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Peter Dahlin wurde verhaftet.

Foto: AP

Von dem schwedischen Menschenrechtsaktivisten Peter Dahlin verlor sich am Abend des 3. Jänner jede Spur. Er war auf dem Weg zum Pekinger Flughafen und wollte nach Thailand. Er kam nie an. Erst nach zehn Tagen sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Dahlin sei festgenommen worden und stehe unter Verdacht, die Staatssicherheit zu gefährden. Am 19. Jänner zeigte das Staatsfernsehen auf Kanal CCTV 13 das erste Lebenszeichen des 35-Jährigen.

In der Sendung kurz vor Mitternacht gestand er, vom Ausland angeworben worden zu sein, um mit bezahlten Menschenrechtskampagnen die Regierung in Verruf zu bringen. Der Schwede sagte weiter, er habe gegen "Chinas Recht verstoßen, Regierung und Volk damit verletzt. Ich bereue das tief." Er könne sich über den Umgang der Polizei mit ihm "nicht beschweren". Er bedankte sich für Medizin und gutes Essen. Und auch dafür, dass er inzwischen von einem schwedischen Diplomaten besucht werden durfte.

"Hanebüchene Vorwürfe"

Dahlin wird in dem wiederholt gezeigten TV-Film und in einer begleitenden Medienkampagne vorgeworfen, Organisator einer großangelegte Verschwörung "antichinesischer Kräfte" gewesen zu sein. Hinter seiner 2009 in Hongkong mitgegründeten Rechtshilfe-Initiative Joint Development Institute und ihrem Pekinger Ableger stünden "sechs westliche NGOs und eine US-Stiftung". Sie hätten mit 1,5 Millionen Dollar ein landesweit geknüpftes Netzwerk mit angeblich 151 Mitarbeitern finanziert.

Absicht sei demnach gewesen, mit konstruierten Menschenrechtsberichten oder Berichten über Zwangsräumungen und Hausenteignungen Chinas Partei und Regierung zu diskreditieren. Er habe eng mit der auf Menschenrechtsfälle spezialisierten Anwaltskanzlei Fengrui zusammengearbeitet, deren Juristen ebenfalls wegen subversiver Aktivitäten angeklagt sind. Freunde, die den gegen soziales Unrecht engagierten Schweden kennen, sprechen von "hanebüchenen Vorwürfen".

Gezielte Aktionen

Doch seit einem Jahr räumt Chinas Partei gezielt unter Menschenrechtsanwälten auf. Nun geht es um die angeblichen ausländischen Hintermänner. China schafft offenbar Präzendenzfälle, um sein umstrittenes, weltweit kritisiertes Kontrollgesetz für Auslands-NGOs auf dem Volkskongress im März endlich verabschieden zu können.

In der Öffentlichkeit regt sich kein Widerspruch gegen die rechtsbeugenden, unter Zwang arrangierten Fernsehgeständnisse, die noch vor der Anklage und ohne Anwaltsschutz aufgenommen werden. Prominente Fälle waren jüngst die Autorin Gao Yu und der Anwalt Pu Zhiqiang, Dahlin ist aber nicht der erste ausländische Fall. Seit Oktober sind fünf Hongkonger Buchhändler um das regierungsgkritische Verlagshaus Mighty Current und den Buchladen Causeway Bay Books verschwunden.

Fragwürdige Gründe

Die beiden wichtigsten Verleger darunter, der 65-jährige Lee Bo (mit britischer Staatsangehörigkeit) und der 51-jährige Gui Minhai (mit schwedischer Staatsangehörigkeit), tauchten plötzlich außerhalb Hongkongs in China auf. Sie verrieten nicht, wie sie dort hinkamen. Lee schrieb seiner Frau per Fax, er halte sich aus "freien Stücken" im benachbarten Shenzhen auf, um den "dortigen Behörden zu helfen". Sie solle daher nicht weiter nach ihm suchen.

Gui wurde vergangenen Sonntag vom Geständnis-Sender CCTV 13 gezeigt. Er sei "freiwillig zurückgekehrt", um sich der Polizei zu stellen, sagte er. Er hätte 2003 in China einen Unfall mit Todesfolge verursacht, sei dann nach Hongkong geflohen. Nun habe ihn die Reue gepackt. Er wolle auch nicht, dass sich Schweden in seinen Fall einmischt. Er sei Chinese und wolle als solcher verurteilt werden.

Solche nicht nachprüfbaren Geständnisse und eine groteske Zensur, die im Dezember zur Ausweisung der französischen China-Korrespondentin Ursula Gauthier führte, beginnt viele Ausländer einzuschüchtern. Westliche Botschaften protestieren. Er hoffe nicht, das das Teil der "neuen Normalität" in China sei, sagte EU-Botschafter Hans Dietmar Schweisgut am Mittwoch auf seiner Jahrespressekonferenz in Peking. "Wir sehen einen besorgniserregenden Trend." (Johnny Erling aus Peking, 20.1.2016)