Wenn man bedenkt, dass Strache sein Gekreisch bis – vielleicht – 2018 noch kräftig steigern muss, um möglichst viele Wählerinnen und Wähler vom Nachdenken abzuhalten, hat er mit seinem "Staatsfeind" ziemlich hoch gegriffen. Das Publikum, das da angefixt werden soll, erwartet sich Steigerungen, da darf man das Aufputschpulver faschistoiden Ungeistes nicht zu früh verschießen. Was soll danach noch kommen? Die Verleumdung und Verunglimpfung demokratisch legitimierter Politiker – "November-Verbrecher", nur ein Beispiel -, und damit auch demokratischer Institutionen, gehörte zum Mundwerkzeug nationalsozialistischer Propaganda in den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Jörg Haider hat sich davon einiges abgeschaut, und über ihn ist die Tradition auf den FPÖ-Obmann gekommen, der sie zwecks Machtergreifung mit zunehmender Hingabe pflegt.

Warum auch nicht? Man lässt ihn ja. Dass der Bundespräsident zu einem Ordnungsruf ausrücken muss, während der Rest der politischen Gesellschaft sich heilfroh wegduckt, nicht selber getroffen worden zu sein oder durch Protest gar einen Rest von Charakter beweisen zu sollen, zeigt, wie es mit dem Land beschaffen ist, und besonders mit jenen Teilen der SPÖ, die nichts dabei finden, den Verleumdern in den Arm zu sinken.

Dabei hätte Strache das gar nicht nötig, die Regierung agiert ohnehin als sein eifrigster Erfüllungsgehilfe, wie die grandiose Einigung der opportunistischen Erbsenzähler auf die Zahl 37.500 beweist. Keiner mehr, keiner weniger. Nicht dass ihm das genügen wird, aber für den Nachweis des Unvermögens der Koalition, ein schwierigeres, aber keineswegs unüberwindliches Problem mit rationalen und humanen Mitteln zu meistern, reicht es bequem.

Doch Rationalität ist das Letzte, was zu erwarten ist, wenn Asylpolitik nicht als Hilfe für Verfolgte, sondern als Abhilfe Hilfloser gegen populistischen Druck von rechts und als Wahlhilfe im anlaufenden Präsidentschaftswahlkampf gedacht ist. Schon die aus der ÖVP immer lauter tönenden Forderungen nach Obergrenzen hatten mit Rationalität ungefähr so viel zu tun wie die Innenministerin mit Kompetenz. Kein Experte, der etwas davon hielt. Ihre Festschreibung beim Asylgipfel wird daran ebenso wenig ändern wie die Euphemismen, die sie schmackhaft machen sollten: Als Planungsgröße sind sie ein Fanal der Planlosigkeit und als Richtwert der Beweis einer Richtungslosigkeit, mit der die Asylgipfeltouristen an die ohnehin schon niedrig angesetzte Obergrenze ihrer Glaubwürdigkeit gestoßen sind. Strache wird der Erste sein, der es ihnen bestätigt, obwohl sie alles nur getan haben, um ihm zu gefallen.

In diesen Tagen zeigt sich wieder, welch ein innenpolitischer Segen die EU ist. Gewiss, auch sie hat in der Flüchtlingsfrage versagt. Aber auf wen könnten sich heimische Politiker so unbeschwert ausreden wie auf deren Versagen, wenn sie selber versagen, wo es darum geht, ein paar Unterkünfte durchzusetzen. Ihre Asylpolitik soll einer Mindestsicherung nicht humanitärer Werte, sondern von Stimmen bei der nächsten Wahl dienen – eine Rechnung, die sie ohne den blauen Wirt machen. Zumal die SPÖ. (Günter Traxler, 21.1.2016)