Wien – Zu einem differenzierten Urteil kommt der Österreichische Presserat nach einem Bericht der "Kronen Zeitung" vom August 2015 mit dem Titel "Reise in den sicheren Tod: Schlepper vor Haftrichter!". Der Artikel verstoße nicht gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse, sehr wohl aber der Tweet zum Artikel, urteilt das Selbstkontrollorgan der österreichischen Presse.

Dass eine Mitteilung auf Twitter zu einer Rüge führt, ist ein Novum in der Geschichte des Presserats, sagt Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek zum STANDARD. Bisher gab es nur eine Verurteilung für "Heute" nach einem Facebook-Posting. Tätig wurde das Gremium nach Mitteilungen von Lesern.

Die Veröffentlichung von Bildern von Verdächtigen zum Artikel "Reise in den sicheren Tod: Schlepper vor Haftrichter!", erschienen auf den Seiten 12 und 13 der "Kronen Zeitung" vom 30. August 2015, sowie die Veröffentlichung eines Bildes von Verdächtigen, überschrieben mit "Schlepper in Ketten vor dem Haftrichter", verstoßen nicht gegen den Ehrenkodex, heißt es zur aktuellen Entscheidung.

Verstoß gegen die Unschuldsvermutung

Anders gelagert sei der Fall beim Tweet, der unter dem offiziellen Twitter-Account der "Kronen Zeitung" versendet wurde: "+++ BREAKING +++ Sie wurden dem Haftrichter vorgeführt. Das sind die Todes-Schlepper der A4", hieß es mit einem Foto, das zwei Verdächtige zeigt. Dieser Tweet verstoße gegen Punkt 5 (Persönlichkeitsschutz) des Ehrenkodex, so der Presserat, weil die Unschuldsvermutung verletzt wurde.

Im Artikel sei von "feigen mutmaßlichen Todes-Schleppern" die Rede, für die die Unschuldsvermutung gelte. Diese Hinweise fehlten im Tweet, argumentiert der Presserat, der die Veröffentlichung des Fotos, auf dem die Verdächtigen unverpixelt zu sehen sind, für grenzwertig, aber "aufgrund der Schwere des Falles" für noch in Ordnung hält.

Der Presserat fordert die "Kronen Zeitung" auf, die Entscheidung freiwillig auf Twitter zu veröffentlichen. Die "Kronen Zeitung" nahm nicht am Verfahren teil und ist nicht Mitglied des Presserats.

"Heute" und ein Enthauptungsvideo

Bis dato wurde nur die Gratiszeitung "Heute" nach einem Posting vom Presserat gerügt. "#Jihadisten-Drohvideo: Echt oder nicht? Was glaubt ihr?" hieß es auf der Facebook-Seite der Tageszeitung. Verlinkt war das Posting zum Artikel "IS-Video soll Enthauptung von US-Journalisten zeigen", der wiederum zu dem vom "Islamischen Staat" auf Youtube veröffentlichten Enthauptungsvideo führte.

Eine weitere Rüge setzte es für den Artikel "'Heute'-Leser jagen 'Bubi'-Quäler" sowie die dazugehörige Slide-Show mit Facebook-Postings von "Heute"-Usern. In dem Artikel samt Slide-Show wurde über die Misshandlung eines Hundes in der Wiener U-Bahn berichtet. In manchen der in der Slide-Show angeführten Postings werden Meinungen vertreten wie dass der Täter "von oben bis unten aufgeschlitzt und auf die Gleise geworfen" gehöre, dass man ihm "dasselbe antun [...] und [ihn] danach gleich eingraben" oder dass man ihn "aufhängen" solle. (omark, 14.1.2016)