Alles, was sie tun können, ist, mit ihren Flugzeugen zu kommen und uns zu bombardieren. Bumm, bumm, bumm, bumm bumm, bumm. Na und? Nichts wird passieren, wir werden ihnen die Hölle heißmachen..." Als Saddam Hussein das sagte, am 7. August 1990, war Kuwait seit fünf Tagen von irakischen Elitetruppen besetzt, und die versuchte Auslöschung der kuwaitischen Identität hatte begonnen: Kuwait wurde annektiert und zur 19. Provinz des Irak erklärt.

Der irakische Präsident war vielleicht überrascht von der Vehemenz der internationalen Reaktionen auf seinen Überfall auf das kleine Emirat. Die vom Uno-Sicherheitsrat verhängten internationalen Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, die endgültig erst Jahre nach dem Sturz Saddams aufgehoben wurden, waren bereits in Kraft. Und der ehemalige Diplomat George H. W. Bush, seit 1989 amerikanischer Präsident, begann seine Möglichkeiten abzuwägen. Es wurden viel mehr als ein paar Flugzeuge: Am 17. Jänner jährt sich der Beginn des Golfkriegs zum 25. Mal, in dem Saddam Hussein vernichtend geschlagen wurde. Er veränderte die ganze Region nachhaltig.

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Der Golfkrieg 1991 war der erste Krieg, der aus den Wohnzimmern angesehen wurde: Oder zumindest das, was CNN davon zeigte. Kriegsherr Saddam Hussein zeigte sich unberührt.
Foto: Everett Collection / picturedesk.com

Die oben zitierten Worte sind dem irakischen Diktator keineswegs in den Mund gelegt, er hat sie so gesprochen. Als im April 2003 die US-Truppen nach und nach in die öffentlichen Gebäude Bagdads vordrangen, fiel ihnen ein Schatz für Historiker in die Hände: tausende Tonbänder, auf denen Saddams Gespräche mit seinem Führungsstab – wenn man die Ja-Sager, die ihn umgaben, so nennen kann – aufgezeichnet waren. Sie sind heute teilweise veröffentlicht. Man muss erwähnen, dass es typisch für die US-Invasion von 2003 war – von George W. Bush, Sohn des Kriegspräsidenten von 1991, verantwortet -, dass die Amerikaner keine Skrupel hatten, irakische Dokumente einfach so in die USA mitzunehmen.

Zwei falsche Annahmen

Saddam Hussein glaubte demnach 1990 tatsächlich nicht, dass sein Kuwait-Überfall ernsthafte Konsequenzen haben würde. Beinahe bis zum letzten Moment hielt er einen Angriff der USA und der Allianz, die Bush senior aufgebaut hatte und in der Region in Stellung brachte, für unwahrscheinlich. Das basierte auf zwei falschen Annahmen. Erstens auf dem Verhalten des Westens während des Iran-Irak-Kriegs (1980 – 88), den der Irak ja ebenfalls mit einem Überfall auf den Nachbarn vom Zaun gebrochen hatte: Die USA akzeptierten damals, so wie viele Landsleute Saddams auch, die Bollwerkfunktion des irakischen Regimes gegen eine Ausbreitung der Islamischen Revolution, die den Schah, einen amerikanischen Verbündeten, 1979 hinweggefegt hatte.

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Amerikanische Bomben über Bagdad im Februar 1991,
Françoise Demulder / Roger Viollet / picturedesk.com

Als sich der Iran im Laufe des Kriegs mit dem Irak militärisch konsolidierte – durch schreckliche Opfer erkauft – und der Irak zu verlieren drohte, begannen die USA, Saddam Hussein subtil unter die Arme zu greifen, mit Krediten und geheimdienstlicher Zusammenarbeit. Und 1990/1991 war die Islamische Republik Iran doch noch immer da, wenngleich Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1989 gestorben war: Weshalb sollten die USA also ein Interesse daran haben, den Irak entscheidend zu schwächen?

Der islamische Iran war Saddam Husseins Lebensversicherung. Interessant ist, dass das zwar nicht in dem Ausmaß, wie er es glaubte, stimmte, aber auch nicht völlig falsch war: Denn sein Regime wurde nach dem verlorenen Krieg 1991 tatsächlich nicht beseitigt, obwohl es den USA möglich gewesen wäre. Dies wiederum trug zu Saddams Fehleinschätzung 2003 bei, als er ebenfalls fast bis zu Kriegsbeginn nicht glauben konnte, dass die USA diesmal ernst machen und ihn stürzen würden, zu Gunsten des Iran.

Geopolitischer Irrtum

Der zweite Grund, warum Saddam sich 1990 irrte, war ein geopolitischer: Er selbst war als Politiker auch ein Kind des Kalten Kriegs – und er hatte nicht verstanden, dass dieser soeben dabei war, zu Ende zu gehen. Nicht nur, dass die in den letzten Zügen liegende Sowjetunion nicht mehr die Kraft gehabt hätte, einem US-Krieg gegen den Irak viel entgegenzusetzen. Mit Michail Gorbatschow stand noch dazu ein Mann an deren Spitze, der zu einer Verständigung mit dem Westen fähig war.

Auch das alleine hätte nicht genügt: Es war George H. W. Bushs Stärke – die seinem Sohn gute zehn Jahre später völlig abging -, dass er das Spiel der multilateralen Diplomatie perfekt beherrschte. Wie die USA im Uno-Sicherheitsrat die nötigen Resolutionen in intensiver Arbeit mit den anderen Ratsmitgliedern vorbereiteten, war ein diplomatisches Meisterstück. Die Verurteilung des irakischen Einmarsches in Kuwait war ja eine relativ einfache Übung. Aber dass am 29. November 1990 der Uno-Sicherheitsrat – mit der Enthaltung Chinas und den Gegenstimmen Kubas und Jemens – eine Resolution verabschiedete, in der dem Irak eine Frist bis 15. Jänner gesetzt und bei Nichterfüllung "alle erforderlichen Mittel" angedroht wurden, war beinahe eine Sensation. Die USA und die Sowjetunion stellten ein und demselben nahöstlichen Diktator einen Krieg in Aussicht.

Technisch war es so, dass der Sicherheitsrat die direkte Aktion gegen den Irak den Uno-Mitgliedsstaaten überließ – eine Aufgabe, die die USA übernahmen, wogegen sich Moskau nur kurz auflehnte. Die Monopolstellung der USA, die unipolare Welt, die da am Horizont erschien – das vermeintliche "Ende der Geschichte" -, waren zu deutlich: Gorbatschow erschien es wohl am klügsten, sich durch Kooperation einen Platz als Akteur zu behaupten. Rechtlich war der Krieg die Ausübung der kuwaitischen Selbstverteidigung, delegiert an eine von den USA geschmiedete Allianz, die 670.000 Soldaten aufmarschieren ließ, 410.000 davon Amerikaner.

Auch arabische Staaten beteiligten sich – der schlaue Fuchs Hafiz al-Assad in Syrien schlug sich auf die richtige Seite. Und Saudi-Arabien, das direkt bedroht war, erlaubte die Stationierung von US-Truppen – im Land der heiligen Stätten des Islam. Das war der Moment, in dem ein gewisser Osama bin Laden, ein Afghanistan-Heimkehrer (1989 hatten die Sowjets Afghanistan aufgegeben), der König Fahd seine Kämpfer zur Verteidigung Saudi-Arabiens angeboten hatte, die Familie Saud zum Feind erklärte.

Manipulationsversuche

Aber einen Schritt zurück, in den Dezember 1990: Die Diplomatie lief heiß, Moskau versuchte redlich,Saddam zum Abzug zu überreden – der, wenig überraschend, auf der Klaviatur des israelisch-palästinensischen Konflikts zu spielen begann. Wenn die Israelis die besetzten Palästinensergebiete verließen, würde auch er sich aus Kuwait zurückziehen. Das fand Nachhall auf den arabischen Straßen. Palästinenserführer Yassir Arafat stand fest zu seinem Gönner Saddam, später sollten die Palästinenser den irakischen Scud-Raketen, die in Israel einschlugen, zujubeln.

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Flugabwehrgeschütze über Bagdad am 17.Jänner 1991.
Foto: REUTERS/Patrick De Noirmont

Aber das war nicht der einzige Grund dafür, dass die USA – wie es der damalige Uno-Botschafter der USA, Thomas Pickering, Jahre später der Autorin erzählte – im Laufe des Herbstes vom Wunsch abrückten, die Krise mit Saddam Hussein friedlich beizulegen.

Denn nach 1988 war klar geworden, dass Saddam nach dem Ende des Iran-Kriegs nicht in den Friedensmodus zurückkehrte, sondern weiter aufrüstete. Von Superwaffen war die Rede – und der israelische Geheimdienst meldete Hinweise auf ein irakisches Atomwaffenprogramm. Dass der Irak Chemiewaffen hatte, war bekannt: Er hatte sie gegen den Iran eingesetzt (eine Warnung der USA, angeblich mit Atombomben, führte dazu, dass Saddam sie 1991 in den Arsenalen ließ).

Die USA beschlossen, die sich ihnen politisch und militärisch bietende Chance zu nützen, "den Status quo in der Region zu ändern", wie es Pickering formulierte. Das reflektiert im Nachhinein eine ziemliche Sicherheit, dass ein Krieg mit dem Irak ohne allzu große Schwierigkeiten zu gewinnen war: Mit den Gefühlen während der Vorkriegszeit 1990/1991 stimmt das jedoch nicht überein. Auch in den Köpfen der Menschen in aller Welt war der Kalte Krieg noch nicht vorbei: Von einem möglichen Weltenbrand war die Rede. In Wien wurde der Opernball abgesagt. Das geschah wenige Jahre später, während des Schlachtens vor unserer Haustür, auf dem Balkan, nie.

Aber die riesige militärische Macht des Irak hatte tatsächlich nur auf dem Zeitungspapier existiert: Den am 17. Jänner aus der Luft beginnenden massiven Angriffen der Alliierten – erstmals in die Wohnzimmer übertragen von einem relativ neuen Nachrichtensender, CNN – hatte der Irak wenig entgegenzusetzen.

CNN-Berichterstattung zur Operation "Desert Storm".
HDiNDEMAND

CNN sorgte auch dafür, dass sich der Krieg im westlichen Bewusstsein in einer Art – so hätte man später gesagt – Computerspiel-Ästhetik niederschlug: Aus Vogelperspektive sah man, wie es vermeintlich menschenleere Gebäude auf Knopfdruck zerriss. Aber für die Iraker war es ein grausamer, opferreicher Krieg, auch für die Zivilbevölkerung. Die Infrastruktur gehörte zu den Zielen.

Ein surreales Gespräch

Am 24. Februar 1991 begann die Bodenoffensive, und auch von diesem Tag ist uns ein GesprächSaddams mit Getreuen überliefert. Es hat surreale Züge:

Saddam: "Man kann sagen, dass ihre Überlegenheit in der Luft unsere Bewegungsfreiheit etwas behindert."

Männlicher Sprecher 1: "Dazu kommt, Sir, Sie kennen die Situation unserer Einheiten. Seiner Exzellenz sei Dank. Ich will sagen, es ist nicht wahrscheinlich, aber zwischen einer jeden Brigade sind 30 Kilometer, das ist ein Loch."

Männlicher Sprecher 2: "Wichtig ist, dass der Angriff unserer Einheiten auf diese Armee stark ist."

Saddam: "Bei Gott, unsere Einheiten sind und bleiben exzellent." (Aus: The Saddam Tapes. The Inner Workings of a Tyrant's Regime 1978-2001.)

Drei Tage später erklärte Präsident Bush Kuwait für befreit, und Saddam Hussein akzeptierte die Sicherheitsratsresolution vom 2. August 1990, in der er zum Abzug aus Kuwait aufgefordert worden war. Dass bei einem eventuellen Verlassen Kuwaits die Ölquellen in Brand gesteckt werden sollten, hatte er schon früher entschieden.

Bilder mit toten Soldaten oder gar Zivilisten gab es während des Kriegs nur wenige.
Foto: SIRPA / AFP / picturedesk.com

Der Weg nach Bagdad war für die US-Truppen frei: Dass Bush senior ihn nicht beschritt, erklärte er später stets damit, dass erstens das Uno-Mandat nur für die Befreiung Kuwaits gegolten habe und dass er zweitens nicht riskieren wollte, die arabischen Verbündeten gegen sich aufzubringen. Aber einer der politischen Gründe lag in Teheran: Saddam Hussein war als Dorn im Fleisch der Mullahs noch immer nützlich.

Gleichzeitig musste er unschädlich gemacht werden: Resolution 687 wurde geschmiedet, in der die Sanktionsaufhebung an die Abrüstung der irakischen Massenvernichtungswaffenprogramme geknüpft wurde. Diese fand zwar mit großen Problemen, aber doch statt – aber das nahmen die USA nicht zur Kenntnis. Saddams Irak wurde eingefroren: stabil, aber bewegungsunfähig. Was das für die irakische Gesellschaft bedeutete, wurde erst nach 2003 klar. Saddam Hussein selbst hatte sich nach 1991 davon überzeugt, dass er den Krieg doch gewonnen hatte: Waren die USA nicht wieder abgezogen? Auch das ist durch Gesprächsprotokolle belegt.

Friedensprozess

Zur Veränderung des Status quo in der Region gehörte für Bush senior auch, Israel, das den arabischen Beitrag zum Kampf gegen Saddam würdigend zur Kenntnis nehmen musste, und die Palästinenser, die ihren Schutzherren verloren hatten, an einen Tisch zu zwingen: 1991 fand die Madrider Friedenskonferenz statt. Sie selbst verlief im Sand, aber im Hintergrund entstand der Oslo-Prozess. Den Palästinenserstaat, den er hervorbringen sollte, gibt es allerdings noch immer nicht. (Gudrun Harrer, 16.1.2016)