Das vermeintliche Handicap wurde unverhofft zum Trumpf: Rudolf Hundstorfer, von skeptischen Genossen im Vorfeld selbst schon zum alten Eisen geworfen, ist das Küken unter den Präsidentschaftskandidaten. Tritt der 64-jährige Sozialminister am Freitag offiziell an, senkt er den Altersschnitt im Kreis der Konkurrenten massiv. Irmgard Griss kratzt bereits am Siebziger, Alexander Van der Bellen und Andreas Khol sind längst darüber hinaus.

Für Spott ist da gesorgt, selbst vonseiten mancher Altersgenossen. Dass Hundstorfer der jüngste Anwärter ist, spreche für sich, urteilt der 74-jährige Exvizekanzler Erhard Busek unsolidarisch im STANDARD-Interview und schließt vom angegrauten Erscheinungsbild auf einen ebensolchen Inhalt: "Das ist Uraltpolitik, was bei der Präsidentenwahl passiert."

Lässt sich von den angehäuften Lebensjahren auf den Buckeln der Volksvertreter tatsächlich darauf schließen, wie erfrischend und modern Politik ausfällt? Die Gegenprobe straft Gerontophobiker Lügen: Die Parteien haben schon viele Nachwuchshoffnungen ausgespuckt, die von der ersten Minute an alt ausgesehen haben. Die einstigen SPÖ-Jungstars Laura Rudas und Niko Pelinka verkörperten jene klüngelhafte Machtschacherei, wie sie seit Ewigkeiten Brauch ist, die verhältnismäßig jungen Generalsekretäre der jüngeren ÖVP-Vergangenheit üb(t)en sich in jener Phrasendrescherei, die viele Wähler seit Jahr und Tag satthaben. Wofür diese vermeintlichen Hoffnungsträger inhaltlich standen und stehen? Man weiß es ebenso wenig wie von vielen frisch g'fangten Parlamentariern, die rasch in der Masse der Konformität abtauchen.

Alexander Van der Bellen hingegen fehlt es nicht an Profil, sonst würde er nicht weit über die grüne Stammwählerschaft hinaus auf Sympathie stoßen. Substanzloses Schwafeln ist nicht Sache des 71-jährigen Professors, sein bedächtiger Diskussionsstil hebt sich von der atemlosen Textbaustein-Rhetorik vieler Kollegen ab. Und selbst wenn die legendären Sprechpausen altersbedingt noch länger ausfallen sollten: Nachdenken ist nicht das Schlechteste, was ein Bundespräsident machen kann.

Auch Andreas Khol sticht durchaus aus dem Mainstream hervor. Der 74-jährige ÖVP-Veteran, der seine konservative Grundhaltung über die Zeit mit einigen bemerkenswert liberalen Positionen relativiert hat, mag schon vor Jahren ergraut sein – farblos ist er nicht. Khol zählt zu der rar gewordenen Sorte von Politikern, die nicht jeder kritischen Frage routinemäßig ausweichen, sondern Lust am Streit ausleben. Dass er vielleicht nicht mehr zu Fuß, aber immer noch im Kopf schnell ist, hat der kantige Tiroler in Antrittsinterviews bewiesen.

Das heißt nicht, dass sich Jungpolitiker, wie es im 18. Jahrhundert Mode war, weißhaarige Perücken aufsetzen sollen, um älter und damit vertrauenswürdiger zu wirken. Natürlich klebt in der Politik auch mancher Oldie am Sessel, den man sich lieber gestern als heute in die Pension wünschen würde. Umgekehrt gibt es Nachwuchstalente, die tatsächlich frischen Wind gebracht haben.

Abgesehen vom Umstand, dass ein gewisses Maß an Erfahrung für ein hohes Amt wie jenes des Bundespräsidenten sicher hilfreich ist, sagt das Lebensalter eben nichts über die Eignung eines Kandidaten aus – solange die Geisteskraft mitspielt. Doch diesbezüglich sollen Aussetzer auch schon bei jüngeren Politikern beobachtet worden sein. (Gerald John, 14.1.2016)