Wien/Saint Helier – Atrium, Nachfolgegesellschaft der Meinl-Immobilienfirma Meinl European Land (MEL), will sich die in den Niederlanden eingebrachte Sammelklage vom Hals schaffen und hat einem Vergleich zugestimmt. Auch die Meinl Bank ist mit im Boot. Gemeinsam nehmen sie 60 Millionen Euro in die Hand, betroffene Anleger sollen zwischen 1,5 und 70 Prozent ihres Schadens ersetzt bekommen.

Mehr als acht Jahre nach dem beispiellosen MEL-Kurssturz hatte ein Wiener Anwalt im Sommer 2015 ein Sammelverfahren für österreichische Betroffene in den Niederlanden initiiert. Den Umweg über Amsterdam wählte er – wie auch im VW-Skandal –, weil Massenverfahren dort billig und konsumentenfreundlich ablaufen und außerdem Generalvergleiche möglich sind.

Zustimmung zu Generalvergleich

Zu einem solchen haben sich die Streitparteien nun durchgerungen, wie Atrium am Dienstagabend bekanntgab. Im Oktober hatte die Immofirma mit Sitz auf Jersey noch mitgeteilt, dass man die Sammelklage ungerechtfertigt finde und sich wehren wolle. Dieser Meinung ist man immer noch – die geltend gemachten Ansprüche entbehrten jeder Grundlage, hieß es in der Pflichtmitteilung am Dienstag.

Um aber die Altlasten loszuwerden und Zeit und Geld zu sparen, setzt Atrium auf einen Vergleich. Bis zu 32 Millionen Euro nimmt das Management dafür in die Hand, davon sollen bis zu 30 Millionen an geschädigte Anleger fließen. Laut Erklärung der niederländischen Stiftung, die für das Verfahren zuständig ist, gehen Atrium und die Meinl Bank von bis zu 10.000 betroffenen Anlegern aus.

1,5 bis 70 Prozent Entschädigung

Sie sollen je nach Kaufzeitpunkt der MEL-Zertifikate 1,5 bis 70 Prozent ihres Schadens ersetzt bekommen. Für den Zeitraum von 1. Jänner 2002 bis 26. Februar 2006 soll es zehn Prozent des Verlusts geben, wer zwischen 27. Februar 2006 und 8. Februar 2007 gekauft hat, soll 35 Prozent bekommen. 70 Prozent sollen jene erhalten, die zwischen 9. Februar 2007 und 31. August 2007 gekauft haben – in dieser Periode fielen die größten Verluste an. Für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 sind 1,5 Prozent vorgesehen.

Dividenden und Leistungen Dritter, etwa aus Vergleichen mit Finanzdienstleistern, werden abgezogen. Bei besonders hohen Investments (über 80.000 beziehungsweise über eine Million Euro) fallen 50 beziehungsweise 95 Prozent des Ersatzbetrags weg. Wer erst nach Ende 2010 geklagt hat, erhält vom so gekürzten Beitrag einen weiteren Abschlag um 20 Prozent, teilte die Stiftung Atrium Claim mit. Nach wie vor gehaltene Atrium-Wertpapiere werden mit vier Euro pro Stück bewertet.

Keine Kosten für Anleger

Anleger, die an dem Vergleich interessiert sind, können sich ab sofort unter atriumclaim.com melden und entsprechende Formulare ausfüllen. Teilnehmen können nur jene, die bis 20. Juni 2014 eine Zivilklage eingebracht haben und/oder sich dem laufenden Meinl-Strafverfahren in Wien als Privatbeteiligte angeschlossen haben. Kosten fallen für die Anleger keine an, die Stiftung und die Risikoprämie des Finanziers werden von der Meinl Bank und von Atrium getragen. Die Anleger haben für ihre Anmeldung 90 Tage Zeit. Für die Zeit danach haben sich Atrium und die Meinl Bank noch eine Opt-out-Phase vorbehalten. Dann müssten Anleger, die den Vergleich ablehnen, aktiv sagen, dass sie diesen nicht wollen.

Für die Meinl Bank ist die Lösung Amsterdam nicht der erste Vergleich. Sie hat sich bisher schon mit 6.564 MEL-Kleinanlegern verglichen, 36,7 Millionen Euro wurden dafür aufgewendet, hieß es in einer Aussendung.

Noch 900 Zivilverfahren gegen Meinl Bank

Die Meinl Bank ist aktuell mit knapp 900 Zivilverfahren konfrontiert, Ende 2010 waren es noch 2.700. Zusätzlich läuft seit Jahren ein Strafverfahren gegen Julius Meinl und andere (ehemalige) Verantwortliche.

Atrium nimmt für den Vergleich 32 Millionen Euro in die Hand, etwa ebenso viel wendet die Meinl Bank auf, hieß es auf APA-Anfrage. Atrium ist eigentlich "nur" mit rund 300 offenen Verfahren mit einem Streitwert von 23,5 Millionen Euro (Stand: 3. Quartal 2015) konfrontiert. Die Rückstellungen dafür beliefen sich zuletzt auf 7,5 Millionen Euro.

Die Verhandlungspartner in den Niederlanden wollen jedenfalls auch den österreichischen Prozessfinanzierer Advofin zu dem Vergleich bewegen. Advofin vertritt rund 5.100 Anleger mit einem Streitwert von 200 Millionen Euro. Davon entfällt die Hälfte auf Privatanleger, der Rest auf institutionelle Investoren.

Advofin-Chef Franz Kallinger winkte gegenüber der APA gleich ab. "60 Millionen Euro sind lächerlich", sagte Kallinger. "Wir haben der Stichting ganz klar erklärt, dass die Kunden der Advofin nicht erfasst sind. Es wird keinen Vergleich über die Stichting geben."

Advofin sei in der "komfortablen Situation", zwei Haftungsadressaten zu haben, die Meinl Bank und Atrium. "Wenn sie einen Vergleich wollen, sollen sie direkt zu uns kommen", so Kallinger. Auf den "billigen Schmäh" zweier Wiener Anlegeranwälte, die die Stiftung ins Leben gerufen haben, falle Advofin nicht herein.

Rasinger: "Absoluter Schlussstrich ist es nicht"

Der involvierte Anlegerschützer Wilhelm Rasinger sieht das Vergleichsangebot der Meinl Bank und Atrium für Meinl-European-Land-Anleger positiv. "Ein absoluter Schlussstrich ist es aber nicht", sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Meinl Bank und der klagenden Anleger-Stiftung am Dienstagabend in Wien. Die Justiz habe sich bisher "enorm schwergetan mit der Aufarbeitung" der Causa.

Rasinger ist Vorstand der niederländische Stiftung "Stichting Atrium Claim", die das Vergleichsangebot mit der Meinl Bank und Atrium – als Rechtsnachfolgerin von Meinl European Land – ausverhandelt hat. Die Lösung mit einer Stiftung sei "sehr, sehr sinnvoll", betonte Rasinger. Die Stiftungskosten seien gering, weil die Kosten von Atrium und der Meinl Bank übernommen werden. Außerdem würden die betroffenen Anleger "wesentlich rascher" ihre "Ersatzbeiträge" für die erlittenen Verluste erhalten. "Niemand wird dazu gezwungen, anzunehmen oder nicht", so der Anlegerschützer. Über die Zeit seien die Geschädigten "schon mürbe geworden".

Trotz Angebotsablehnung des Prozessfinanzierers Advofin, der mehr als 5.000 MEL-Anleger vertritt – hoffen der Meinl-Banker Peter Weinzierl und Stichting-Rechtsanwalt Eric Breiteneder auf eine breite Akzeptanz bei den Anlegern. "Es gibt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine Gesamtbereinigung", so Weinzierl. Für die Anleger sei es eine "kostenfreie" und "einfach zu handhabende Lösung". "Es ist von der Abstufung der Prozentsätze eine attraktive Lösung", warb Weinzierl bei den Kleinanlegern und Investoren. Die Meinl Bank hat in der Causa bereits 8.000 Verfahren mit Vergleichen in Millionenhöhe abgeschlossen, aktuell sind noch knapp 900 Verfahren offen. Die Prozentsätze seien etwa gleich hoch wie jene der bisherigen Vergleiche.

Breiteneder hat in seiner Hochzeit als Anlegeranwalt gleichzeitig mehr als 500 MEL-Investoren vertreten, derzeit sind es noch rund 100 mutmaßlich Geschädigte. Bisher hat der Oberste Gerichtshof (OGH) rund 40 Entscheidungen zu Meinl European Land getroffen. Der "große Wurf" sei bisher ausgeblieben, der eine Gesamtlösung gebracht hätte, so der Anwalt (APA, 19.1.2016)