Außenminister Sebastian Kurz beim Besuch einer Schule im Libanon vorvergangene Woche.

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Wien – Bei einem Flüchtlingsgipfel mit Ländern und Gemeinden will die Regierung am Mittwoch eine gemeinsame Position festlegen. Das Ziel sei, die Gesamtzahl an Flüchtlingen "deutlich zu reduzieren", sagte eine Sprecherin von Kanzler Werner Faymann (SPÖ). Darüber seien sich alle Beteiligten einig. Unterschiedliche Auffassungen gibt es noch über die konkreten Maßnahmen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) stellte "konkrete Maßnahmen" etwa durch Beschlüsse in Aussicht.

Als Plan formulierte die Faymann-Sprecherin am Montag, "eine gemeinsame Position in der Flüchtlingsfrage zu erarbeiten mit dem konkreten Ziel, die Gesamtzahl deutlich zu reduzieren". Man sei sich einig, dass weniger Flüchtlinge ins Land kommen sollen.

Das Bundeskanzleramt nennt zwei konkrete Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Einerseits wolle man wesentlich mehr Rückführungen von nicht Asylberechtigten in deren Heimatländer. Das soll durch "praktische und organisatorische Verbesserungen" bei den Rückführungen erreicht werden. Andererseits strebt das Bundeskanzleramt eine bessere Kontrolle an den Grenzen an. Dazu hat Faymann bereits ein Gutachten beim Innenministerium in Auftrag gegeben, das derzeit gemeinsam mit Außen- und Verteidigungsministerium sowie dem Verfassungsdienst erarbeitet wird. Dabei gehe es vorrangig um eine bessere Unterscheidung zwischen Kriegsflüchtlingen und jenen Menschen, die kein Recht auf Asyl haben.

ÖVP beharrt auf Obergrenze

Die ÖVP setzt hingegen neben einer verstärkten Grenzsicherung vor allem auf eine Obergrenze. Diese Forderung hat am Montag Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer im Ö1-"Morgenjournal" nochmals bekräftigt. Wo diese Obergrenze eingezogen werden soll, wollte er nicht sagen – da sei der Bund gefordert.

Die SPÖ-Landeshauptleute Hans Niessl (Burgenland) und Peter Kaiser (Kärnten) betonten hingegen, dass es eine solche für Kriegsflüchtlinge nicht geben könne. Wenn man Asylverfahren beschleunige und die Rückführungsabkommen EU-weit durchsetze, werde man auch allen Kriegsflüchtlingen Schutz geben können, so Kaiser.

Die Programme von SPÖ und ÖVP in der Asylfrage würden sich zum Großteil überschneiden, sagte Kaiser, etwa das Aussieben sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge oder scharfe Grenzkontrollen schon an der EU-Außengrenze. Oft würden nur Begrifflichkeiten trennen.

Das optimale Ergebnis des Gipfels am Mittwoch ist laut Kaiser mehr als eine Einzelvereinbarung. Man solle den Menschen das Gefühl vermitteln, sich mit aller Kraft um EU-weite Lösungen zu engagieren und Österreich und seine Grenzen bis dahin durch klare Richtlinien und unter Wahrung internationaler Abkommen zu schützen.

Deutschland ja, Schweden nein

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte zuletzt angekündigt, dass ab Ende dieser Woche nur noch Flüchtlinge durch Österreich durchreisen können, die in Deutschland Asyl beantragen wollen. Jene, die etwa nach Schweden weiterziehen wollen, sollen bereits an der Grenze zurückgewiesen werden. Außerdem drängt die ÖVP auf eine Umsetzung von Asyl auf Zeit und einer Verschärfung beim Familiennachzug.

Im Bundeskanzleramt erwartet werden am Mittwoch auf Einladung Faymanns Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), die Minister Mikl-Leitner, Hans Jörg Schelling (beide ÖVP), Gerald Klug, Rudolf Hundstorfer und Josef Ostermayer (alle SPÖ), Staatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ), alle Landeshauptleute, Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, Städtebundpräsident-Generalsekretär Thomas Weninger und Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer.

Überfordert mit der Situation

Außenminister Kurz stellte konkrete Beschlüsse für verschärfte Grenzkontrollen beim Asylgipfel in Aussicht. Österreich sei "überfordert mit der Situation" in der Flüchtlingskrise, sagte Kurz am Montag. Im vergangenen Jahr habe Österreich 90.000 Asylanträge gehabt, "es kann 2016 nicht noch einmal so ablaufen wie 2015". Für ihn sei klar, dass Staaten wie Österreich zu nationalen Maßnahmen gezwungen seien, wenn es keine europäische Lösung gebe. Kurz verwies auf den Asylgipfel. "Ich gehe davon aus, dass wir konkrete Maßnahmen beschließen werden."

"Wir wissen mittlerweile alle, dass die Grenzsicherung der EU-Außengrenze an der griechischen Grenze nicht funktioniert. Ich glaube, dass es auch sehr wenig Bereitschaft von Griechenland gibt, sich hier helfen zu lassen." Viele Staaten in Europa seien zufrieden mit der Situation, dass Flüchtlinge schnell nach Mitteleuropa weiter transportiert würden. Staaten wie Österreich, Deutschland und Schweden könnten dies "definitiv nicht stemmen".

Kurz: "Zustrom muss reduziert werden"

"Es kommen schlicht und ergreifend zu viele Menschen nach Österreich, das ist auch nicht handhabbar", so Kurz. Wenn es keine europäische Antwort gebe, brauche es "nationale Maßnahmen oder ein koordiniertes Vorgehen einiger weniger Staaten, was durchaus auch Sinn machen kann". Es sei das Bewusstsein vorhanden, dass "weder die Einladungspolitik noch die Willkommenspolitik die richtige Antwort auf die Flüchtlingskrise" sei.

Das sei "der absolut falsche Ansatz" gewesen, sagte Kurz am Montag vor dem EU-Außenministerrat in Brüssel. Immer mehr Staaten, darunter auch Österreich seien nun gezwungen, "nationale Maßnahmen zu setzen."

Kurz: "Die andere Antwort kann nur sein, die Flüchtlinge zu stoppen, natürlich im Idealfall an der EU-Außengrenze, aber wenn das nicht funktioniert, dann an nationalen Grenzen." Mittelfristig werde der Leidensdruck so groß werden, "dass wir es schaffen, ein gesamteuropäisches Vorgehen zustande zu bringen".

Themen wie der EU-Außengrenzschutz an der türkisch-griechischen Grenze seien viel zu spät auf die Tagesordnung gebracht worden. "Was wir jetzt erleben ist die erwartbare Konsequenz dieser Politik, nämlich dass mehr und mehr Staaten gezwungen sind, nationale Maßnahmen zu setzen."

Auf die Frage nach Investitionen für die Grenzsicherung sagte Kurz: "Es erfordert vor allem Investitionen, 90.000 Flüchtlinge aufzunehmen, die einen Asylantrag hier stellen. Die Verfahren und die Versorgung kosten sehr viel Geld, die Integration ist eine Riesenherausforderung. Tun wir nicht so, als wäre das auch keine budgetäre Herausforderung." Insofern sollte man realistisch sein, "es muss der Zustrom reduziert werden", sagte Kurz.(APA, red, 18.1.2016)