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Extremes Laufen schadet dem Körper eines durchtrainierten Sportlers nicht.

Foto: APA/EPA/OLIVIER MAIRE

Marathonläufer dürfen sich freuen. Eine Begleitforschung zum 4.487 Kilometer langen Transeuropa-Lauf 2009, die jetzt veröffentlicht wurde zeigt, dass Laufbelastungen bei durchtrainierten Sportlern zu keinen dauerhaften Schädigungen am Hirn und in den Gelenken führen.

Ein Team aus Forschern und Medizinern des Universitätsklinikums Ulm hatte die Läufer 2009 mit einem mobilen Kernspingerät begleitet und herausgefunden, dass der Knorpel der Fuß- und Sprunggelenke auch während des Laufens ein erstaunliches Regenerationspotenzial zeigt.

Die Daten der teilnehmenden Extremsportler geben tiefe Einblicke in die Auswirkungen eines Ultramarathons auf den menschlichen Körper. Extremes Laufen führt demnach zu signifikanten Veränderungen im Bereich der grauen Hirnsubstanz. "Die Auswertung der MRT-Aufnahmen zeigte, dass das Volumen der grauen Hirnsubstanz am Ende der gut zwei Monate dauernden Extrembelastung im Durchschnitt um 6,1 Prozent zurückgegangen war. Dabei waren einige Hirnbereiche mehr und andere weniger betroffen", erläutert Projektleiter Uwe Schütz. Doch der Wissenschaftler kann beruhigen: "Nach acht Monaten zeigten erneute MRT-Aufnahmen, dass sich die Hirnsignale der Ultraathleten wieder vollkommen erholt hatten."

Keine dauerhaften Hirnschäden

Zum Vergleich: Im Verlauf natürlicher Alterungsprozesse kommt es durchschnittlich zu einem Rückgang der grauen Hirnsubstanz um 0,2 Prozent pro Jahr. Mediziner sprechen in diesem Fall von einer Atrophie des Gehirns, die unumkehrbar ist. "Und das ist der große Unterschied zu den Teilnehmern des Transeuropa-Laufs", bilanziert Schütz. Es konnten bei den durchtrainierten Extremsportlern keine dauerhaften Hirnschädigungen festgestellt werden.

Das beobachtete Phänomen der vorübergehenden Hirnvolumenreduktion kann nach Meinung von Hirnforschern vor allem dadurch erklärt werden, dass durch das ultralaufbedingte überdurchschnittlich hohe Energiedefizit, mit weitgehendem Aufbrauch relevanter Fettreserven des Körpers, auch das Gehirn versucht Energie einzusparen, und daher die während eines solchen wochenlangen Transkontinentallaufes weniger benötigten Hirnareale vorübergehend "abschaltet".

Das eigentliche Hauptaugenmerk der Forschung lag auf den Auswirkungen auf die Gelenke der 67 Sportler, von denen 45 die Strecke von der süditalienischen Hafenstadt Bari bis zum Nordkap schafften. Aus wissenschaftlicher Sicht wertvoll war die besondere Möglichkeit, die gesamten Veränderungsprozesse in den Körpern lückenlos feststellen zu können. Normalerweise beschränken sich sportmedizinische Studien nämlich auf einen Vorher-Nachher-Befund.

Alle drei bis vier Tage untersuchten die Ulmer Wissenschaftler die Teilnehmer aus zwölf Nationen, die täglich zwischen 44 und 95 Kilometern laufend zurücklegten. Die MRT-Aufnahmen wurden in einem eigens dafür angefertigten, 37 Tonnen schweren Sattelschlepper angefertigt. "Es kam auf den ersten 1.500 Kilometern in allen Gelenken zu einer Zunahme der so genannten T2-gewichteten Signale, darunter ist ein Marker zu verstehen, der eine Störung im Knorpel anzeigt", sagt Schütz.

Was bedeutet die T2-Zunahme?

Die Forscher gehen davon aus, dass aufgrund der Extrembelastung der Verlauf der oberflächlichen Kollagenfasern gestört wurde und durch teilweise Zerstörung von Knorpelmatrixproteinen der Wassergehalt des Knorpels zugenommen hatte. "Im Bereich des Sprunggelenks konnten wir einen T2-Anstieg um 20,9 Prozent, im Knöchel um 25,6 Prozent und im Bereich des Mittelfußes um 26,3 Prozent feststellen", sagt Schütz. Spitzenreiter sei ein Bereich des Kniegelenks (Femorotibialgelenk) mit Werten bis zu 44 Prozent gewesen.

Je mehr Kilometer jedoch im Verlauf des Transeuropa-Laufs zurückgelegt wurden, umso mehr erholte sich der Gelenkknorpel, was eine neue und erstaunliche Beobachtung ist. Lediglich im Kniegelenk blieben die Werte erhöht. "Wir hatten eigentlich erwartet, dass die Fußgelenke auf Dauer anfälliger sind, denn ihre Gelenkfläche ist kleiner, damit ist auch die Belastung pro Flächeneinheit größer", führt Schütz aus. Darüber hinaus sei interessant, dass sich der Durchmesser der Achillesferse vergrößert habe. Knöcherne Strukturen insgesamt seien durch die enormen Belastungen tendenziell nicht in Mitleidenschaft gezogen worden, auch wenn es bei zwei Läufern zu Ermüdungsbrüchen im späteren Rennverlauf kam. (red, 22.1.2016)