Frauen dürften in Österreich "alleine auf die Straße gehen, Freunde treffen, eine Beziehung beginnen und beenden, alleine Auto fahren, etc.", erklärt die Lernunterlage "Mein Leben in Österreich".

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Flüchtlinge sollen eigene Wertekurse besuchen – mit diesem Plan hat Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) aufhorchen lassen. Nun werden die Pläne konkret: Die ersten Kurse sollen "noch im Jänner" in Tirol starten, sagt der Sprecher von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) auf Anfrage. Freitagnachmittag wollten Platter und Kurz die Kurse in einer Pressekonferenz präsentieren.

Doch wer sind die Teilnehmer, und was lernen sie dort? Das Angebot richte sich nicht an alle Zuwanderer, die etwas über Land und Leute erfahren wollen, sondern "nur an Asylberechtigte", heißt es in Platters Büro. Die Lernunterlage, die dem STANDARD vorliegt, beginnt mit einer Einführung in die Geschichte Österreichs, wobei sich der historische Abriss auf die Zeit des Nationalsozialismus beschränkt.

"Erst 1955 volle Freiheit"

"Im Zweiten Weltkrieg (1939–1945) war Österreich ein Teil von Nazi-Deutschland", heißt es hier. "In Nazi-Deutschland hat in dieser Zeit der Diktator Adolf Hitler regiert." Bestimmte Gruppen seien systematisch verfolgt und ermordet worden. "Damals unterstützten viele Österreicherinnen und Österreicher leider Adolf Hitler. Das ist mit Abstand das dunkelste Kapitel in unserer Geschichte."

Nach einem kurzen Exkurs zum Verbotsgesetz geht es mit der Kapitulation 1945 weiter. "Österreich erlangte erst 1955 die volle Freiheit", heißt es hier. Das Land sei vom Krieg zerstört gewesen, doch die Österreicher "haben das Land mit viel Arbeit, Fleiß und Mühe wieder aufgebaut".

Höflich sein, in die Augen schauen

Nachfolgende Kapitel sind den Themen Sprache und Bildung, Arbeitswelt, Gesundheit, Wohnen gewidmet, gefolgt von rechtlichen Prinzipien und "kultureller Integration" gewidmet. "In Österreich gibt man sich beim Begrüßen und beim Weggehen normalerweise die Hand. Das ist höflich", heißt es in letzterem Kapitel, "man schaut der Person dabei auch in die Augen." Weitere Tipps für die erfolgreiche "interkulturelle Begegnung": pünktlich sein, beim Reden und Telefonieren "nicht zu laut sein", in Parks und Öffis "keinen Schmutz zurücklassen".

Das Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau findet sich an mehreren Stellen in der Unterlage "Mein Leben in Österreich". Frauen dürften in Österreich "alleine auf die Straße gehen, Freunde treffen, eine Beziehung beginnen und beenden, alleine Auto fahren, etc.". "Verheiratete Männer" seien "nicht das Familienoberhaupt". Das bedeute, "dass der Mann nicht alleine entscheiden darf, was die einzelnen Familienmitglieder tun oder nicht tun dürfen."

Acht Stunden Kurs

Die Kurse dauern laut Platters Büro acht Stunden und werden in Innsbruck, Wörgl und Kufstein angeboten.

Grüne sehen "theoretischen Beitrag"

Die Tiroler Grünen, Koalitionspartner der ÖVP, äußern sich auf STANDARD-Anfrage differenziert zu den Kursen. "Werteschulungen können einen theoretischen Beitrag leisten", glaubt die für Integration zuständige Landesrätin Christine Baur, die aber in "praktischen Einstiegsmöglichkeiten für ein selbständiges Leben" den "Schwerpunkt" der Integration von Flüchtlingen sieht.

Ursprünglich war das Burgenland als erste Modellregion für die Wertekurse präsentiert worden. Dort sei man "in drei bis vier Wochen" startbereit, sagt der Sprecher des zuständigen Landesrats Norbert Darabos (SPÖ) auf STANDARD-Anfrage. (Maria Sterkl, 15.1.2016)