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Wasserkraft-Projekte sind derzeit in der Warteschleife.

Foto: AP/Vojinovic

Wien – Wegen der anhaltend niedrigen Strom-Großhandelspreise liegen viele neue Wasserkraftwerke in Österreich auf Eis – obwohl sie aus Klimaschutz-Erwägungen sinnvoll wären. In der Pipeline sind Projekte für knapp 4 TWh an zusätzlicher Erzeugung, seit 2013 sind aber lediglich rund 250 GWh dazugekommen. Nennenswerte Investitionen gibt es nur zur Fertigstellung schon begonnener Vorhaben.

Bis zum Jahr 2020 dürften statt der ursprünglich über die Energiestrategie angedachten vier Terawattstunden nur maximal drei TWh tatsächlich in Betrieb gehen, der Rest erst bis 2030, schätzt man in der E-Wirtschaft. Die Anlagenbetreiber versuchen, die niedrigen Marktpreise von bereits unter 30 Euro je Megawattstunde (MWh) durch Minimal-Aufwendungen bei Betrieb und Instandhaltung zu kompensieren. Bei der Devise "reparieren statt erneuern" bleibe aber heimisches Wasserkraftpotenzial auf der Strecke, bedauerte der Sprecher Erzeugung des Branchenverbands "Oesterreichs Energie", Karl Heinz Gruber, im Herbst. Hinzu kommt, dass durch die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) rund 1,8 TWh Erzeugung wegfallen.

Großprojekte in Bau

An Großprojekten in Bau sind aktuell etwa das Pumpspeicherkraftwerk Reißeck II in Kärnten, das der Verbund bis Sommer fertig haben will – Kostenpunkt 400 Mio. Euro -, sowie die Vorhaben des Pumpspeicherkraftwerk Obervermunt II der Vorarlberger Illwerke (VIW) und des Gemeinschaftskraftwerks Inn (GKI) im Grenzgebiet Schweiz-Österreich. Beim GKI am Oberen Inn ist mit 76 Prozent die Tiwag federführend; für 460 Mio. Euro soll es 2018 fertig sein und jährlich 400 GWh Strom liefern. An kleineren Projekten wurden in der Branche zuletzt die Effizienzsteigerung Zillertal und die Laufkraftwerke Fritzbach bzw. Weinzödl fertig.

Der Verbund, Österreichs führender Stromerzeuger, der nur noch in Erneuerbare investiert, will in seinem Wasserkraftwerks-Park allein durch "Ertüchtigungen" rund 300 GWh Strom an Jahresproduktion zusätzlich herausholen. "Effizienzsteigerungen rechnen sich auch am ehesten", heißt es. Allein bei der Donau-Staustufe Ybbs wurden für 140 Mio. Euro 77 GWh mobilisiert, eine der bisher größten derartigen Maßnahmen des Konzerns, der im Inland und in Bayern für 127 Wasserkraftanlagen verantwortlich ist. Die jüngste Kaprun-Ertüchtigung lässt sich der Verbund 25 Mio. Euro kosten, bei der Optimierung der Anlagen im hinteren Zillertal waren es an die 70 Mio. Euro.

In Salzburg und der Steiermark verfolgt der Verbund mehrere Wasserkraftprojekte. Das Laufkraftwerk Gries bei Zell am See – mit an Bord die Salzburg AG -, soll bei 9 MW Leistung rund 42 GWh Strom im Jahr erzeugen – der Jahresverbrauch von 10.000 Haushalten. Investiert werden sollen etwa 50 Mio. Euro, es gibt auch Ökoförderung dafür. "Mit Hochdruck" wird für das Salzach-Kraftwerk an einem Baubeginn (Spatenstich) Mitte 2016 gearbeitet.

Gratkorn in der Schublade

Schon seit Herbst 2013 in der Schublade liegt das geplante neue Mur-Kraftwerk Gratkorn nördlich von Graz – obwohl seit Sommer 2012 vom Land Steiermark genehmigt. Auf "hold" gestellt wurde das Vorhaben von Verbund und Energie Steiermark wegen der Verwerfungen am Strommarkt, eine Investitionsentscheidung steht aus. Die 11-MW-Anlage, gedacht als Teil einer Staustufen-Kette rund um die Landesmetropole, soll mit 54 GWh Strom für 13.000 Haushalte liefern.

Das aktuell wohl umstrittenste Wasserkraft-Projekt in der "grünen Mark" ist die geplante Mur-Staustufe im südlichen Grazer Stadtteil Puntigam, das Verbund und Energie Steiermark für 95 Mio. Euro realisieren wollen. Mit 16 MW Leistung soll die Anlage 74 GWh im Jahr liefern, die Verbrauchsmenge von 20.000 Haushalten. Trotz positiver UVP-Beurteilung gibt es Kritik von Bürgerinitiativen und WWF. Indes ist der Zeitplan für die Errichtung noch offen. Eine Investitionsentscheidung, zuletzt geplant für Ende 2015, dürfte bei der Energie Steiermark wohl erst gegen Juni fallen, da der Einstieg der Australier – eines Infrastruktur-Fonds der Macquarie Bank – zu einem neuen Aufsichtsrat ab April führt. Neben Energie Steiermark und Verbund dürften auch andere private Investoren mit an Bord kommen. Die Stadt Graz will den Bau des Kraftwerks zur Errichtung eines Sammelkanals nutzen, der ohnedies nötig ist, da die Stadt wegen EU-Bestimmungen das Abwasser nur mehr geklärt ableiten darf. Werden die Baustellen kombiniert, kostet die Stadt Graz der Kanal nicht 70 oder 75 Mio. Euro, sondern 20 Mio. Euro weniger.

Kaunertal in der Warteschleife

In Tirol scheiden sich seit Langem die Geister an Kraftwerksvorhaben wie der Erweiterung von Sellrain/Silz – oder dem Mega-Projekt des Kaunertal-Ausbaus. Beim Kaunertal – Kostenpunkt 1,3 Mrd. Euro – ginge es letztlich um Ausbauleistungen von in Summe über 1.300 MW bzw. einer mittleren Jahresarbeit von 913 GWh. Zum Vergleich: Mit ihren jetzigen 38 Kleinwasserkraftwerken mit 420 GWh Strom im Jahr deckt die Tiwag rund sieben Prozent des gesamten österreichischen Verbrauchs. Für alle Vorhaben der Tiwag zusammen beläuft sich die Gesamtinvestitionssumme auf fast 3 Mrd. Euro. In Summe möchte das Landes-EVU mit 1.327 MW neu installierter Leistung zusätzlich knapp 2.000 GWh Elektrizität erzeugen. Der neue Tiwag-Chef Erich Entstrasser bremste vorige Woche etwas: Beim Bau mehrerer Großanlagen gehe es um einen Zeithorizont von 10 bis 20 Jahren, als nächstes sehe er den Ausbau von Kirchbichl und Sellrain-Silz für zusammen 600 bis 650 Mio. Euro.

Gemäß der neuen Strom-Strategie der heimischen E-Wirtschaft für die nächsten eineinhalb Jahrzehnte soll der erwartete Stromverbrauchszuwachs in Österreich von bis zu 14 TWh bis 2030 durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Inland gedeckt werden, die Stromimporte von zuletzt rund 9 TWh sollen wieder sinken. Dafür müsse die Stromerzeugung um rund 20 TWh ausgebaut werden, hieß es im Herbst. Erfolgen soll dies durch den Ausbau von Wasserkraft, Wind und Photovoltaik mit jeweils etwa 6 bis 8 TWh. Dadurch könnte es auch zu einer zusätzlichen CO2-Reduktion um rund 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2012 kommen. Für die Stromgroßhandelspreise hofft die Branche auf einen Anstieg in einigen Jahren, wenn Deutschland aus Atomkraft und Braunkohle ausgestiegen ist. (APA, 18.1.2015)