Smartphones sind auf der Flucht und im Aufnahmeland die wichtigsten Helfer der Flüchtenden.

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Krisen sind die Zeiten der Kreativen, heißt es. Während der Hochphase der Flüchtlingskrise in den Sommer- und Herbstmonaten des vergangenen Jahres wurden die Debatten immer hitziger und die Überforderung der Institutionen größer. Ohne Hilfe aus der Zivilbevölkerung und den NGOs wäre die Situation nicht so gut zu meistern gewesen.

Für den Leiter des Instituts für Spielforschung der Donau-Universität Krems, Alexander Pfeiffer, war die Flüchtlingskrise "in vielen Fällen eine Kommunikationskrise". Diese sei jedoch mit unseren technologischen Möglichkeiten "sehr leicht nachhaltig zu verbessern", dachte sich Pfeiffer damals. Also setzte sich der Spieleforscher hin und überlegte sich das Konzept für eine App, die den Flüchtlingen und den Behörden die Kommunikation erleichtern solle. Von Anfang an waren Kybernetiker, Piktogrammexperten, Sozialarbeiter, Medienpsychologen und IT-Spezialisten an Bord. Herausgekommen ist ein Konzept für eine modulare App – die Refugee Companion Initiative.

Dialektprüfung per Software

Die App soll in der Endversion vier Module haben, die grob in zwei Phasen einzuteilen sind. Die ersten beiden Module drehen sich um die Registrierung und sollen die Behörden dabei unterstützen, die Herkunft der Flüchtlinge zu bestimmen. Wenn die Herkunft bestimmt wurde, erhalten die Flüchtlinge eine digitale Signatur, die ihnen den Zugang zur Companion-App ermöglicht.

Der mobile Herkunftscheck soll in Form eines randomisierten Fragentests über Heimatstadt und -region sowie Kulturkreis erfolgen, zusätzlich soll es einen Sprachtest geben. Die Software kann heraushören, ob die Person die Sprachfärbung der Gegend hat, aus der zu kommen sie angibt. "Das Ganze ist nicht rechtssicher", dessen ist sich Pfeiffer bewusst. "Es ist bloß eine Einschätzung, aber nichts anderes machen die Linguisten derzeit auch. Die Überprüfung, wie sie derzeit ist, ist nur zeitintensiver und hat viel mehr Papieraufwand." Die App soll diesen Prozess erleichtern und beschleunigen.

Die App als digitales Behördenpostfach

Die registrierten Zufluchtsuchenden erhalten dann laut Plan vollen Zugang zur Companion-App. "Das ist eine Art Schweizer Messer, das den Flüchtlingen den Alltag erleichtern soll", sagt Pfeiffer. Die App bietet dafür zahlreiche Dienste an. Sie soll unter anderem als digitales Postfach für die Kommunikation mit den Behörden dienen. Piktogramme sollen etwa bei Arztbesuchen Sprachprobleme überwinden helfen. "Die Idee ist, die App auch als eine Netzwerkplattform aufzubauen, wo alle Angebote von Personen oder Vereinen, die in diesem Bereich arbeiten, verlinkt sind", erklärt Pfeiffer.

Sprachlerntools und Zugang zur digitalen Geldbörse sollen ebenfalls über die App angeboten werden. Mit digitaler Geldbörse ist eine Art "Blue Code" gemeint, mit dem die Flüchtlinge bezahlen können. Das soll sicherstellen, "dass das Geld im heimischen beziehungsweise europäischen Wirtschaftskreislauf bleibt". Zudem soll es die von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) angedachten "Wertekurse" als E-Learning-Platform in der App geben.

Das vierte und letzte Modul soll die Qualifizierung der Flüchtlinge feststellen und ihnen so die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt erleichtern.

Wie sinnvoll ist die App?

Auf die Frage nach potenzielle Überwachungsmentalität der Applikation meint Projektleiter Pfeiffer: "Die App soll so verschlüsselt sein, dass die Datensicherheit beim Flüchtling bleibt. Eine GPS-ähnliche Überwachung wird es nicht geben."

Ob Wertekurse dann schlussendlich in die App integriert werden und der "Blue Code" den Zugang zum Bargeld ersetzen soll, "werden sowieso die Abnehmer entscheiden", meint Pfeiffer. Er und sein Team liefern "bloß das Konzept".

Erfolgreiches Crowdfunding

Ende Oktober wurde das Projekt auf die Crowdfunding-Seite respekt.net hochgeladen und setzte für die Umsetzung auf Unterstützung aus der Bevölkerung, um das Projekt fortsetzen zu können. Mit Erfolg: Seit 12. Jänner hat das Projekt die nötigen Mittel. Nun hat Spielforscher Pfeiffer bis Ende August Zeit, das Konzept fertigzustellen. "Wir hoffen, dass wir die Europäische Union als Partner an Land ziehen können. Jegliche Hilfe von interessierten Personen ist natürlich gern gesehen." (Siniša Puktalović, 18.1.2016)