdient und somit mehr als ihre aktiven Kollegen. Die ASVG-Höchstpension: rund 3200 Euro. (Gesetzliche) Einschnitte folgten.

Die Sozialleistungen wurden im Lauf der Geschichte massiv ausgebaut. Ob Betriebsarzt (ab 1823), Bankwohnungen (jüngst verkauft), Sportverein mit allem Drum und Dran vom Schwimmbad bis zum Schießstand (derzeit sind dort Flüchtlinge untergebracht), Kantine (Mittagessen um 1,40 Euro; derzeit wehrt sich der Betriebsrat gegen die vom Direktorium erwünschte Erhöhung auf 3,40 bis 2017), Hitzeferien, Hotels (verkauft; dafür gibt es einen Urlaubszuschuss), Brillen- und Zahnspangenzuschuss oder Freizeitbibliothek samt neuesten DVDs und "Mutzenbacher" im Sortiment: Was einst gute Gründe hatte wie Wohnungsnot oder Hunger nach dem Ersten Weltkrieg, wurde zum Rechtsanspruch. Denn die Goodies sind in Sozialbetriebsvereinbarungen fixiert.

Spaßverderber Haider

Und galten als in Stein gemeißelt – bis, ja, bis in den 1990er-Jahren ein gewisser Jörg Haider aus Kärnten die "Privilegien der Notenbanker" aufs Korn nahm. 1993, unter Notenbank-Chefin Maria Schaumayer, die selbst auf Dienstwägen mit exzellenter Klimaanlage und Alleinfahren im Aufzug Wert legte, setzte es die ersten Einschnitte. Die OeNB-Chefs, die mitunter mehr als ihre US-Amtskollegen verdient hatten, mussten auf Gehalt verzichten, die Bankpension erfuhr erste Reduktionen. "Ab damals ist man auf Druck von außen in die Knie gegangen, das hat das Milieu zerstört ", kritisiert Heinz Kienzl.

Noch heute ringt das Direktorium mit dem Betriebsrat um weitere Einsparungen. Der jüngste Vorschlag der Belegschaftsvertreter (35-Stunden-Woche gegen Einsparungen) hat Direktorium wie Notenbankpräsidium unter Klaus Raidl (ÖVP) und Max Kothbauer (SPÖ) empört.

Die exklusiven Aufgaben der Notenbanker, die sie unter privilegierten Rahmenbedingungen erledigten und heute unter großem Zeitdruck und in einem internationalen Umfeld, haben die OeNB jedenfalls zu einem exklusiven Klub gemacht. So entstand (auch) ein Biotop, in dem allerlei seltsame Blüten gediehen.

Hier die Nationalbank mit ihren Beamten wie Revidenten, Kontrolloren und Inspektoren, da die Geldruckerei unter ihrem mächtigen Direktor und mit ihren hochqualifizierten Spezialisten sowie Unter- und Oberfaktoren (Arbeiter). Die bewirkten letztlich, dass der OeNB-Betriebsrat von Schwarz auf Rot drehte. Solange die Druckerei im Haus war, legte man auf Trennung der Kulturen größten Wert: Da gab es die Beamtenstiege, da die Arbeiterstiege; da den Sparverein Beamte, da den Sparverein Grafik. Rot-schwarz-kariert, das war die OeNB ab 1961.

Damals beendeten OeNB-Präsident Reinhard Kamitz (ÖVP) und Vizepräsident Andreas Korp (SPÖ) die anhaltenden Querelen über Postenbesetzungen nach einer Weltbank-Tagung in Washington im Flieger über Honolulu. Vom Portier bis zum Topbanker wurden die Posten auf Schwarze und Rote verteilt. Längst sei es mit dem "Honolulu-Proporz" vorbei, betont die OeNB-Spitze. Ökonom Alfred Stiglbauer von der unabhängigen Betriebsratsliste "OeNB 2030" sieht es anders. Er ortet "bei Stellenbesetzungen und Beförderungen nach wie vor politischen Einfluss".

Dickhäuter und Polizisten

Zur vollen Blüte brachten einst auch die eigenen Manager den bunten Garten Notenbank. So soll sie in den 1970ern Elefanten in Laxenburg durchgefüttert haben; die Frau eines OeNB-Managers hatte die Dickhäuter aus einer Zirkus-pleite gerettet. Die Geschichte hält sich hartnäckig, der Exbanker dementiert: Ankerbrot habe die Tiere damals mit altem Brot versorgt. Nicht dementiert werden andere Subventionen.

OeNB-Chef Adolf Wala etwa, der die neue Druckerei (OeBS) errichten und die IG Immobilien gründen ließ und Geschäftspartner von Rachat Alijew war, ist auch Präsident der Freunde der Wiener Polizei. Die bekam 2003 als Dank für die Bewachung der Euro-Transporte 16 VW-Polos von der OeNB geschenkt. Das Wachzimmer beim Otto-Wagner-Platz wurde von deren Reinigungspersonal mitgeputzt; das OeNB-Essen soll den Polizisten, als es verrechnet wurde, zu teuer gewesen sein. Anlassbezogen sponserte die OeNB auch Staatsanwälte, damit die zu Meetings ihrer Interessenvertretung reisen konnten.

Natürlich gab's auch Missgeschicke und schwarze Schafe in der Zentralbank. Geschäfte mit einem betrügerischen Geigenhändler etwa, die OeBS-Schmiergeldaffäre, Diebstahl von Banknoten oder Post. Doch darüber reden die Notenbanker nicht so gern: Interna sind Interna sind Interna. Zeit für kakophone Töne ist aber sowieso nicht, die OeNB will jetzt einmal feiern.

Am 3. Juni werden die Philharmoniker ein von der OeNB beim Komponisten Thomas Larcher bestelltes Werk uraufführen. Wie sich so eine Notenbanksymphonie anhört? Das weiß noch niemand. OeNB-Sprecher Gutlederer: "Wir kennen noch keine einzige Note."(Renate Graber, 24.1.2016)